Zuerst das Chaos, dann die Versöhnung

Viele Vorwürfe und neue Personalvorschläge, eine chaotische Wahl und ein neuer Vizepräsident, der unmittelbar nach der Wahl gleich wieder zurücktritt: Die Generalversammlung der Baselbieter SVP war mindestens so unterhaltsam wie Fussball und Eishockey zusammen. Und das an einem grossen Sporttag wie dem gestrigen Dienstag.

Ein erster Teilsieg für den neuen SVP-Präsidenten Oskar Kämpfer. (Bild: Jan Krattiger)

Viele Vorwürfe und neue Personalvorschläge, eine chaotische Wahl und ein neuer Vizepräsident, der unmittelbar nach der Wahl gleich wieder zurücktritt: Die Generalversammlung der Baselbieter SVP war mindestens so unterhaltsam wie Fussball und Eishockey zusammen. Und das an einem grossen Sporttag wie dem gestrigen Dienstag.

Der neue Baselbieter SVP-Präsident Oskar Kämpfer ist angetreten, um seine Partei wieder offener zu machen, mehr Meinungen zuzulassen und so die Zusammenarbeit mit anderen Parteien zu erleichtern. Ohne den Zusammenhalt in der eigenen Partei zu stören, wird dieses Ziel allerdings nur schwierig zu erreichen sein – vor allem wenn man den Überblick verliert. Das musste Kämpfer bereits an seiner ersten Generalversammlung als angehender Parteipräsident erkennen. Die Versammlung vom Dienstagabend in Birsfelden geriet jedenfalls teilweise zum Chaos.

Einigermassen harmonisch war für lange Zeit höchstens das Baselbieter Lied, das die SVP-Mannen und -Frauen zu Beginn der Veranstaltung intonierten. Danach wurde es sehr bald kontrovers. Und immer wieder auch unübersichtlich.

Wenigstens die Fronten blieben einigermassen erkennbar. Es waren im Wesentlichen die gleichen wie an der letzten Parteiversammlung vom 22. März in Muttenz, an der Kämpfer gegen erheblichen Widerstand zum Präsidenten gewählt worden war. Unter anderem sprach sich auch der frühere Parteichef Dieter Spiess gegen ihn aus. Vordergründig, weil Kämpfer das höchste Parteiamt aus beruflichen Gründen erst anfangs 2013 richtig ausüben kann. Tiefergründig geht es aber auch um persönliche Animositäten, um regionale Differenzen (Oberbaselbiet gegen Unterbaselbiet) und Stilfragen. Der Gelterkinder Gewerbler Spiess gibt sich gerne hemdsärmlig, während der Therwiler Unternehmer Kämpfer so nett und umgänglich auftritt, dass er selbst als BDP-Politiker noch durchginge.

Dabei ist Kämpfer aber auch einer, der weiss, was er will: einen Vorstand, mit dem er gut zusammenarbeiten kann, ein «Team», wie er sagt. Dazu gehörten seiner Ansicht nach eigentlich Landrat Hans-Jürgen Ringgenberg (ebenfalls Therwil), Jacqueline Wunderer (SVP Frauen, Röschenz), alt Nationalrat Christian Miesch, Danica Rohrbach, Nadine Plattner (beide Junge SVP), Markus Meier (Vizedirektor Wirtschaftskammer), alt Landratspräsident Hanspeter Ryser und Landrat Hanspeter Weibel. Sie alle schlug Kämpfer als Vorstandsmitglieder vor, Ringgenberg und Wunderer als Vizepräsidenten. Dagegen regte sich am Dienstagabend aber aus verschiedenen Gründen Widerstand.

Die Einwände im Einzelnen

Erstens wurde bestritten, dass die Einladungen zur Wahl rechtzeitig verschickt worden waren.

Zweitens wurde kritisiert, dass Kämpfer die neuen Mitglieder alle zusammen wählen lassen wollte. «Wenn ich bei einem solchen System Meier nicht wählen möchte, Müller aber schon, muss ich dem Meier dann doch meine Stimme geben. Das ist undemokratisch», monierte ein Votant.

