Widerstand an der Rittergasse

Pläne für eine autofreie Innenstadt haben ein Dutzend Beschwerden provoziert. Und die Initiative gegen die verkehrsfreie Mittlere Brücke ist so gut wie lanciert. 

Die Kernzone (braun) wird motorfahrzeugfrei, sie grenzt im Grossbasel an den Peters-, Leonhards- und St. Alban-Graben, wo wie in der gelben Zone Tempo 30 gelten wird. Im Kleinbasel endet der autofreie Bereich bei der Utengasse.

Pläne für eine autofreie Innenstadt haben ein Dutzend Beschwerden provoziert. Und die Initiative gegen die verkehrsfreie Mittlere Brücke ist so gut wie lanciert.

Die Regierung will Autos aus der Innenstadt verbannen. Das passt nicht allen: Elf Beschwerden gegen eine entsprechende Verordnung gingen seit der Publikation im September beim Verwaltungsgericht ein. Einen vergleichbaren Widerstand gab es in den gut vier Jahren, seit Verordnungen der Regierung überhaupt angefochten werden dürfen, erst einmal.

Das ist kein Zufall: Meist geht es bei solchen Erlassen um Gebühren oder Steuern, die der Basler ohnehin schlucken muss und Widerstand zwecklos ist. Oder es betrifft komplexe Themen wie amtliche Vermessungen, die den Bürger im Alltag kaum einschränken. Bei der neuen Verordnung aber ist die Einschränkung gross. Sie betrifft jeden, der mit dem Auto in die definierte Zone (Karte oben) fahren muss oder will.

Neu: Geldtransporte anmelden

Teilweise gehören in die «motorfahrzeugfreie Kernzone» Strassen, die jetzt noch praktisch uneingeschränkt befahren werden dürfen. Die Rittergasse beim Münsterplatz ist eine solche Zone. Derzeit ist dort wegen der Baustelle Fahrverbot, normalerweise gilt aber: Zubringer erlaubt. Banken und Anwaltskanzleien sind in der Strasse angesiedelt, ein Coiffeur und das Münster. Vertreter des «Daig» leben dort und mit dem Bau- und Verkehrsdepartement befindet sich an der Rittergasse genau eine Institution, die begeistert ist von den Plänen – und damit ziemlich allein dasteht. Denn auf irgendeine Art ist jeder betroffen.

Eine Privatbank etwa wird ihre Kunden künftig vorgängig bei der Polizei anmelden müssen, wenn sie aus­serhalb der neuen Güterumschlagszeiten zwischen sechs und elf Uhr morgens auf dem Privatparkplatz im Hof der Bank parkieren wollen. Auch Geldtransporte müssen angekündigt werden, was bei den Verantwortlichen Sicherheitsbedenken auslöst. Denn zum Wesen eines Geldtransports gehört, dass er stets zu anderen Zeiten kommt und nur wenige Personen eingeweiht sind.

Unterschriften gegen «Zwängerei»

Die Beschwerden stammen alle von Anrainern der Rittergasse. Bis in zwei Wochen müssen dem Gericht die Begründungen nachgeliefert werden. Die Anwälte werden sich vor allem auf die Wirtschaftsfreiheit und die Eigentumsgarantie stützen. Die Verordnung sei zu wenig durchdacht, sagt David Grieder von der Kanzlei Mathys. Schmid. Partner. Die Anwohner ohne private Parkmöglichkeit – und somit die grosse Mehrheit – und Geschäftskunden würden im Konzept zu wenig oder gar nicht berücksichtigt.

Auch die Mittlere Brücke ist derzeit noch eine Strasse mit Autoverkehr, genauso wie die Rheingasse. Das Konzept sieht vor, auch diesen Bereich für Autos zu sperren. Was allerdings gar nicht im Sinn der Interessengemeinschaft Kleinbasel (IGK) ist, weshalb sie die Pläne mit einer Volksabstimmung über den Haufen werfen will.

«Die Initiative ist bis auf Kleinigkeiten fertig», sagt IGK-Präsident Peter Winiker. Ende Monat soll mit der Unterschriftensammlung begonnen werden, um diese «Zwängerei» zu verhindern. Winiker ist sich bewusst, dass ein Ja zur offenen Brücke das ganze Konzept infrage stellen würde. Denn die Bereiche, die zur Brücke führen, müssten naturgemäss ebenfalls befahrbar bleiben. Allerdings gibt es in der Kernzone auch Strassen, die – anders als die Rittergasse und die Mittlere Brücke – bereits heute weitgehend autofrei sind.

Freie Strasse ohne Parkplätze

Die Freie Strasse etwa ist zwar für Güterumschlag zugänglich und soll das beschränkt auch bleiben, allerdings sollen die dortigen Parkplätze, die abends und nachts gut ausgelastet sind, aufgehoben werden. Das gilt für alle vergleichbaren Strassen in der Kernzone. Solche und andere Massnahmen werden noch diesen Monat publiziert – und können im herkömmlichen Sinne angefochten werden, also nicht nur per Gericht wie beim Regierungsratsbeschluss. Ende Monat wollen die Verantwortlichen des Baudepartements öffentliche Veranstaltungen durchführen.

Bisher wurden erst die Medien und die Vereine «Pro Innerstadt» und «Lääbe in der Innerstadt» informiert. Diese beiden Interessensvertreter nahmen auch an der Medienorientierung teil, wo grosse Einigkeit herrschte: Beide Vereine sind klar für eine «fussgängerfreundliche Innenstadt».

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 12.10.12

Nächster Artikel