Weshalb der Angriff der Bürgerlichen scheitern wird (Teil 1)

Wer wird in den Regierungswahlen die Nase vorne haben? Egal, ob Finanz- oder Verkehrspolitik – das bürgerliche Viererticket wird es schwer haben, ein gemeinsames Thema zu finden. Teil 1 unserer Wahlkampfvorschau.

Fünferticket gegen Viererticket – nicht nur numerisch sind die Linken in diesem Wahlkampf überlegen.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Wer wird in den Regierungswahlen die Nase vorne haben? Egal, ob Finanz- oder Verkehrspolitik – das bürgerliche Viererticket wird es schwer haben, ein gemeinsames Thema zu finden. Teil 1 unserer Wahlkampfvorschau.

432 Millionen. Die Zahl ist für die Bürgerlichen ein Schlag in den Nacken. 432 Millionen Franken Überschuss hat der Kanton Basel-Stadt unter der Führung der rot-grünen Regierung 2015 eingefahren. Nach 12 Jahren linker Herrschaft steht Basel finanziell besser da als je zuvor. Das ist die Ausgangslage vor dem grossen Kräftemessen Links gegen Bürgerlich bei den Regierungswahlen im Herbst.

«Solange wir schwarze Zahlen schreiben, bleiben wir an der Macht», sagt SP-Finanzdirektorin Eva Herzog gerne im kleinen Kreis. Trifft ihre Erfolgsformel zu, bleibt im Oktober alles beim Alten, dann werden künftig drei Sozialdemokraten und eine Grüne die Geschicke dieser Stadt bestimmen.

Vergleicht man Stärken und Schwächen der beiden Koalitionen, die um die Macht ringen – das bürgerliche Viererticket aus FDP, CVP, LDP und SVP sowie die linksgrüne Regierungs-WG aus SP, Grünen und der linksalternativen BastA! –, scheinen die Chancen klar verteilt: Läuft nichts schief im Wahlkampf, scheitert der bürgerliche Angriff. Daran dürfte auch die Eingemeindung der SVP nichts ändern.  

Die Erzählung fehlt

Das Kernproblem der Mitte- und Rechtsparteien ist, dass sie keine gemeinsame, Halt gebende Erzählung vorweisen können. Am liebsten sprechen Bürgerliche übers Geld, mit dem nicht sorgfältig umgegangen werde. Der Vorhaltung fehlt angesichts der gewaltigen Überschüsse derzeit aber die Kraft. Reichlich alarmistisch peitschte der bürgerlich dominierte Grosse Rat ein Sparpaket für 2015 durch, jetzt entblössen die Zahlen die Aktion als Aktionismus.

Probleme mit der Glaubwürdigkeit erhalten die Bürgerlichen auch jetzt wieder, wo sie Steuersenkungen für Normal- und Spitzenverdiener fordern: Eben rauschte der Kanton noch geradewegs in den Abgrund, jetzt quellen die Kassen wieder über? 

Auf drei von vier Wahlzetteln stand 2012 der Name Eva Herzog drauf. Die Finanzdirektorin geniesst auch im bürgerlichen Milieu Zuspruch. Ihre Kompetenz anzweifeln wird das Viererpaket nicht können, auch wenn der Kanton sich eine teure Verwaltung leistet. Womit das Leib- und Lieblingsthema Finanzen bereits flöten gegangen ist.

Sie fahren gerne Auto

Was haben Bürgerliche von CVP bis SVP noch gemeinsam? Vielleicht, dass sie gerne Auto fahren. An der rot-grünen Verkehrspolitik unter Hans-Peter Wessels vermochte sich Mitte-Rechts in den letzten Jahren hochzuziehen. Die Aufregung um Parkplatzschwund, um Staus wegen Baustellen und um die verkehrsberuhigte Innenstadt liess sich in Abstimmungserfolge ummünzen. Der Ausbau des Trams zur Erlenmatt scheiterte an der Urne ebenso wie der Gegenvorschlag zur Strasseninitiative, der breitere Trottoirs, mehr Velowege und Tempo-30-Zonen vorsah.

