Die Bewohner auf dem Bruderholz geniessen zwar die Ruhe und das viele Grün, ärgern sich jedoch über das Image des «Bonzenhügels». Ihre Probleme würden deswegen weniger ernst genommen, sagen sie.
Ein Image, so die Definition des Online-Lexikons Wikipedia, bezeichne den Gesamteindruck, den eine Mehrzahl von Menschen von einem Meinungsgegenstand habe. Und weiter: Dieser Gesamteindruck sei eine subjektive Kategorie, er müsse nicht objektiv richtig sein. Ein Image kann denn auch sowohl positiv wie negativ besetzt sein. Und die Etikette «Bonzenhügel», die dem Bruderholz von den übrigen Stadtbewohnern gerne verpasst wird, ist nun wirklich keine, die Sympathien weckt.
Verständlich drum, dass sich die Bruderhölzer ebenso gegen das Image der «arroganten Mehrbesseren» wehren, wie die Kleinbasler keine «Ghettobewohner» sein wollen. So mussten wir von der TagesWoche zunächst einige Kritik einstecken, weil wir unseren Besuch ziemlich unsensibel und undifferenziert mit «Ab aufs noble Bruderholz» angekündigt hatten.
Gute Steuerzahler
«Das hat mich total genervt», sagte beispielsweise eine 19-jährige Studentin, die mit Eltern und Schwester in einem Reihenhaus auf dem Bruderholz wohnt. «Es sind doch nicht alles reiche Leute hier, sondern ganz viele ganz durchschnittlich Verdienende.» Das Gros der Bruderholzbewohner, sagt auch ein Mann in den Fünfzigern, gehöre zum Mittelstand. Und es sei wirklich mühsam mit dieser plakativen Kategorisierung.
Das habe letztlich zur Folge, sagt er, dass Anliegen der Bruderholz-Bewohner weniger ernst genommen würden als diejenigen aus anderen Quartieren. Sie würden schnell einmal abgetan als «Luxusprobleme» oder «Sonderwünsche». Das habe die Diskussion um die Parkraumbewirtschaftung deutlich gezeigt. «Man kann sich doch mit Recht fragen, warum hier Plätze bewirtschaftet werden sollen, wo es keine Probleme damit gibt.»
Das Argument mit der Gleichbehandlung aller Stadtbewohner lässt der Mann nicht gelten. «Dann geht es nicht wirklich um Bewirtschaftung von Parkplätzen, sondern darum, zusätzliche Gebühren einzukassieren, und dann soll man das auch so deklarieren.» Deren Berechtigung er jedoch etwas fragwürdig findet, «der Durchschnitt hier oben zahlt schon genug Steuern, insgesamt machen wir hier wohl den grössten Brocken in der Staatskasse aus.»
Zumindest den zweitgrössten, was die Erträge aus der Einkommenssteuer betrifft. Den grössten Anteil liefert gemäss der aktuellsten Steuerstatistik des Kantons Basel-Stadt (Steuerjahr 2009) Riehen ab, mit fast 145 Millionen Franken. Danach erst folgen die Quartiere Bruderholz, St. Alban und Bachletten, mit Anteilen zwischen 121 und 87 Millionen Franken.
Bei den durchschnittlichen Reineinkommen schwingt dann das Bruderholz mit rund 130 000 Franken pro Veranlagung hoch oben. Zum Vergleich: Das tiefste durchschnittliche Reineinkommen wird in Klybeck erzielt und beträgt knapp 43 000 Franken.
Wertschätzung vermisst
«Eine Stadt, soll sie funktionieren, braucht solche Quartiere wie das Bruderholz», sagt Angela Bryner, Vizepräsidentin des Neutralen Quartiervereins Bruderholz (NQVB). Bryner wohnt seit 17 Jahren hier, und zwar ganz bewusst und sehr gern, wie sie betont. «Es ist ruhig, hat viel Grün, und der Umgang miteinander ist äusserst angenehm.»
