Wie gefährlich ist dieser Mann?

Die einen verspotten ihn. Andere lästern über seinen Charakter oder stellen ihn gar als Staatsfeind dar. Dennoch ist Baschi Dürr (FDP) auf dem besten Weg, als einziger Neuer in die Basler Regierung einzuziehen. Höchste Zeit also, um sich zu fragen, was an all den Vorwürfen dran ist.

Baschi Dürr ist 35 Jahre alt und FDP-Politiker. Und sonst? Da gibt es erhebliche Widersprüche. (Bild: Michael Würtenberg)

Die einen verspotten ihn. Andere lästern über seinen Charakter oder stellen ihn gar als Staatsfeind dar. Dennoch ist Baschi Dürr (FDP) auf dem besten Weg, als einziger Neuer in die Basler Regierung einzuziehen. Höchste Zeit also, um sich zu fragen, was an all den Vorwürfen dran ist.

Baschi Dürr war der grosse Sieger vom Wahlwochenende. Und ist nun der fast schon unumstrittene Topfavorit für den zweiten Wahlgang, beim Kampf um den letzten freien Platz in der Basler Regierung.

Eigentlich ein Wunder, nach all dem Spott, der Häme und der Kritik, die sich in den vergangenen Wochen über dem armen Baschi entladen hat. Hier der Versuch einer zweifellos unvollständigen Zusammenstellung der Anwürfe – und einer Entgegnung, Punkt für Punkt.

Eiskalt berechnend, tuntig, spiessig

Zuerst einmal: Was angeblich alles gegen ihn spricht.

Dürr, dieser «kahle Romney», soll ein eiskalter Ehrgeizling sein, ein Fahnenflüchtling, der mit seinem Wechsel zur FDP die Liberalen verraten hat. Ganz ähnlich wird es auch im Regierungsrat sein: Dürr wird sich mit diesem Posten nicht zufrieden geben und nach Höherem streben. Dürr, der Karrierist, aalglatt wie seine Frisur (wenn man bei dieser Glatze überhaupt von einer Frisur reden kann) und unoriginell, ein typischer Krawattenträger eben, volksfern, entsprechend lächerlich seine Wahlaktion «Auf ein Bier mit Baschi Dürr».

Denn welcher rechte Mann aus dem Volke hat schon Lust auf ein Bier mit Baschi, dieser Zivildienst-Memme, die den Militärdienst abgebrochen hat, nur weil er sich zu vornehm ist, auch einmal einen idiotischen Befehl auszuführen.

Und wie er dann noch raucht, dieser Baschi, schlicht tuntig und doch gleichhzeitig auch farblos, bieder und spiessig, selbst nach einem tiefen Blick ins Glas.

Als wäre das nicht schon erschreckend genug, ist dieser humorlose Mensch («Basler Zeitung», online leider nicht verfügbar) auch noch extrem opportunistisch und arrogant. Wenn er mit jemandem redet und ein wichtiger Mann vorbeispaziert, dann ist Baschi weg, beim wichtigern Gesprächspartner  – solange zumindest, bis ein noch wichtigerer Wicht daherkommt.

Sogar noch schwerwiegendere Vorwürfe werden von den Linken erhoben, die mit dem Tuntigen und der ganzen Zivildienstmemmerei ja bekanntlich weniger Probleme haben und sich sogar noch darüber freuen könnten, dass Dürr auch in gesellschaftlichen Fragen offen ist und darum unter anderem das Ausländerstimmrecht und die Liberalisierung von Cannabis befürwortet. 

Doch das scheint die meisten Linken nicht zu interessieren, weil Dürr gleichzeitig ein erzliberaler Wirtschaftsliberaler ist, ein Staatsfeind, der den Kanton kaputt sparen will. Und gar noch schlimmer für die Linke: Dürr arbeitet für Farner, der rechtsbürgerlichen Werbeagentur, die mit undursichtigen Beziehungen und viel, viel Geld für alles Schlimme wirbt, für Atom und für die Armee.

Farner, das Böse schlechthin, und mittendrin der propere Antimilitarist Dürr.

Eigentlich ein Witz, wenn das zu diesem unlustigen Menschen nur schon ein klein bisschen passen würde.

Aber vielleicht stimmt ja so Einiges nicht, was in Zusammenhang mit Dürr gesagt wird.

Opportunistisch – oder intelligent?

Fangen wir bei den Äusserlichkeiten und dem Auftreten an.

Da wäre erstens – die Glatze. Stünde ihm eine Langhaarfrisur etwa besser? Eben.

Zweitens – die Krawatte. Ist doch chic, wie eine Frisur. Auch ich persönlich würde gerne häufiger eine ausführen, wenn ich sie ohne schwerwiegende Erstickungserscheinungen binden könnte.

Drittens – das Rauchen. In der heutigen Zeit schon fast ein revolutionärer Akt. Daher ist es schon fast ein Witz, einen Raucher als Schwächling hinzustellen.

Und wenn wir schon beim Thema sind: viertens – der Humor. Nach entsprechender Kritik in der (übrigens auch nicht immer extrem lustigen) Tagespresse hat die TagesWoche bei allen Präsidiumskandidaten den Test gemacht. Das Ergebnis war eindeutig: Dürrs Lieblingswitz ist zwar nicht unbedingt ein Brüller, aber immerhin besser als die besten Pointen der Konkurrenz.

