Die Verhandlungen Athens mit den Gläubigern schleppen sich dahin. Warum kommen die Gespräche nicht voran? Wo liegen die Knackpunkte? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wo stehen die Verhandlungen?
Im Grunde hat sich seit über zwei Monaten nichts bewegt. Am 20. Februar vereinbarten Griechenland und die anderen 18 Euro-Länder beim Treffen der Eurogruppe, dass die Athener Regierung eine Reform- und Sparliste vorlegen muss. Davon hängt die Freigabe weiterer Hilfsgelder ab.
Zuletzt sind Kredite im Juli 2014 geflossen. Seither halten die Geldgeber 7,2 Milliarden Euro zurück, weil schon unter der Vorgängerregierung die Verhandlungen stockten. Auch die bisher von der neuen Links-Rechts-Regierung präsentierten und mehrfach nachgebesserten Vorschläge reichen den Gläubigern nicht. Die Hoffnung, beim Treffen der Eurogruppe am 24. April eine Einigung zu erzielen, hat sich deshalb nicht erfüllt.
Wo liegen die Knackpunkte?
Die Euro-Finanzminister fordern eine Liberalisierung des Arbeits- und Tarifvertragsrechts, um Investitionen zu fördern und Griechenlands Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Athen lehnt das bisher ab und will bereits umgesetzte Arbeitsmarktreformen sogar zurückdrehen.
Die Regierung sträubt sich auch gegen Kürzungen bei den teilweise sehr hohen Zusatzrenten – in Relation zum Durchschnittseinkommen sind viele Renten in Griechenland deutlich höher als in Deutschland.
Der dritte bedeutende Streitpunkt sind die Privatisierungen, die Griechenlands Wirtschaft Wachstumsimpulse geben und beim Schuldenabbau helfen sollen: Ministerpräsident Tsipras lehnt weitere Privatisierungen strikt ab. Er will bereits laufende Projekte zwar abwickeln, die Erlöse aber nicht zur Tilgung von Schulden verwenden, sondern in die Sozialkassen stecken.
Wie ist die Finanzlage?
Undurchsichtig. Die griechische Regierung verweigert den Gläubigervertretern eine genaue Einsicht. Vielleicht weiss sie selbst nicht genau, wie lange das Geld noch reicht.
Bisher ist Griechenland allen wichtigen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen. Viele Rechnungen, etwa von Lieferanten, bleiben aber unbezahlt. Jetzt kratzt die Regierung die letzten Euros zusammen. Mit einem Erlass wurden vergangene Woche Staatsbetriebe, öffentliche Körperschaften, Städte und Gemeinden verpflichtet, ihre Barmittel bei der griechischen Zentralbank zu deponieren. Dort hat der Staat Zugriff auf die Gelder.
Wie lange diese Mittel reichen, ist unklar. Das Verfahren hat überdies eine gefährliche Nebenwirkung: Den Geschäftsbanken und der Wirtschaft wird dringend benötigte Liquidität entzogen.
Wie viel Zeit bleibt für eine Einigung?
In dieser Woche muss der Staat für Renten und Gehälter etwa 1,9 Milliarden Euro aufbringen. Am 1. Mai wird eine Überweisung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) von 183 Millionen Euro fällig, am 12. Mai erwartet der IWF weitere 697 Millionen. Ausserdem muss Griechenland im Mai Zinsen von fast 400 Millionen aufbringen.
Fachleute erwarteten, dass Athen seinen Zahlungsverpflichtungen allenfalls bis Ende Mai nachkommen kann. Deshalb gilt das Treffen der Eurogruppe am 11. Mai als neues Schicksalsdatum. Wenn auch dann keine Einigung über die Reformliste erzielt wird, dürfte der Staatsbankrott unvermeidlich werden.
Welche Rolle spielt Finanzminister Yanis Varoufakis in diesem Drama?
Er ist zunehmend Teil des Problems, nicht Teil der Lösung. Teilnehmer der Eurogruppe vom vergangenen Donnerstag berichten, Varoufakis sei erneut unvorbereitet zu dem Treffen erschienen. Varoufakis selbst spricht von «Fortschritten», aber die sieht ausser ihm niemand. Der maltesische Finanzminister sagte, das Treffen habe «den völligen Zusammenbruch der Kommunikation mit Griechenland» gezeigt.
Premierminister Tsipras kommt auch in griechischen Medien unter wachsenden Druck, seinen glücklosen Finanzminister auszuwechseln. Aber Tsipras will sich gegenüber der Opposition keine Blösse geben und offenbar vorerst an Varoufakis festhalten.
Varoufakis trägt allerdings künftig nicht mehr die alleinige Verantwortung für die Verhandlungsführung. Neuer Koordinator des griechischen Verhandlungsteams wird der stellvertretende Aussenminister Euclid Tsakalotos.
Wie reagieren die Menschen in Griechenland?
Sie sind zunehmend verunsichert. Nach einer Umfrage vom vergangenen Wochenende wollen fast drei von vier Befragten eine rasche Einigung mit den Gläubigern. Ebenso viele möchten am Euro festhalten.
Die Bürger ziehen immer mehr Geld von ihren Konten ab und bunkern die Banknoten zu Hause. Dahinter steht die Angst, dass ihre Ersparnisse eingefroren oder sogar in eine neue Drachme konvertiert werden.
Diese Sorge ist nicht unbegründet. Denn um ihren Finanzbedarf zu decken, könnte die Regierung als Nächstes nach den Bankeinlagen greifen, etwa mit einer Zwangsanleihe auf höhere Guthaben. Das funktioniert aber nur, wenn zugleich Kapitalkontrollen eingeführt werden. Auslandsüberweisungen würden eingeschränkt, Abhebungen begrenzt – etwa auf 100 Euro am Tag. Als ein möglicher Termin für die Einführung solcher Kontrollen gilt das kommende lange Wochenende – am Freitag ist Feiertag.