In Ägypten ist der Klassendünkel gesellschaftliche Realität. Trotzdem musste der Justizminister Mahfouz Saber zurücktreten, nachdem er sich abfällig über Müllmänner geäussert hat.
Präsident Abdelfattah al-Sisi soll wütend gewesen sein über die abfälligen Bemerkungen seines Justizministers über den sozialen Status von Müllmännern. Mit seiner Wut war der ägyptische Präsident nicht alleine. Die Welle der Empörung im Netz und in den Medien war gewaltig, nachdem Mahfouz Saber am Sonntag in einem Fernsehinterview erklärt hatte, der Sohn eines Müllmannes sei als Richter nicht denkbar, weil er von einem passenden Hintergrund kommen sollte.
Die Kinder von Arbeitern seien nicht geeignet für eine Anstellung in der Justiz, weil sie zu Depressionen und anderen Problemen neigen würden. Weshalb das so sein soll? Diese Erklärung blieb Mahfouz schuldig.
Mahfouz kommt selbst aus einfachen Verhältnissen
Zu Wort meldete sich auch der ehemalige ägyptische Vizepräsident und Nobelpreisträger Mohammed al-Baradei. Auf Twitter schrieb er, wenn das Konzept von Gerechtigkeit in einer Nation fehle, bleibe nichts mehr. Auch in der ägyptischen Verfassung sind solche Diskriminierungen aufgrund der sozialen Herkunft verboten. Der Zugang zu öffentlichen Ämtern steht allen Ägyptern und Ägypterinnen gleichermassen offen. Der Sturm der Entrüstung war so heftig und die Rufe nach dem Rücktritt des Ministers so laut, dass dieser am Montagabend sein Amt abgeben musste.
Der Regierungschef Ibrahim Mahlab nahm den Rücktritt an. Ausserdem wies er darauf hin, dass Mahfouz selbst der Sohn eines einfachen Mannes sei, der seine Ausbildung nicht abgeschlossen hatte, aber sicher stellte, das sein Sohn dies tue. Das Kabinett – auch Mahfouz – respektiere alle Schichten der Gesellschaft und schätze es besonders, wenn sie zusammenarbeiten würden.
Kaum soziale Durchlässigkeit
In dem grossen Aufschrei ging die Tatsache unter, dass der soziale Dünkel in Ägypten ausgeprägt und die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Schichten sehr gering ist. Geheiratet wird zum Beispiel nur «standesgemäss». Abfällige Bemerkungen über einzelne Gruppierungen, etwa die «dummen Bauern», hört man immer wieder.
Mahfouz hat folglich nichts anderes gemacht, als auszusprechen, was gang und gäbe ist. Der ägyptische Schriftsteller Alaa al-Aswani hatte diese Diskriminierung in seinem in zwei Dutzend Sprachen übersetzten Bestseller-Roman der «Jakubian-Bau» vor einigen Jahren thematisiert. Dort ist es ein junger Hauswart, der trotz guter Prüfungsergebnisse nicht in die Polizeiakademie aufgenommen wird. Sein Unmut treibt ihn nach und nach radikalen Islamisten in die Arme.
Jobs in der Justiz nur für Familienmitglieder
Ob auch eine Veränderung der Regeln in der Justiz akzeptiert würde, fragte Aswani denn auch nach dem Rücktritt des Ministers. Die Justiz ist das Musterbeispiel für die Vergabe von Jobs nicht nur nach Qualifikationen, sondern vor allem nach familiärem Hintergrund. Dank ihrer Unabhängigkeit von der Politik kann sie Beförderungen weitgehend in eigener Regie vornehmen.
Seit Jahrzehnten gibt es eine Art Familienfolge in der Justiz, bei der die «guten Familien» ihre Posten weitervererben. Ein grosser Teil der Berufseinsteiger kann familiäre Bande vorweisen. Bekannt ist das Zitat eines prominenten Mitgliedes der Richtervereingung, der einmal gesagt hatte, er werde nicht ruhen, bis die Kinder der Richter ihre natürlichen Positionen in der Staatsanwaltschaft eingenommen hätten.