Ein Fünftel des neuen saudischen Shoura-Rates sind Frauen. Demokratie-Aktivisten drängen aber weiter darauf, dass das beratende Gremium zu einem vollen Parlament aufgewertet wird und die Mitglieder gewählt werden.
Ein Frauenthema als Hauptschlagzeile in den pan-arabischen Tageszeitungen, das hat Seltenheitswert. Gleich ein halbes Dutzend Artikel war das Dekret von König Abdallah den Machern von al-Sharq al-Awsat in ihrem Blatt vom Samstag wert. 30 Frauen hatten in den letzten Tagen einen Anruf vom königlichen Hof erhalten. Der greise Monarch hatte in einem historischen Entscheid ein Fünftel der Sitze im 120-köpfigen Shoura-Rat mit Frauen besetzt. Im September 2011 hatte er angekündigt, dass er für die nächste Amtszeit Frauen berücksichtigen werde. Damals erlaubte er Frauen auch bei den nächsten Lokalwahlen 2015 zu stimmen und als Kandidatinnen anzutreten. Überrascht hat die hohe Zahl. Die Betroffenen hatten nur mit 10 Prozent gerechnet.
Segregation bleibt
In dem am Freitag veröffentlichten Dekret wird festgehalten, dass die Frauen in der Shoura die gleichen Rechte haben wie die Männer, aber die Segregation bleibt. Im Sitzungssaal sind Frauen und Männer räumlich getrennt, wie das im konservativen Königreich etwa auch bei Konferenzen Sitte ist. Die Frauen erhalten ihren eigenen Zugang und ihre eigene Infrastruktur und sie werden per Dekret ermahnt, die Kleidervorschriften mit Kopftuch und bodenlanger schwarzer Abbayya zu befolgen. Neue Techniken wie Übertragungen auf Grossleinwänden sorgen für die notwendige Kommunikation.
Die Ernennung sei für sie eine Ehre, äusserte sich gegenüber al-Sharq al-Awsat Thuraya Obeid, die mehrere Jahre das UN-Entwicklungsprogramm geleitet hatte. Die Ernannten sich die Creme de la creme der saudischen Frauen-Elite; Ärztinnen, Professorinnen, Intellektuelle und auch zwei Prinzessinnen. Sie hoffen, dass ihnen die neue Funktion tatsächlich mehr Einfluss gibt, um andere Benachteiligungen der saudischen Frauen zu beseitigen. Dazu gehört nicht nur das Auto-Fahrverbot, sondern viele Entscheide im Alltag, die nur mit der Zustimmung des männlichen Vormundes, des Mahram, gefällt werden können wie etwa Reisen ins Ausland, die Wahl der Schule der Kinder oder die Eröffnung eines Geschäftes.
Wendepunkt für Autofahrverbot?
Einigen Aktivisten geht das Dekret des Königs nicht weit genug. Sie fordern, dass der Shoura-Rat vom Volk gewählt und zu einem echten Parlament aufgewertet wird. Im Moment hat das Gremium in der absoluten Monarchie nur eine beratende Funktion und kann Gesetze vorschlagen. Der König verfolgt eine schrittweise Öffnung und muss vor allem bei Reformen, die Frauen betreffen mit heftigem Widerstand aus erzkonservativen Kleriker-Kreisen rechnen. Einflussreiche Scheichs haben sich bereits beschwert, sie seien nicht konsultiert worden.
Die sozialen Einschränkungen, unter denen insbesondere die saudischen Frauen zu leiden haben, sind eine Mischung aus einer rigorosen Auslegung der islamischen Sharia und kultureller Tradition. Das gilt auch für das Autofahrverbot, für das es keine religiöse Rechtfertigung gibt. Die saudischen Aktivistinnnen der Internet-Kampagne «women to drive», von denen sich einige regelmässig ans Steuer setzen und Gefängnis riskieren, hoffen dass mit dem Einzug von Frauen in den Shoura-Rat der Wendepunkt in dieser Frage erreicht ist und ihnen endlich ein Durchbruch gelingen könnte.