«Woher das Geld kommt, konnte mir keiner sagen»

Mysteriöse Geldflüsse, frisierte Subventionsgesuche, überteuerte Rechnungen? Der Basler Gewerkschafter Hansueli Scheidegger erhöht den Druck auf die ins Zwielicht geratene Baselbieter Wirtschaftskammer. Auch zur fragwürdigen Rolle der Gewerkschaften äussert sich Scheidegger im Interview.

Droht mit Klage: Gewerkschafter Hansueli Scheidegger (links) fordert von Ex-Wirtschaftskammer-Direktor Hans Rudolf Gysin Aufklärung über zahlreiche Skandale bei den Baselbieter Lohnkontrollstellen.

(Bild: Nils Fisch)

Mysteriöse Geldflüsse, frisierte Subventionsgesuche, überteuerte Rechnungen? Der Basler Gewerkschafter Hansueli Scheidegger erhöht den Druck auf die ins Zwielicht geratene Baselbieter Wirtschaftskammer. Auch zur fragwürdigen Rolle der Gewerkschaften äussert sich Scheidegger im Interview.

Der Druck auf die Wirtschaftskammer und ihre Protagonisten nimmt zu. Nach einer Welle von Enthüllungen drohen die Gewerkschaften offen mit einer Klage. Im Fokus stehen die Kontrollorgane ZAK (Zentrale Arbeitsmarkt-Kontrolle) und ZPK (Zentrale Paritätische Kontrollstelle), die Lohndumping und Schwarzarbeit auf Baselbieter Baustellen bekämpfen sollen. Beide Organisationen werden sowohl von den Gewerkschaften wie auch der Wirtschaftskammer mitgetragen.

Zuletzt machte das SRF «Regionaljournal» publik, dass die ZAK überteuerte Fahrzeuge über die der Ausgleichskasse der Wirtschaftskammer gehörende Firma AMS geleast haben soll. Die gleiche Firma soll in einen Subventionsschwindel involviert sein. Ex-Wirtschaftskammerdirektor und AMS-Präsident Hans Rudolf Gysin bestreitet jedes Fehlverhalten. Die AMS beschäftigt die Kontrolleure der ZAK und bezahlte zumindest in einem Fall nur rund die Hälfte jener Lohnsumme, die im Subventionsgesuch gegenüber dem Bund deklariert wurde. 

Eidgenössische Finanzkontrolle ermittelt

Mittlerweile untersucht das Gewerbeamt Kiga die Subventionsaffäre. Im Raum stehen der Vorwurf der Urkundenfälschung und des Subventionsbetrugs. Auch der Bund ist beunruhigt, laut SRF hat sich nun die eidgenössische Finanzkontrolle eingeschaltet.

Klärung der zahlreichen Vorwürfe erhofften sich die Gewerkschaften an einer ausserordentlichen Generalversammlung von ZAK und ZPK. Hansueli Scheidegger, Sektorleiter Bau der Unia-Sektion Nordwestschweiz, ist seit 2013 Mitglied der ZPK. Im Interview spricht er über nicht erklärbare Buchungen, die Weigerung, Transparenz herzustellen und die umstrittene Rolle der Gewerkschaften in der Affäre. 

Herr Scheidegger, welchen Eindruck hatten Sie von der ausserordentlichen Generalversammlung?

Dass es keinerlei Interesse gibt, schnell Transparenz herzustellen. Das wurde schon mit der Einladung klar. Ich hatte im Vorfeld schriftlich verlangt, Beschlüsse zu fassen, um alle Vorwürfe zu untersuchen. Das wollte man nicht. Die ganze Veranstaltung war auf Rechtfertigung angelegt und darauf, zu zeigen, dass alles in Ordnung ist. Mein Anliegen wurde schlicht nicht ernst genommen.

Wer wollte denn keine Transparenz?

Präsident der ZAK, Hans Rudolf Gysin, und Präsident der ZPK, Daniel Münger, waren nicht sonderlich bemüht, auf meine Anliegen einzugehen und alle Karten auf den Tisch zu legen. Aber das Zepter an der GV führte definitiv Gysin.

Münger ist der Vertreter der Gewerkschaften in den beiden Kontrollstellen. Hat er seine Aufsichtspflicht genügend wahrgenommen?

Das müssen Sie ihn fragen. Sollte sich herausstellen, was ich im Interesse des Kampfes gegen Lohndumping und Schwarzarbeit sehr hoffe, dass alles mit rechten Dingen zu und her ging, hat er seine Aufsichtspflicht sicher nicht verletzt.

«Laut Hans Rudolf Gysin sind gewisse Sponsoren und Stiftungen involviert.»

Vielleicht agierte er deshalb so passiv, weil der Gewerkschaftsbund (GBBL) immer ordentlich profitiert hat von der ZAK. Sie erhalten 75’000 Franken im Jahr für den Betrieb einer Kontakt- und Beratungsstelle.

