Würde es uns nach Olympia vielleicht ein bisschen besser gehen?

In der Debatte um mögliche Olympische Spiele in Graubünden geht es nicht nur um Steuergelder, neue Skipisten und Touristenströme: Die Befürworter von Olympia erhoffen sich vom Grossereignis ein neues Selbstverständnis für die Schweiz.

Brauchen wir Olympia? So als Land? (Bild: Hans-Jörg Walter)

In der Debatte um mögliche Olympische Spiele in Graubünden geht es nicht nur um Steuergelder, neue Skipisten und Touristenströme: Die Befürworter von Olympia erhoffen sich vom Grossereignis ein neues Selbstverständnis für die Schweiz.

Wenn es um die ganz grossen Kisten geht (und die ganz grossen Zahlen), werden Politiker gerne etwas pathetisch. Vor der Expo.02, nachdem die Landesausstellung doch noch irgendwie realisiert worden war, da sagte der ehemalige Bundesrat Adolf Ogi bei der Eröffnung (er wird auch bei nicht ganz so grossen Kisten etwas pathetisch): «Wenn der Funke springt, wenn das Land wieder näher zusammenrückt, wird die Expo ein Erfolg!»

Es war nach der Expo nicht ganz klar, inwiefern der Funke tatsächlich gesprungen war, inwiefern das Land näher zusammenrückte. Dafür zeigt das Projekt Expo in der Rückschau die Argumentationsmuster, die vor jedem geplanten Grossereignis zu beobachten sind; aktuell bei der Debatte um mögliche Olympische Spiele in Graubünden im Jahr 2022. Am 3. März werden die Bündnerinnen und Bündner eine wegweisende Abstimmung durchführen. Nur bei einem Ja in Graubünden werden die Olympische Spiele auch auf nationaler Ebene zu einer Option. Der Ausgang der Abstimmung ist offen – eine Meinungsumfrage von Demoscope von Ende November hat eine Patt-Situation festgestellt. 

Alles würde etwas besser

Die Befürworter von Olympia reden – ähnlich wie die Befürworter der Expo vor etwas mehr als zehn Jahren – nicht nur von «Nachhaltigkeit», Image-Verbesserung oder Touristen-Strömen. Sie reden vom Land als Ganzes – vom angekratzten Selbstverständnis, verschwundenen Stolz, von den nicht enden wollenden Angriffen von aussen. Bankenplatz, Schwarzgelder, Steuerstreit, Fluglärm, die ungelösten Probleme im Verhältnis zur EU; alles scheint mit Olympia etwas besser zu werden.

Da ist beispielsweise Jörg «Jögge» Schild, ehemaliger Basler Polizeidirektor, aktueller Präsident von Swiss Olympic, Olympia-Begeisterter. Im Gespräch mit der «TagesWoche» sagt Schild: «Ich sage: dieses Projekt wird der ganzen Schweiz gut tun. Wir können endlich wieder einmal zusammenstehen und ein grossartiges Projekt entwickeln, anstatt uns immer nur über das Negative zu ereifern. Ein gemeinsames Projekt wie Olympia würde nicht nur unserem Image, sondern auch uns selbst gut tun.»

Zusammenschweissen

Stimmt das tatsächlich? Würde uns Olympia als Land näher zusammenkommen lassen? Und lässt sich das messen? Die TagesWoche wird sich in dieser Woche im Internet und am Freitag in der Printausgabe ausgiebig mit den möglichen Olympischen Spielen in Graubünden auseinandersetzen. Zum Auftakt hat sie an verschiedene Parlamentarier in der Nordwestschweiz und Graubünden einen Fragenkatalog geschickt. Aus den Antworten wird deutlich, dass gerade bei den glühendsten Befürwortern von Olympia in der Schweiz das Element des Gemeinsamen, des Zusammenrückens, sehr präsent ist. «Olympia wird die Schweiz zusammenschweissen. Gemeinsam können wir unvergessliche Spiele organisieren», schreibt Martin Candinas, CVP-Nationalrat aus Graubünden. Seine Baselbieter Parteikollegin Elisabeth Schneider tönt ähnlich. Die Schweiz habe einen Expo-Effekt nötig, weil das «Erfolgsmodell Schweiz» immer mehr unter Druck gerate.

Auf der anderen Seite, der Seite der Olympa-Gegner, ist wenig von der Zusammenhalts-Begeisterung zu spüren. Allenfalls einen kurzen Olympia-Effekt kann sich SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer vorstellen. «Wichtiger wären gute Leistungen der Ski-Nati», schreibt sie etwas spöttisch und dann, wieder ernst: «Mehr Verteilungsgerechtigkeit bringt das Land zusammen.» SP-Nationalrat Beat Jans, der sich noch nicht abschliessend entschieden hat, ob er die Kandidatur unterstützt, schreibt: «Ob die Expo den Zusammenhalt der Nation förderte, ist schon fraglich. Und bei einer Exklusivveranstaltung wie Olympia ist das noch viel fraglicher.» Er weist ausserdem, wie viele der Angeschriebenen, auf den regionalen Charakter der Spiele hin. «Nur wenige Nichtbündner würden überhaupt partizipieren können.»

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