Zehn Minister in der Türkei abgesetzt

Wegen des Korruptionsskandals tauscht Ministerpräsident Erdogan die halbe Regierung aus. Aber ob der Befreiungsschlag gelingt, ist ungewiss. Denn jetzt kommen auch Vorwürfe aus den eigenen Reihen.

Der türkische Premierminister Tayyip Erdogan verkündet vor den Medien, dass er zehn seiner Minister ersetzt hat. (Bild: UMIT BEKTAS)

Wegen des Korruptionsskandals tauscht Ministerpräsident Erdogan die halbe Regierung aus. Aber ob der Befreiungsschlag gelingt, ist ungewiss. Denn jetzt kommen auch Vorwürfe aus den eigenen Reihen.

Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan hat mit einer Regierungsumbildung auf die Korruptionsvorwürfe gegen mehrere seiner Minister reagiert. Der Premier tritt damit die Flucht nach vorn an. Aber ob der Befreiungsschlag gelingt, ist ungewiss. Denn jetzt kommen auch Vorwürfe aus den eigenen Reihen.

Zehn der 26 Posten im Kabinett werden neu besetzt. Vier Minister, gegen die wegen Korruptionsverdachts ermittelt wird, und weitere sechs Ressortchefs müssen gehen. Zu den Abgelösten gehört auch Europaminister Egemen Bagis, dessen Name in den Medien im Zusammenhang mit Schmiergeldzahlungen genannt wurde.

Freunde Erdogans als neue Minister

Die neu berufenen Minister gelten überwiegend als loyale, langjährige Freunde des Premiers. Der Erdogan-Vertraute Bekir Bozdag wird neuer Justizminister, seinen engen Mitarbeiter Efkan Ala, bisher Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten, ernannte Erdogan zum neuen Innenminister.

Vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen bekommen diese beiden Ressorts besondere Bedeutung. Erdogan hatte in den vergangenen Tagen auf die Korruptionsvorwürfe, die er als «Komplott» gegen seine Regierung bezeichnete, mit umfangreichen Säuberungen im Polizeiapparat geantwortet. Über 500 Beamte, die an den Ermittlungen beteiligt waren, seien bereits abgesetzt worden, berichtete die Zeitung «Zaman».

Erdogan versuchte die Kabinettsumbildung als normalen Vorgang hinzustellen: «Einige meiner Freunde haben wegen der jüngsten Entwicklungen um ihre Entbindung gebeten, andere verlassen das Kabinett, um als Kandidaten bei der bevorstehenden Kommunalwahl anzutreten», sagte Erdogan am Mittwochabend. Zuvor hatten Innenminister Muammer Güler und Wirtschaftsminister Zafer Caglayan ihren Rücktritt eingereicht.

Angeschuldigte sprechen von «Verschwörung»

Ihre Söhne sollen Schmiergelder von Geschäftsleuten angenommen haben und sitzen deshalb seit dem vergangenen Wochenende in Untersuchungshaft. Die Minister wiesen die Vorwürfe zurück. Güler sprach von einer «dunklen Verschwörung», Caglayan von einem «schmutzigen Spiel».

Als dritter hatte am Mittwoch Umwelt- und Bauminister Bayraktar seinen Dienst quittiert. Er nehme aber keineswegs freiwillig seinen Hut, unterstrich Bayraktar im Fernsehen. Vielmehr hätten ihm Abgesandte Erdogans ein bereits fertig formuliertes Rücktrittsschreiben zur Unterschrift vorgelegt. Gegen Bayraktar wird wegen mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Baugenehmigungen ermittelt.

Der Minister forderte Erdogan auf, ebenfalls zurückzutreten, «zum Wohl der Nation», wie er sagte. Der Premier habe die umstrittenen Bauprojekte selbst genehmigt, so der zurückgetretene Minister. Diese Anschuldigung hat besonderes Gewicht, denn Bayraktar ist ein alter Weggefährte Erdogans aus dessen Zeit als Istanbuler Bürgermeister Mitte der 1990er Jahre.

Populärer Prediger mit grossem Einfluss

Erdogan bleibt dabei, dass es sich bei den Korruptionsvorwürfen um eine gegen seine Regierung und ihn persönlich gerichtete «Verschwörung» handelt, deren Hintermänner im Ausland säßen – ein Fingerzeig auf den islamischen Prediger Fetullah Gülen, einst mit Erdogan verbündet, jetzt mit ihm verfeindet.

Gülen steuert aus seinem selbst gewählten Exil in den USA ein internationales Netzwerk von Bildungseinrichtungen, Wohltätigkeitsorganisationen und Medienunternehmen. Der Kleriker hat in der Türkei Millionen Anhänger, ihm wird beträchtlicher Einfluss auf Polizei und Justiz nachgesagt. Erdogan sieht in ihm die treibende Kraft hinter den Korruptionsermittlungen. Gülen bestreitet das.

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