Wie der Europäische Gerichtshof vor Willkür und Sklaverei schützt

Vom «Recht auf Ehe» macht fast niemand Gebrauch, der Schutz der Privatsphäre dagegen ist hochaktuell: Womit sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befassen muss und welche Länder ihn am meisten auf Trab halten.

Jede Bürgerin und jeder Bürger aller 47 Europarats-Mitglieder kann sich an den Gerichtshofs für Menschenrechte in Strassburg wenden.

(Bild: Vincent Kessler / Reuters)

Vom «Recht auf Ehe» macht fast niemand Gebrauch, der Schutz der Privatsphäre dagegen ist hochaktuell.

Folter? In der Schweiz? Tatsächlich gab es letztes Jahr einen Fall, bei dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung des Artikels 3 der Menschenrechtskonvention feststellte: «Verbot von Folter».

Ein Mann aus Burkina Faso klagte, zwei Genfer Polizisten seien grundlos auf ihn losgegangen, hätten ihn mit Schlagstöcken malträtiert und ihm einen Anwalt verweigert. Der Fall wurde von der Schweizer Justiz ad acta gelegt, nun gab das Strassburger Gericht dem Afrikaner recht. Die Schweiz habe das Verfahren nicht sorgfältig genug geprüft.

Dennoch: Die Schweiz steht bei den ­Folter-Staaten nicht zuoberst auf der Liste. Es gab 2013 zwei Urteile zu diesem Artikel, im Falle von Russland waren es 72. Auch bei den Gesamtzahlen führt Russland die Liste an. Pro Jahr fallen im Durchschnitt zirka 90 Urteile, die Russland betreffen (2013 waren es gar 129). Das Land ist erst seit 1996 Mitglied im Europarat.

Spitzenreiter Russland und Türkei

Ähnlich viele Menschenrechtsver­letzungen werden in der Türkei eingeklagt. Allein im vergangenen Jahr waren es 124. Das ist mehr als in früheren Jahren. Die Türkei trat 1949 bei und musste jährlich durchschnittlich 49 Urteile einstecken.

Für die Schweiz liegt der letztjährige Wert ebenfalls deutlich über dem Durchschnitt. Von 1974 bis heute waren es 3,6 Urteile pro Jahr (2013 waren es 13). Welche Artikel sind bei der Schweiz am häufigsten betroffen? Insgesamt gab es 38 Urteile zu Artikel 6: «Recht auf ein faires Verfahren». Darin enthalten ist zum Beispiel die Dauer eines Gerichtsverfahrens.

Dazu gab es kürzlich ein Urteil des EGMR, bei dem ein Walliser Bankangestellter 1993 eine Abfindung einklagte, das Urteil des Bundesgerichts aber erst 2005 fertig war.
Beim «Recht auf Achtung des ­Privat- und Familienlebens» gab es insgesamt 21 Urteile zur Schweiz. Unter diesen Artikel fallen sehr viele Fälle aus unterschiedlichen Bereichen: von Datenschutz über Migrationsfragen bis hin zum Suizid-Wunsch.

Anhand der Gesamtzahlen sieht man, dass das «Recht auf ein faires Verfahren» (Artikel 6) sowie das «Verbot von Folter» (Artikel 3) in Strassburg am häufigsten eingeklagt werden. Und dabei sind Russland und die Türkei ebenfalls Spitzenreiter.

Beim Artikel zum Schutz vor Sklaverei wurde bislang fast keine Verletzung festgestellt. Beim «Recht auf Ehe» waren es acht Urteile – eines davon betraf die Schweiz.

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