Der Gewerkschaftsbund Baselland hat mit der ZAK einen klaren Leistungsauftrag abgeschlossen und diesen auch umgesetzt. Die Geschäftsführerin des GBBL hat jährlich gegenüber der ZAK rapportiert, wie viele Anfragen, Auskünfte und Schwarzarbeitsmeldungen bearbeitet und weitergeleitet wurden. Im Jahr 2014 wurden gemäss Aufstellung knapp 400 Arbeitsstunden direkt für die Anlaufstelle aufgewendet, und sie ist von Montag bis Donnerstag besetzt.

Der Beitrag an die Gewerkschaften wurde laut der «Schweiz am Sonntag» nie in der Rechnung der ZAK verbucht. Woher stammt das Geld, wenn nicht von der ZAK?

Es stammt von einem Konto der ZAK, das zeigen die Unterlagen. Woher es ursprünglich kommt, weiss ich nicht. Laut Hans Rudolf Gysin sind gewisse Sponsoren und Stiftungen involviert. In der Buchhaltung der ZAK taucht auch ein jährlicher Strukturbeitrag über 200’000 Franken auf, der gebraucht wurde, um die Rechnung der ZAK im Gleichgewicht zu halten. Woher dieses Geld kommt, konnte oder wollte mir niemand sagen. 

«Eine Fremdfinanzierung der Baustellenkontrolle kann ich nicht akzeptieren.»

Die Strukturbeiträge gab es schon 2013. Kam Ihnen das nicht seltsam vor?

Die ZAK und ZPK hatten, auch im nationalen Vergleich, sehr gute Arbeit gemacht. An den Mitgliederversammlungen stand dies im Vordergrund und nicht die Rechnungsabschlüsse, die ja von der Revision geprüft und abgenommen worden waren. Im Zusammenhang mit den publik gewordenen Vorwürfen steht das nun in einem ganz anderen Licht. Eine Fremdfinanzierung der Baustellenkontrollen kann ich nicht akzeptieren, wir wissen nicht, welche Bedingungen die angeblichen Sponsoren gestellt haben könnten.

Hans Rudolf Gysin hat als Präsident der ZAK mit sich als Präsident der Firma AMS Miet-, Arbeits- und Fahrzeugverträge ausgehandelt. Hätten da nicht längst alle Alarmglocken schrillen müssen?

Es gab klare Leistungsvereinbarungen zwischen ZAK/ZPK und der Firma AMS, welcher diese operativen Arbeiten übertragen wurden. Die Vereinsmitglieder konnten bis jetzt davon ausgehen, dass diese Leistungsvereinbarungen korrekt umgesetzt wurden. Ob dies effektiv in allen Teilen so war, kann nur eine externe Prüfung abschliessend klären.

Weshalb wurde Ihr Vorschlag, eine externe Prüfung zu veranlassen abgelehnt?

Die gesamte Arbeitgeberseite war dagegen. Da der Kanton bereits eine Untersuchung durchführe und sich auch das Seco eingeschaltet hat, sei das unnötig. Deshalb wurde die Behandlung meines Antrags auf eine solche Prüfung verschoben auf die ordentliche Generalversammlung. Diese findet erst kurz vor Weihnachten statt. Man spielt auf Zeit.

Ist Hans Rudolf Gysin als Präsident der ZAK und Vizepräsident der ZPK noch tragbar?

Ich will einer möglichen Prüfung nicht vorgreifen. Sollte das Geld nicht dort sein, wo es hingehört, wäre das sehr problematisch. Sollten tatsächlich überrissene Rechnungen gestellt worden sein, müsste dies sicher Konsequenzen haben.

«Christoph Buser lehnte es ab, ein Machtwort zu sprechen.»

Sie nehmen auch Wirtschaftskammerdirektor Christoph Buser in die Pflicht.

Herr Buser ist Mitglied der ZPK, und die AMS ist eine hundertprozentige Tochter der Familienausgleichskasse GEFAK, welche der Wirtschaftskammer gehört. Somit müsste deren Direktor hinstehen und alles Interesse an einer lückenlosen Klärung der Lage haben. Ich forderte Herrn Buser deshalb schriftlich auf, Verantwortung zu übernehmen und ein Machtwort zu sprechen. Er lehnte das ab. Die Untersuchung durch das Kiga reiche, um die Vorwürfe zu klären. Mir reicht das nicht. Denn das Kiga prüft nur, ob bei der Beantragung der Bundessubventionen alles richtig lief. Ob überrissene Rechnungen, etwa für das Leasing der Smarts, gestellt wurden, ist dort nicht Gegenstand. Wir aber müssen Gewissheit haben, dass mit dem Geld haushälterisch umgegangen wird. Auch weil ein Teil des Geldes der ZPK von den Arbeitnehmern aufgebracht wird.

Sie drohen nun mit einer Klage. Wen wollen Sie wegen was verklagen?

Wir können privatrechtlich gegen die Vereine ZAK und ZPK vorgehen, sollten sie ihrer Rechenschaftspflicht nicht nachkommen. So könnten wir eine externe Prüfung wohl gerichtlich durchsetzen. Ob wir auch strafrechtlich vorgehen müssen, klären wir derzeit ab. Falls diese Abklärungen einen Verdacht auf ungetreue Geschäftsbesorgung oder gar Urkundenfälschung erhärten würden, müssten wir wohl Klage einreichen.

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