Die SBB wollen im Laufental für mehr Tempo beim Ein- und Aussteigen sorgen. Lokführer fordern den Abbruch des Versuchs aus Sicherheitsgründen. Doch der eigentlichen Quantensprung beim Ein- und Aussteigen ist schon längst passiert.
Künftig müssten Durchsagen im Zug eigentlich so tönen: «Das Zugteam bittet alle Reisenden rasch auszusteigen.» Denn genau darum geht es im Pilotversuch der SBB im Laufental: Zugreisende sollen rascher aus- und einsteigen, damit der Fahrplan stabiler wird.
Sollen Bahnreisende schneller ein- und aussteigen? In der Wochendebatte diskutiert SBB-Mediensprecher Reto Schärli mit Gerhard Tubandt, Mediensprecher des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS). Diskutieren Sie mit und stimmen Sie ab.
Inspiriert wurde die SBB-Spitze auf einer Japanreise. Dort hätten die Kadermitglieder gesehen, «wie schön die Kunden vor den Türen anstehen. Diese Ideen hat unser Kader mit nach Hause genommen», sagt SBB-Projektleiterin Simone Schneiter an einer Pressekonferenz in Laufen.
Die Idee dahinter: Zugreisende sollen besser übers Perron verteilt warten, damit das Ein- und Aussteigen zügiger über die Bühne geht, im Fachjargon Fahrgastwechsel genannt. Bahnhöfe im Laufental haben die SBB deshalb ausgewählt, weil hier statt x verschiedene nur zwei Zugmodelle verkehren: der Flirt im Regionalverkehr und Neigezüge im Fernverkehr. Doch der Quantensprung beim Fahrgastwechsel im Zugverkehr ist längst passiert: Moderne S-Bahn-Züge wie der Flirt erhöhen dank vieler, breiter Türen, ebenerdigem Ausstieg und rascher Beschleunigung die Streckenkapazität.
Reisende disziplinieren
Dies bestätigt Jörg Jermann, Leiter des Geschäftsbereichs Mobilität beim Baselbieter Tiefbauamt. Trotzdem ist er überzeugt, dass die Haltezeit der Züge am Bahnhof noch optimiert werden könnte: «Meist stehen Reisende an einer einzigen Zugtüre noch Schlange, wenn alle anderen längst eingestiegen sind.» Falls die Bahn tatsächlich eine hohe Disziplin hinbekäme, gäbe dies auf ausgelasteten Strecken im besten Fall Platz für einen zusätzlichen Zug pro Stunde.
Daran glauben die Lokführer nicht. Im Gegenteil, sie befürchten mehr Verspätungen und einen instabileren Fahrplan. Denn mussten sie bis anhin an einer von vier Haltetafeln stoppen, müssten sie neu für jeden Bahnhof exakt berechnen, wo genau sie anhalten müssten. «Wir sind zuallererst für die Sicherheit verantwortlich. Das Pilotprojekt aber lenkt unsere Aufmerksamkeit genau davon weg», kritisiert Hubert Giger, Präsident des Verbands Schweizer Lokomotivführer VSLF.
«Die SBB machen den Lokführern das Leben noch schwerer», sagt Peter Moor, Pressesprecher Eisenbahn-personalverband SEV
Auch Peter Moor, Pressesprecher des Schweizerischen Eisenbahnpersonalverbandes SEV, kritisiert: «Nach dem tödlichen Unglück in Granges sprachen alle über die starke Belastung der Lokführer, und jetzt machen ihnen die SBB mit dem neuen Pilotprojekt das Leben noch schwerer.» Der Lokführerverband VSLF fordert nun von den SBB den sofortigen Abbruch des Versuchs im Interesse der Sicherheit.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 09.08.13