Wer nicht «patriotisch» berichtet, ist weg

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Polen ist nun direkt dem Schatzminister unterstellt. Etliche Mitarbeiter wurden bereits entlassen, die anderen haben Angst vor der bereits geplanten Massenkündigung.

People gather during an anti-government demonstration for free media in front of the Polish television building in Warsaw, January 9, 2016. The placards read "How many more?" (L) and "Free Media". REUTERS/Kacper Pempel

(Bild: KACPER PEMPEL)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Polen ist nun direkt dem Schatzminister unterstellt. Etliche Mitarbeiter wurden bereits entlassen, die anderen haben Angst vor der bereits geplanten Massenkündigung.

Renata Kim geht auf jede Demonstration gegen die neue national-konservative Regierung. Die zierliche Journalistin, die als Redakteurin für die polnische Ausgabe der «Newsweek» arbeitet, ist in der Medienszene gut vernetzt.

Bei den Protesten für Medienfreiheit Anfang Januar stand sie vor dem Gebäude von TVP, dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, als sie eine SMS bekam. «Grüsse aus der Festung. Wir sind mit euch», schrieb einer der Journalisten, der aus dem Fernsehgebäude die Demonstration beobachtete.

Die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, dessen Unabhängigkeit die national-konservative Regierung gerade massiv beschneidet, sind nicht auf den Demonstrationen zu sehen, aus Angst halten sie überwiegend still. Auf der Kundgebung Anfang Januar schauten sie auf die Menge hinunter, machten Fotos, einer klatschte mit. «Kommt zu uns», schrien die Demonstranten. Doch niemand traute sich.

A newly appointed president of Polish Television (TVP) Jacek Kurski speaks to the press in Warsaw, Poland January 8, 2016. The European Commission will discuss next week the situation in Poland, the bloc's biggest eastern member, where a new conservative and Eurosceptic government drew criticism that it was undermining democratic principles with its reforms of the country's state-funded media and the top constitutional court. REUTERS/Slawomir Kaminski/Agencja Gazeta THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS. POLAND OUT. NO COMMERCIAL OR EDITORIAL SALES IN POLAND.

M. hat wie viele lediglich einen sogenannten «Müllvertrag» – er bekommt kein festes Gehalt, sondern Honorare für Beiträge und Dienststunden. So auch Redakteur L., der seit zehn Jahren beim öffentlichen Rundfunk arbeitet. Die meisten Mitarbeiter wurden vor Jahren aus Kostengründen in eine Leihfirma ausgegliedert.

Säuberungen nach Regierungswechseln habe es immer gegeben, sagt Redakteur L. «Bislang reichte es aber auch oft, dass man im Impressum nicht mehr genannt wurde.» Das Klima in der Redaktion sei unerträglich. «Ich weiss nicht, ob ich auch entlassen werde», sagt L., der gerade zum dritten Mal Vater geworden ist und eine Familie zu versorgen hat. Er und seine Kollegen trösten sich zwar, dass man nicht alle ersetzen kann, dass jemand drehen, schreiben und schneiden muss. «Doch wie soll ich Beiträge mit meinem Namen unterschreiben, wenn ich weiss, sie sind nicht objektiv, sondern propagandistisch?» 

Was ist schlimmer? Entlassen werden oder mit seinem Namen für die Berichte stehen?

Die neue Linie macht sich bereits im Programm bemerkbar. Nach dem Besuch von Premierministerin Beata Szydlo beim Europäischen Parlament in der vergangenen Woche zeigten die Nachrichten sie als neue Führungsfigur der EU. Gezeigt wurden nur positive Stimmen aus dem Ausland – die kritischen Stimmen wurden dagegen verschwiegen. Als die Rating-Agentur Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit Polens herabstufte, brachte das öffentliche Fernsehen nur eine kurze Meldung.

«Vielleicht wäre ein Boykott keine schlechte Sache», sagt Renata Kim. In den 1980er-Jahren habe es in Polen doch geklappt. Damals schalteten viele Polen das Staatsfernsehen einfach nicht mehr ein.

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