Das waren Schockerlebnisse für die rot-grüne Regierung. Reizfigur Wessels hat seine Lehren daraus gezogen, seit Monaten findet er öffentlich kaum noch statt. Wurde er vor einem Jahr noch parteiintern als Wackelkandidat gehandelt, gilt er mittlerweile wieder als gefestigt und ungefährdet.

Empörung über Wessels hat sich gelegt

Der bürgerliche Angriff auf Wessels‘ Verkehrspolitik ist womöglich zu früh erfolgt, um jetzt noch genügend Wirkung zu zeigen. Die Aufregung um das strengere Zufahrtsregime in der Innenstadt hat sich gelegt: Die Beispiele der benachteiligten Blumendekorateure und Schlossaufbohrer sind durch. Und im Sommer erfreut man sich am autofreien Flanieren.

Lässt Wessels in einer Nacht- und Nebelaktion nicht noch Hunderte Parkplätze übermalen, bleibt eine neuerliche Welle der Empörung aus und die Verkehrspolitik dürfte nicht die nötige Mobilisierungskraft in der wahlentscheidenden Mitte der Gesellschaft entfalten.

Andere identitätsstiftende Themen sind nicht in Sichtweite. Dass mit Lorenz Nägelin ein linientreuer SVPler von den Wahlplakaten grüsst, erleichtert das Finden eines Slogans, der über den Machtwechsel hinausgeht, nicht. Sicherheit fällt schon mal weg. «Für eine offene Wirtschaft – gegen die Regulierungswut» würde zwar griffig daherkommen, wäre aber unvereinbar mit der Regulierungswut von Nägelins SVP, sobald es um Arbeitnehmer aus dem Ausland geht.

Text abhanden gekommen

Es fehlt den Basler Bürgerlichen also eine muntere Geschichte, die sie ihren Wählern am Lagerfeuer erzählen können. Das muss sie beunruhigen, aber noch nicht in Verzweiflung stürzen. Denn auch den Linken ist der Text ein bisschen abhanden gekommen.

Den Rückbau der Autostadt haben die Wähler vorerst gestoppt. Für die Grünen ist die Forderung zwar weiterhin zentral, in der SP sieht man jedoch die damit einhergehenden Risiken. Die Genossen haben zuletzt vornehmlich auf die Wohnpolitik gesetzt, wo sie Erfolge feiern konnten. Aber das Thema ist verbraucht. Mit dem deutlichen Ja zur Bodeninitiative, demnach der Kanton ohne Gegengeschäfte kein Land mehr veräussern kann, ist der letzte Baustein linker Boden- und Wohnpolitik gesetzt. Das sagen selbst SP-Schwergewichte wie Grossrat René Brigger.

Gefährlicher Überdruss 

Einen sozialen Schwerpunkt wiederum wird es nicht geben, weil das nur am linken Rand Eindruck macht. Viel anderes bleibt dann nicht. Ein Blick auf den Zufriedenheitsindex der Basler Bevölkerung zeigt, dass die Leute ratlos sind, wo sie sich Verbesserungen wünschen.

Und darin liegt die Gefahr für Rot-Grün: Dass die Leute ihrer Politik überdrüssig geworden sind, so erfolgreich sie auch bis anhin sein mag. Immer dieselben Gesichter, dieselben Forderungen, dieselbe Tonlage – das erzeugt Langeweile.

Beide Lager dürften auf einen inhaltsarmen Wahlkampf setzen, um ihre Leute zu mobilisieren. Die Linken könnten eine «Weiter so»-Kampagne aufgleisen, die das Lebensgefühl in der Stadt aufnimmt, ähnlich dem «Wohne, schaffe, lebe»-Slogan vor vier Jahren. Und die Gefahren eines Machtwechsels skizzieren. Und die Bürgerlichen? Schwer auszumalen, was da noch kommen könnte, das über das Bekenntnis hinausgeht, dass man gemeinsam an einem Strick ziehe.

Entscheidend für den Wahlerfolg der beiden Blöcke dürften andere Faktoren sein. Dazu mehr in Teil 2, der am Dienstag erscheint.

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