Wie viele Bundesräte braucht die Schweiz?

Der Nationalrat will keine zusätzlichen Bundesräte. Unbestritten ist die zunehmende Arbeitslast der Regierung. Gestritten wird aber über jede Form des Ausbaus – ob ganz oben oder auf Stufe Staatssekretariat.

epa05211669 Swiss President Johann Schneider-Ammann (L) and German Vice Chancellor Sigmar Gabriel attend the CeBIT fair in Hannover, Germany, 14 March 2016, on the Opening Night of CeBIT. CeBIT, Global Event for Digital Business, runs from 14 to 18 March 2016. EPA/OLE SPATA

(Bild: Keystone)

Der Nationalrat will keine zusätzlichen Bundesräte. Unbestritten ist die zunehmende Arbeitslast der Regierung. Gestritten wird aber über jede Form des Ausbaus – ob ganz oben oder auf Stufe Staatssekretariat.

Eine gängige Frage bei Rekrutenprüfungen und Einbürgerungsexamen lautet nicht, wie viele Bundesräte die Schweiz brauche, sondern, wie viele sie habe. Vielleicht kommt noch die Frage hinzu, wer gerade Bundespräsident sei oder ob man wenigstens den Namen eines Bundesrats nennen könne.

Die Frage, wie viele Bundesräte unser Land benötige, wird hier angesprochen, weil der Nationalrat vergangene Woche – einmal mehr – zu beraten hatte, ob sieben ausreichen oder eine Erweiterung auf neun sinnvoll wäre. Um es vorwegzunehmen: Der Nationalrat lehnte mit 97:88 ab. Man darf einmal raten, ob die Linke oder die Rechte dagegen war. Je nach Grundeinstellung kann es lobenswert sein, dass man sich den Notwendigkeiten der Zeit anpasst – oder ihnen eben widersteht.

Jetzt ist der Ständerat an der Reihe, der in früheren Abstimmungen einmal dafür (2003) und einmal dagegen (2012) war. Sollte der neueste Reformversuch je weiterkommen, was unwahrscheinlich ist, hätten am Ende, das heisst wohl 2018, Volk und Stände das Wort.

Mehr Bundesräte für Volksfeste?

Die Antwort auf die Frage «Wie viele» hängt von den Kriterien der Beurteilung ab. Ginge es darum, dass genügend Bundesräte und Bundesrätinnen nicht nur an der Muba und der Olma und an Comptoir und Autosalon, sondern auch am Sächsilüüte und an Winzerfesten und Schwingeranlässen zur Verfügung stünden, dann müsste sich unsere Landesregierung aus über 100 Mitgliedern zusammensetzen.

Ein Anlass mit Bundesrat garantiert noch immer Publikum. Und die Bundesräte können dort mit dem Volk in Kontakt treten, auch wenns für substanzielle Gespräche kaum reichen wird.

Doch darum geht es nicht. Die Befürwortung einer Erweiterung des Regierungsgremiums wird vor allem mit drei Argumenten begründet. Es geht:

  1. um die bessere Berücksichtigung der Landesteile
  2. um die erweiterte Staatstätigkeit
  3. um die ausgedehnte Reisetätigkeit

Das Argument der regionalen Vertretung nahm in der Debatte den ersten Platz ein. Da stand die Berücksichtigung der italienischen Schweiz im Zentrum, denn diese ist bereits seit 17 Jahren nicht mehr in der Landesregierung vertreten.

Dabei gehe es um mehr als Symbolpolitik und auch nicht einzig um die Integration dieses schwierigen Landesteils: Davon hänge auch der Anteil der Italienischsprachigen in der Bundesverwaltung und die Überlebenskraft des Italienischen in der mehrsprachigen Schweiz ab sowie die Beziehungen zum Nachbarn Italien. Ein Nebenargument ist, dass bei einer Erweiterung den verschiedenen Parteikräften besser Rechnung getragen werden könnte.

Das Argument der seit 1848 stark gewachsenen Bundesverwaltung lässt sich nicht nur zahlenmässig, sondern auch inhaltlich besonders deutlich am Departement des Innern darstellen, das verschiedenste Bereiche abdecken muss: von Gesundheit bis Kultur (worin man zwar noch einen inhaltlichen Zusammenhang sehen kann), aber auch vom Sozialversicherungs- bis zum Veterinärwesen.

Es gibt viele Geschichten zur Alten Eidgenossenschaft, aber keine Geschichte der neuen Bundesverwaltung.

Über das Wachstum der Bundesverwaltung wissen wir wenig. Es gibt viele Geschichten zur Alten Eidgenossenschaft, aber keine Geschichte der neuen Bundesverwaltung. Aber es gibt die Anekdote, dass der erste Chef des Finanzdepartements jeweils den Schlüssel der Bundeskasse nach Hause genommen und unter sein Kopfkissen gesteckt habe.

Das Argument der vermehrten Reisetätigkeit verweist darauf, dass die Zahl der internationalen Konferenzen und der Auslandverhandlungen stark zugenommen habe und die damit verbundenen Reisen auf mehr Schultern verteilt werden  müssten. Das war aber in der jüngsten Debatte für einmal kein Thema. Die Magistraten und Magistratinnen selber möchten, wenn die Reisen nicht gerade zu einer glamourösen Begegnung führen, diese lieber nicht öffentlich wahrgenommen und diskutiert sehen. In den Medien dagegen werden immer wieder Statistiken zur Vielfliegerei der Bundesräte zusammengestellt.

Die Politik ist zweifellos internationaler geworden. In einer Antwort auf eine Interpellation Christoph Mörgelis vom Sommer 2003 zum sogenannten «Reiseaktivismus» wies der Bundesrat darauf hin, dass man Verhandlungen nicht immer untergeordneten Instanzen überlassen könne.