Drittens wurde das Fehlen eines Oberbaselbieter Vertreters bedauert und Thomas Weber als Gegenkandidat von Ringgenberg und damit als Lösung des Problems propagiert.

Viertens und letztens wurden der Binninger Urs-Peter Moos, der sich seinerseits für Weber stark machte, als zusätzlicher Kandidat für den Vorstand vorgeschlagen und die Reinacherin Caroline Mall als zusätzliche Kandidatin.

Kämpfer setzt sich durch

Es waren Einwände und Anträge, die auf teils heftigen Widerspruch stiessen. Wer behaupte, die Einladung sei zu kurzfristig verschickt worden und würde darum von den Parteimitgliedern inhaltlich nicht verstanden, stelle die SVP-ler als Trottel hin, ärgerte sich ein Betroffener. «Danke für das Vertrauen», sagte er spöttisch.

Nach längeren Diskussionen wurden die Anträge abgelehnt – ebenso wie die neue Kandidaturen. Unübersichtlich war dabei bereits die Wahl der gewöhnlichen Vorstandsmitglieder. Chaotisch wurde es spätestens bei der Wahl der Vizepräsidenten: Kämpfer stellte Weber allein seinem Doppelvorschlag Ringgenberg/Wunderer gegenüber – ein ziemlich unkonventioneller Wahlmodus, den viele SVP-ler offensichtlich nicht ganz verstanden. Einige stimmten doppelt, andere schüttelten nur den Kopf, anstatt für den einen oder die anderen die Hand hochzuhalten und so unterlag Weber schliesslich mit 61:72 Stimmen. So etwas hatte wahrscheinlich nicht einmal Christian Miesch erlebt, der als Wahlbeobachter der OSZE schon in den entlegensten Gebieten der Welt war.

Der Rückzieher

Nach weiteren Diskussionen während der Pause hatte dann aber plötzlich Ringgenberg gar keine Lust mehr, Vizepräsident der Baselbieter SVP zu werden. Dem Frieden zu Liebe verzichte er zu Gunsten von Thomas Weber. «Ich habe offenbar unterschätzt, dass es zwischen dem Unterbaselbiet und dem Oberbaselbiet noch immer solche Differenzen gibt. Sie dürfen unsere Partei nicht belasten», sagte er. Es folgte: grosser Applaus, zuerst für ihn, dann für Weber, der sich bereit erklärte, das Amt anzunehmen, obwohl er bis vor wenigen Stunden eigentlich noch ganz andere beruflichen und persönliche Pläne hatte, wie er selbst sagte. Schliesslich erklärte sich auch noch Kämpfer zufrieden mit der neuen Lösung.

So hatten sich zum Schluss der Veranstaltung doch plötzlich wieder alle gerne. Zumindest jene, die nicht schon in der Pause gingen wie Spiess und einige seine Tischnachbarn.

 

Die Parteiversammlung verabschiedete nach den umstrittenen Wahlen und der Pause zudem folgende Parolen zu den nationalen und kantonalen Abstimmungen vom 17. Juni:
– Nein zur Managed Care Vorlage- Ja zur Volksinitiative „Eigene vier Wände dank Bausparen“
– Ja zur Volksintiative „Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik (Staatsverträge vors Volk)“
– Ja zum Gesetz vom 22. März 2012 über die Entlastung des Finanzhaushalts bis 2014 (Entlastungsrahmengesetz)
– Ja zur Änderung der Kantonsverfassung vom 22. März 2012 über die Organisation der Gerichte (Gerichtsorganisation)
– Ja zur Änderung der Kantonsverfassung vom 22. März 2012 über den Verzicht des Amtsnotariats
– Ja zum Gesetz vom 22. März 2012 über den Verzicht auf die Führung des Amtsnotariats und über die Reorganisation der Behörden im Zivilrecht.

 

 

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