Auch sie ärgert sich manchmal über mangelnde Wertschätzung der Bruderholz-Bewohner – darüber, dass auf deren Bedürfnisse weniger eingegangen werde als andernorts. «Dann wird gerne das Argument ‹ihr habt ja das Geld, ihr könnt das gut selbst finanzieren› ins Feld geführt.»
Ein Beispiel ist für Bryner die «Quartieroase», der die Regierung die beantragten Subventionen von jährlich 90 000 Franken abschlug. Die «Quartieroase» musste schliessen, konnte später aber an einem neuen Ort wieder eröffnen, nachdem der Grosse Rat einen jährlichen Subventionsbetrag von 50 000 Franken bewilligt hatte. Was Angela Bryner zwar durchaus zu würdigen weiss, «aber andere Quertiertreffpunkte erhalten rund das Doppelte».
Grossräte wohnen gern hier
Bryner ist nicht die Einzige, die durchblicken lässt, dass das Bruderholz vom Kanton zuweilen benachteiligt wird, oder zumindest die Anliegen der rund 9000 Bewohner nicht genügend ernst genommen werden. Was umso erstaunlicher ist, als dass auf dem Bruderholz insgesamt zwölf Grossratsmitglieder wohnen – fünf von der links-grünen Seite und sieben Bürgerliche.
Als explizite Quartiervertreter wollen sie sich jedoch nicht sehen. «Ich setze mich gerne für die Anliegen dieses Quartiers ein», meint dazu FDP-Grossrat Christian Egeler, «ich sehe mich aber auch als Vertreter aller Quartiere und möchte für alle das Beste herausholen.» Ähnlich, wenn auch in anderen Worten, formuliert es SP-Grossrat und Gesundheitspolitiker Philippe Macherel: «Meine Schwerpunkte liegen woanders.»
Er schliesst sich in einem der Meinung der vielen Stimmen unterhalb des Hügels an: «Das Bruderholz hat verglichen mit anderen Quartieren tatsächlich Luxuprobleme.» In anderen Quartieren rede man schon gar nicht darüber, ob die Parkplätze in blaue Zonen umgewandelt werden dürfen oder nicht. Dennoch: Dass das Bruderholz als Quartier der Reichen abgestempelt wird, nervt auch ihn. «Es ist nicht so, dass im Quartier nur Vermögende leben. Es gibt auch viele Mittelstandsbauten hier.»
Grossbasler Altstadt ist teurer
Der Mietpreisindex, der vom Statistischen Amt regelmässig erhoben wird, gibt ihm recht: So kostet der Quadratmeter einer 4-Zimmer-Wohnung, die zwischen 1981 und 1990 erstellt worden ist, im Schnitt 20 Franken monatlich, nur ein Franken mehr als bei einer Wohnung im Wettsteinquartier. Gemäss Mietpreisindex, der im Mai dieses Jahres erhoben wurde, ist das Wohnen in der Grossbasler Altstadt mit 24 Franken pro Quadratmeter eindeutig am teuersten.
Beim Wohneigentum sieht die Sache allerdings wieder etwas anders aus: Laut dem Immobilienmonitoring von Wüest + Partner kostet derzeit ein Quadratmeter Eigentumswohnung auf dem Bruderholz im Durchschnitt rund 9300 Franken, im ebenfalls teuren St.-Alban/Breite-Quartier sind es rund 8000 Franken.
Vermögend, gehobener oder durchschnittlicher Mittelstand: «Auch die Probleme der Bruderholz-Bewohner sind Probleme», sagt FDP-Grossrat Egeler, «schliesslich ist der Geldfluss von oben nach unten nicht gering.»
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 24.08.12
In der ursprünglichen Fassung hatte sich bei den Zahlen aus der Steuerstatistik ein Fehler eingeschlichen, auf den uns freundlicherweise ein Leser aufmerksam gemacht hat. Wir hatten angegeben, das Vermögen pro Veranlagung betrage auf dem Bruderholz 11, 6 Millionen Franken. Das ist in zweierlei Hinsicht falsch: Erstens ist dieser Betrag nicht pro Veranlagung, sondern die Summe der besteuerten Vermögen auf dem Bruderholz und zweitens sind es dann 11, 6 Milliarden. Wir bitten um Entschuldigung.