Zwei zusätzliche Bundesräte kosten nicht viel mehr – wohl aber die zusätzlichen Stabsstellen

Ein billiges Argument der Rechtsnationalen dreht die Dinge aber gerne um: Sie sieht in der Reisetätigkeit nicht die notwendige Folge der Internationalisierung der Politik, sondern eine unbändige Reiselust der Magistraten als Ausgangspunkt. Sie sei es, die dazu führe, dass die Schweiz immer häufiger in internationalen Institutionen mitwirke.

Die ablehnende Mehrheit orientierte sich ebenfalls an drei Argumenten:

  1. Die Berücksichtigung der Landesteile sei heute schon Vorschrift, ihr könne ohne Erweiterung des Regierungsgremiums Rechnung getragen werden.
  2. Die Erweiterung würde den Aufwand der Bundesverwaltung unnötig aufblähen.
  3. Der Bundesrat sei ein Gremium der Kollektivverantwortung, und diese würde durch eine Erweiterung geschwächt, und die Konsensfindung würde erschwert. Eine Erweiterung rufe nach stärkerer Führung, das heisst einem ebenfalls nicht erwünschten Ausbau des Bundespräsidiums.

Der zweite Punkt betrifft auch die Kostenfrage: Da geht es weniger um die Entlöhnung und die Pensionskosten der zusätzlichen Bundesräte oder Bundesrätinnen. Die zwei zusätzlichen Generalsekretariate mit je 65 Vollzeitstellen und Mehrkosten von 20 Millionen Franken jährlich würden viel stärker ins Gewicht fallen.

Zu den Lohnkosten käme der Sachaufwand von bis zu 14 Millionen Franken pro Jahr. Es wird von einem Total von mindestens 39 Millionen ausgegangen, plus 18 Millionen Franken einmalige Einrichtungskosten. Nicht mitgerechnet sind da allerdings die Mehrkosten bei anderen Departementen, da sich Verwaltungen bekanntlich unter dem positiv klingenden Stichwort Koordination gegenseitig beschäftigen.

Staatssekretäre statt Zusatzbundesräte

Unbeachtet blieb die seit Jahrzehnten diskutierte Frage, ob der Bundesrat nicht systematisch durch Staatssekretäre entlastet werden könnte. Bereits ein Bericht aus dem Jahr 1967 stellte fest, dass der Bundesrat «überlastet» sei.

1978 wurden zwei Staatssekretariate eingerichtet für die politischen und die wirtschaftlichen Aussenbeziehungen und mit der beruhigenden Einschränkung, dass der Titel nur im Ausland getragen werden dürfe. Um 1991 folgte ein dritter Staatssekretär, jetzt für Wissenschaft und Forschung.

In den Neunzigerjahren wurde von fortschrittlichen Freisinnigen (die es damals noch gab) im Rahmen der Regierungsreform die Schaffung von bis zu zehn Staatssekretariaten angestrebt. Diese hätten die Handlungsfähigkeit des Bundesrats erhöhen sollen. Das Projekt stürzte jedoch im Juni 1996 in einer Referendumsabstimmung ab. Umstritten war unter anderem, ob Bundesrat oder Parlament für die Ernennung der Staatssekretäre zuständig sei.

War es krude Missachtung des Volkswillens oder einfach der Zwang höherer Notwendigkeit, dass in Etappen schliesslich trotzdem Staatssekretariate geschaffen und ihre Inhaber vom Bundesrat und nicht vom Parlament ernannt wurden?

Trotz der Ablehnung von 1996 entstanden in den letzten Jahren weitere Staatssekretariate: 2010 liessen es die schwierigen Beziehungen zu den USA wegen der Bankenproblematik für angezeigt erscheinen, ein Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) zu schaffen und den EDA-Staatssekretär Michael Ambühl an dessen Spitze zu setzen. Ein fünftes Staatssekretariat folgte im September 2014: Die Aufwertung galt Mario Gattiker, dem Direktor des Bundesamts für Migration.

Bundesrat und Kantonsregierungen wollen keine Erweiterung

Wenn es nach den Vorstellungen eines im Juni 2013 im Nationalrat eingereichten Vorstosses gegangen wäre, hätte die Schweiz sogar ein Staatssekretariat für die Verkehrsfragen einrichten müssen. Und eine letzte Nachricht aus diesem Bereich: Der Bundesrat hat am vergangenen Freitag die 48-jährige Juristin und Historikerin Pascale Baeriswyl zur Staatssekretärin des Departements für Aussenbeziehungen gewählt und damit (man denke nur an Albert Weitnauer und Franz Blankart) die bereits lange Reihe der aus Basel stammenden Spitzendiplomat/-innen verlängert.

Die Landesregierung sprach sich vor der jüngsten Debatte ebenfalls gegen die Erweiterung ihres Gremiums aus, obwohl sie die Nachteile des Kleinformats wohl tagtäglich erlebt. Es wäre aber unfair anzunehmen, dies sei vor allem darum geschehen, weil sie die Macht nicht mit zwei zusätzlichen Ratsmitgliedern teilen will.

Und in der Vernehmlassung der Kantone sprachen sich 19 kantonale Regierungen gegen eine neunköpfige Bundesregierung aus. Auch dafür dürfte nicht in erste Linie das gewiss ebenfalls bestehende Eigeninteresse ausschlaggebend gewesen sein, das keinen Ausbau der übergeordneten Etage als wünschenswert beurteilen kann.

Vielmehr liessen sich die Kantonsregierungen vor allem vom Trend leiten, der auf ihrer Ebene sogar zu einer Reduktion der Regierungssitze führte. Dies allerdings bei einem wesentlich eingeschränkteren Regierungsvolumen.

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