Mit starrem Blick nahmen die Vertreter der bürgerlichen Parteien im Rathaus die Verkündung der Abstimmungsresultate zur Kenntnis. Und auch im Lager der Linken und des Mieterverbands dauerte es eine kleine Weile, bis sich die Verblüffung über die deutlichen Resultate in Jubel wandeln konnte.
«Es ist ein grossartiges Resultat», sagte Patrizia Bernasconi vom Basler Mieterverband – noch immer mit leicht verwundertem Ausdruck im Gesicht. «Dieses eindeutige Plebiszit zwingt die Regierung zum Handeln.»
Ja-Mehrheiten von bis zu 72 Prozent
Regierungssprecher Marco Greiner hatte mitgeteilt, dass nach der Auszählung der brieflichen Stimmen drei der vier Wohn- oder Mieterinitiativen sehr deutlich angenommen worden waren:
- Die Initiative «Recht auf Wohnen», welche dieses Prinzip in der Kantonsverfassung verankern will, kam auf 57,4 Prozent Ja-Stimmen.
- Die «Wohnschutzinitiative», die Mieter vor renditeorientierten und damit preistreibenden Sanierungen schützen will, wurde mit knapp 62 Prozent der Stimmen angenommen.
- Die Initiative «Ja zu bezahlbaren Neumieten», hier sollen Vermieter in die Pflicht genommen werden, die jeweiligen Vormieten zu deklarieren, kam an den Abstimmungsurnen sogar auf eine Ja-Mehrheit von 72 Prozent.
- Die Initiative «Mieterschutz am Gericht», die für eine Begrenzung der Gerichtsgebühren bei Mietstreitigkeiten einsteht, schaffte es Dank der persönlich abgegebenen Stimmen zu einem mit 50,1 Prozent ausgesprochen knappen Ja.
Die Stimmbeteiligung betrug 43,9 Prozent.
Die Stadt gab den deutlichen Ausschlag
Für einmal haben die Stadtbasler die Einwohner aus Riehen und Bettingen deutlich überstimmt. Riehen nahm lediglich die Initiative «Ja zu bezahlbaren Neumieten» deutlich an, die «Wohnschutzinitiative» erreichte eine hauchdünne Mehrheit von 5 Stimmen, während die beiden anderen Initiativen in Riehen keine Chance hatten. Bettingen sagte zu allen vier Vorlagen zum Teil sehr deutlich Nein.
Beat Leuthardt, Sekretär des Basler Mieterverbands und Mitinitiant von drei der vier Volksbegehren, blieb nach der Verkündung der Resultate auffallend ruhig:
«Ich bin erleichtert, aber am nächsten Mittwoch muss ich einmal mehr wegen einer Massenkündigung vor Gericht. Es ist also Gebot der Stunde, dass die Initiativen rasch, sehr rasch Wirkung zeigen. Die Regierung muss handeln und das Wohnraumfördergesetz so anpassen, dass Mieterinnen und Mieter besser geschützt werden. Faire Vermieter und Investoren haben übrigens nichts zu befürchten.»
Der Basler SP-Präsident Pascal Pfister strahlte deutlichere Freude über das Resultat aus:
«Das ist ein sehr guter Tag für Mieterinnen und Mieter in Basel. Es hat sich gezeigt, dass wir ein Thema aufgriffen, das den Menschen unter den Nägeln brennt. Der Leidensdruck und die Angst von vielen Mieterinnen und Mietern, dass sie ihre bezahlbaren Wohnungen verlieren könnten, sind offensichtlich gross. Mit den neuen Ansätzen des kommunalen Wohnungsbaus und der Förderung von Genossenschaften bewegt sich die Regierung bereits in die richtige Richtung. Jetzt muss der Mieterschutz und die Sicherung des bezahlbaren Wohnungsbestandes ausgebaut werden.»
Bürgerliche: «Rundumschlag gegen den Wohnungsmarkt»
Etwas ratlos reagierten die bürgerlichen Politiker auf das Resultat. Gewerbedirektor Gabriel Barell spricht von einem «vierfachen Rundumschlag»:
«Es ist offensichtlich ein Thema, das den Baslern unter den Nägeln brennt. Es ist aber sehr bedauerlich, dass wir nicht aufzeigen konnten, dass der Markt die beste Garantie für ein gutes und ausgewogenes Wohnungsangebot ist und dass starke Regulierungen und Einschränkungen kontraproduktiv sind. Eine Rolle hat sicher gespielt, dass das Thema mit Negativbeispielen in den Medien stark bewirtschaftet wurde. Wir hoffen, dass die Initianten bei der Umsetzung ihrer Anliegen Vernunft werden walten lassen.»
Andreas Zappalà, FDP-Grossrat und Geschäftsführer des Hauseigentümerverbands, hatte eigentlich mit knappen Abstimmungsresultaten gerechnet:
«Anliegen wie Recht auf Wohnen oder Schutz von älteren Mietern klingen auf dem Papier ja gut. Und offensichtlich wird die Situation mit dem knappen Wohnraum als grosses Problem betrachtet. Da war es natürlich Wasser auf die Mühlen der Initianten, dass in den vergangenen Wochen krasse Beispiele von Massenkündigungen an die Öffentlichkeit kamen. Ich will keineswegs bestreiten, dass es unter den Vermietern schwarze Schafe gibt, eine Mehrheit verhält sich aber verantwortungsbewusst. Und diese müssen sich nun unter anderem mit der neuen Formularpflicht bei Neuvermietungen herumschlagen.»
Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann nahm die Abstimmungsresultate zwar mit einem strahlenden Lächeln zur Kenntnis, wollte sich auf Anfrage aber nicht auf Äste herauslassen. Auf die Regierung wird nun einiges an Arbeit zukommen. «Es ist bedauerlich, dass uns der Grosse Rat im Vorfeld nicht die Gelegenheit gab, zu den Initiativen Stellung zu nehmen», sagt Ackermann.