Das Stadtkino Basel zeigt im Oktober eine Retrospektive zum finnischen Regisseur Aki Kaurismäki. Darunter auch eine skurrile Culture-Clash-Geschichte, die so erfolgreich war, dass die Figuren darin ein Eigenleben begannen: «Leningrad Cowboys Go America».
Es war eine Schnapsidee, und beim Schnaps wurde sie geboren. 1986 traf der finnische Regisseur Aki Kaurismäki zwei Trinkgenossen in einer Bar in Finnland: Sakke Järvenpää und Mato Valtonen. Die waren seit über zehn Jahren Punks avant la lettre, machten Rockmusik mit skurril-komödiantischem Einschlag und regten auf, wo sie konnten. In ihrer Heimatstadt erhielten sie Auftrittsverbot, so spielten sie in fremden Gefilden, und um das Publikum abzuholen, bauten sie Sketche und ironisierende Cover-Versionen in ihr Set ein. Als Kaurismäki und die Sleepy Sleepers zum ersten Mal anstiessen, kannte und schätzte man sich: Im selben Jahr folgte mit dem Clip zum Song «Rocky VI» der erste gemeinsame Dreh.
Järvenpää und Valtonen trugen sich bereits mit dem Gedanken herum, dass damit die Liaison nicht beendet sein sollte. Sie beabsichtigten die Gründung einer Zweitband mit dem Namen Leningrad Cowboys.
Lustige Elvis-Verschnitte
Der Name spielte auf das ambivalente Verhältnis zwischen Finnland und dem mächtigen Nachbar im Osten an, der mehrmals die Grenze überschritt, an, aber auch auf die damals schon spürbare Verwitterung der Sowjetunion. Riesen im Niedergang – ein Thema, mit dem sowohl für die Elvis-Verschnitte der Cowboys, deren erstes Album stimmig «1917 – 1987» heissen sollte, wie auch Melancholiker Kaurismäki etwas anfangen konnten.
«Leningrad Cowboys Go America», der Film, auf den sich der Regisseur und die Cowboys einigten, erzählte eine typische Kaurismäki-Geschichte: Männer wollen woanders ein besseres Leben finden. Und knorzen dabei derart unbeholfen rum, dass man lachen wie heulen muss.
Amerika, das versprochene Land, die Wiege des Rock’n’Roll – nachdem die Cowboys in ihrer Heimat in der Tundra keinen Club, keine Kneipe mehr finden, in der sie noch nicht Hausverbot haben, schickt sie ihr Manager Vladimir auf die grosse Reise. Um ihnen einen Bonus beim Publikum zu verschaffen, steckt er sie in Elvis-Klamotten, vergreift sich dabei jedoch etwas in den Dimensionen.
Die schäbigen Seiten der USA
Die spitzen Schuhe und die Einhorn-Frisur werden fortan zum Markenzeichen der Band. Als die Cowboys mit ihren Instrumenten, Wollmänteln und dem tiefgefrorenen Bassisten in den USA ankommen, heuert sie ein verschlafener Agent für eine Hochzeit in Mexiko an. Auf ihrem Weg nach Süden machen sie Halt an den verschiedenen Hinterhöfen des Rock’n’Roll: in abgeranzten Billard Bars und verwitterten Table Dance Clubs – und spielen dabei ironiefrei die Klassiker des Genres wie «Rock’n’Roll Is Here To Stay». Lustig, dieser Culture Clash. Und noch lustiger, wie die Cowboys sich ihren Weg nach Süden bahnen und die schäbigen Seiten des verheissenen Landes entdecken.
«Leningrad Cowboys Go America» war ein derartiger Kassenerfolg, dass sich Kaurismäki mit «Leningrad Cowboys Meet Moses» sogar zu einem unausgegorenen Sequel hinreissen liess. Die Cowboys entwickelten ein Eigenleben und wurden von Filmcharakteren zu einer umherreisenden Band, die ihren Mix aus Rock’n’Roll und Polka immer neu rezyklierten.
Noch ein drittes Mal fand diese ungleiche Kollaboration des dem seelischen Elend verpflichteten Regisseurs und seiner dem Exzess verfallenen Tundra-Rocker zusammen: Kaurismäki setzte den Konzertfilm «Total Balalaika Show» 1994 in Szene, ein Liveauftritt der Cowboys in Helsinki mit Balletttruppe und einem Chor der Roten Armee, vor 70’000 Menschen. Ein grandioser Triumph für eine Idee, die am Schnapstresen ersonnen war.
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«Leningrad Cowboys Go America» im Stadtkino Basel: Samstag, 3. Oktober (mit Konzert der Hausband des Theater Basel als Leningrad Cowboys), 22.00 Uhr.
Zweite Vorführung: Montag, 15. Oktober, 18.30 Uhr.