Fünftens – die Sprunghaftigkeit. Geschenkt. Bei gewissen Gesprächspartnern scheint es uns viel eher ein Zeichen von Intelligenz und gesundem Menschenverstand zu sein, dass er sich bei der erstbesten Gelegenheit von ihnen abwendet.

Ebenfalls ein Zeichen nüchternen Sachverstandes: Dürrs Fahnenflucht. Früher oder später wird sich die andernorts schon aufgegebene LDP auch in Basel in der FDP auflösen. Warum sollte der Schlaumeier mit dem Wechsel warten, bis das auch seine liberalen Parteikollegen eingesehen haben, und so seine Karrierechancen unnötig schmälern?  

Untauglich – auch im Zivilleben?

Womit wir schon bei zweiten Themenbereich wären: Dürrs Eigenschaften. Und damit erstens – seinem Ehrgeiz. Eigentlich eher ein Vorteil für einen Politiker. Oder hat man sich in den vergangenen Monaten etwa nicht geärgert über den abtretenden Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass (ebenfalls FDP), der ambitionslos der Pension entgegen zu dämmern schien, anstatt der SVP und ihrer Angstmacherkampagne («Basel fast so gefährlich wie Somalia») und all den anderen Populisten (unter ihnen auch der andere FDP-Kandidat Christoph Haller) ein paar Zahlen und Argumente entgegen zu halten? Eben, eben, eben.

Da wir das nun geklärt hätten, können wir uns nun Dürrs Vorleben zuwenden.

Und damit erstens: zum abgebrochenen Militärdienst. Er habe eben Sinnvolles machen wollen, sagt Dürr selbst dazu. Eine Aussage, die im Militär natürlich absolut inakzeptabel ist. Etwas anders verhält es sich allerdings in den anderen Bereichen. So wäre es auch im Basler Sicherheitsdepartement gar nicht schlecht, wenn der neue Chef nicht einfach nur Befehle ausgeben würde, sondern sich erst einmal überlegt, was sinnvoll ist und was eher nicht.

Ganz sicher wird er sich das auch bei den überrissenen Einschränkungen und Kontrollen fragen, die rund um die Sportveranstaltungen eingeführt werden sollen. Und so könnte das geplante Hooligan-Konkordat quasi im allerletzten Moment doch noch einen ernst zunehmenden Gegner bekommen: Dürr, den liberalen Sicherheitsdirektor aus der Fussballhauptstadt Basel.

Zu liberal? Nicht für Basel!

Damit wären wir schon beim letzten Punkt, der politischen Einstellung, auch die spielt in der Politik ja noch eine gewisse Rolle, selbst wenn die ganze Glatzen- und Krawattenberichterstattung einen etwas anderen Eindruck vermittelt.

In diesem Punkt muss man zugeben, dass Dürrs absoluter Glaube an den freien Markt schon etwas naiv scheint, gerade jetzt, in einer Zeit, in der die ganz grossen Konzerne immer mehr Profit machen, immer mehr Staaten vor dem Ruin stehen und sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet. Aber hey, dem Dürr wird ja Gott sei Dank nicht gleich die ganze Weltwirtschaft anvertraut, sondern nur ein Posten in der Basler Verwaltung und in der Regierung, wo neben ihm immerhin noch drei sehr vernünftige SP-ler, ein freundlicher Grüner und zwei moderate Bürgerliche Platz nehmen werden. Ein bisschen mehr Liberalismus wird dieser Regierung kaum schaden. Und auch diesem Staate nicht, der möglichst alles bis ins hinterstletzte Detail reglementiert (ein nettes Beispiel dafür: die Strassenmusik). Und der die im Vergleich zum Parlament und dem Volk wohl ohnehin schon übermächtige Verwaltung laufend ausbaut. Ein Spielchen, bei dem allem Anschein nach auch die beiden bürgerlichen Regierungsräte Christoph Eymann (LDP, Erziehung) und Carlo Conti (CVP, Gesundheit) munter mitmachen. Wenn die SP-Regierungsräte das schon nicht stoppen können, dann vielleicht Dürr, dem die Parteizugehörigkeit offenbar überhaupt nicht heilig ist.

Und noch viel leichter wird es ihm fallen, die eigenen Aversionen gegen den Staat abzubauen. Ein paar angenehme Jährchen im Staatsdienst sind das beste Gegengift. Wobei wir gleich noch die Kritik an Dürrs bisherigem Arbeitgeber abhaken können. Da bitte ich um ein bisschen Nachsicht, auch aus persönlichen Gründen. Ich selbst habe sogar für die BaZ gearbeitet – und bin dennoch ein hochanständiger Mensch.

Das Volk hat entschieden – für den «Volksfernen»

Bleibt nur noch der allerletzte Vorwurf. Dürrs fehlende Volksnähe. Ein vernichtendes Urteil für einen Politiker. Ein Urteil aber auch, das vom Abstimmungsergebnis erheblich relativiert wird. Das Volk scheint Dürr zwar nicht unbedingt als Regierungspräsidenten zu wollen, aber dafür als Sicherheitsdirektor. Ganz offensichtlich schätzt es Politiker, die ihren eigenen Weg gehen und darum von den einen als linke und von den anderen als rechte Gefahr betrachtet werden. Egal, wie unmöglich sie ihre Stange Bier halten und welche Krawatte sie tragen.

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