Zusammen oder getrennt: Der Krampf mit den Spitälern

Spitäler in der Stadt und auf dem Land konkurrieren in vielen Bereichen miteinander – und das führt zu hohen Kosten. Im Gesundheitswesen zeigt sich der Preis für das Festhalten an zwei Halbkantonen.

Gemeinsame Spital-Projekte in beiden Basel hatten es in der Vergangenheit schwer. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Spitäler in Stadt und Land arbeiten in manchen Bereichen zusammen. In anderen aber konkurrenzieren sie sich – und das treibt die Gesundheitskosten in die Höhe. Solange jeder Kanton nur für sich schaut, wird sich daran auch nichts ändern.

Es ist wie eine Zweckehe, ohne wahre Gefühle. Das Universitätsspital Basel und das Spital Baselland unterzeichneten vor einem Jahr einen Ehevertrag. Von «strategischer Partnerschaft» war die Rede. Dabei befindet man sich in vielen Bereichen in einer Konkurrenzsituation. Der Vertrag zeigt, wie verknorzt die Spitalsituation zwischen den Halbkantonen ist.

In dem Rahmenvertrag von Uni-Spital und Kantonsspital Baselland steht, man wolle in «ausgewählten medizinischen Fachgebieten» zusammenarbeiten. Welche Fachgebiete das sind, bleibt unklar. Martin Jordan, Mediensprecher des Uni-Spitals, will dazu nichts sagen. Die Kooperationsbereiche werden aufgrund der Wettbewerbssituation unter Verschluss gehalten.

In Liestal gibt man sich ebenfalls geheimniskrämerisch: Es gebe «zwischen den beiden Institutionen in unterschiedlichsten Gebieten Kooperationen und entsprechende Vereinbarungen», sagt die Mediensprecherin des Kantonsspitals Baselland, Christine Frey. In einzelnen Gebieten bestehe eine «Wettbewerbssituation», muss Frey anerkennen.

Prinzip Selbstversorgung

Ein Blick in die Angebote der Spitäler zeigt: Es gibt einige Fachgebiete, die von beiden Spitälern abgedeckt werden: Augenkliniken, Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten und Frauenkliniken. Auch in der Chirurgie gibt es Überschneidungen. Die Neuro- und Herzchirurgie hingegen sind baselstädtische Domänen.

Während es in manchen Gesundheitsbereichen unumstritten ist, dass es viele Standorte braucht – zum Beispiel für Physiotherapie –, gibt es hoch spezialisierte Bereiche, die nicht in jeder Kleinstadt unterhalten werden müssen – zum Beispiel Herzzentren.

Solange solche spezialisierten Behandlungszentren aufrechterhalten werden, hat der Patient die Qual der Wahl. Die Schliessung eines solchen Angebots ist für Politiker dementsprechend schwierig, obwohl es aus gesundheitsökonomischer Sicht vielleicht sinnvoll wäre.

2013 bezahlte Baselland 109 Millionen Franken an den Bereich Akutsomatik der Basler Spitäler – weil viele Baselbieter Patienten in die Stadt zur Behandlung gehen.

Die Situation in Baselland sei verfahren, meinen Vertreter aus der Stadt. Der Basler SP-Grossrat Daniel Goepfert sagt: «Die Baselbieter Spitalplanung läuft immer noch nach dem Prinzip der Selbstversorgung. Früher war das sicher richtig, aber mittlerweile ist das völlig überholt.»

Der Branchenvertreter Hans Zeltner, Geschäftsführer der Vereinigung Nordwestschweizer Spitäler (VNS), hält dagegen: «Zwischen Baselbieter und städtischen Spitälern gibt es bereits grosse Kooperationen.» Sie seien verschiedenen Fachbereichen zugeordnet, arbeiteten also effizient: «Hier Rücken-OPs, dort Herz-Eingriffe.»

Im vergangenen Jahr bezahlte der Kanton Baselland 109 Millionen Franken an den Bereich Akutsomatik der Basler Spitäler – einiges mehr als budgetiert wurde. Demgegenüber wurden 110 Millionen Franken an die Akutsomatik des Kantonsspital Baselland bezahlt. Die Zahlen legen nahe, dass viele Baselbieter Patienten in die Stadt zur Behandlung gehen.

Gemeinsame Planung nur mit Fusion

Seit der Einführung der Patientenfreizügigkeit steigt die Zahl der Baselbieter, die sich in der Stadt behandeln lassen. Für die Ausgaben des Kantons macht dies kaum einen Unterschied – er bezahlt für alle Einwohner 55 Prozent der Behandlungskosten – unabhängig davon, wo die Behandlung stattfindet. Der Kanton hat jedoch ein Interesse daran, dass die eigene Bevölkerung auch die kantonseigene Infrastruktur nutzt.

Die Patientenströme und Transfergelder gehen bereits jetzt über die Kantonsgrenzen hinaus. Eine gemeinsame Planung wäre deswegen unausweichlich. Silvia Schenker, Basler SP-Nationalrätin, meint aber: «Eine verbindliche, gemeinsame Spitalplanung wird nicht möglich sein, solange es zwei Kantone gibt.» Für sie ist die Spital-Landschaft «ein Abbild der beiden Kantone». Nämlich: «Nur bedingt koordiniert» und geprägt von «Konkurrenzgedanken».

Auch Martin Jordan vom Uni-Spital Basel sieht «Bereiche, die verbessert werden könnten». Zum Beispiel müsste man «besser überlegen, wie die Spitäler in der Region organisiert werden».

Was heisst das konkret? Man könnte Kosten sparen, indem teure Geräte besser ausgelastet werden, die Bettenbelegung verbessert wird. Die Konkurrenzsituation sei in gewissen Bereichen «kostentreibend», räumt Jordan ein.

Eine Kaskade gescheiterter Kooperationsbemühungen

Von Seiten des Kantonsspitals Baselland will man zur Fusion keine Stellung nehmen. Man habe «keine Rolle in der politischen Meinungsbildung», richtet Christine Frey aus.

Ein Blick in die Geschichte zeigt, wie schwer sich die Halbkantone bisher mit gemeinsamen Spitalprojekten taten. 1986 liessen beide Regierungen die Idee eines gemeinsamen Kinderspitals prüfen. Dann scheiterte das Projekt an der Urne.

Die Spitalplanung ist bis zu den Wahlen 2015 auf Eis gelegt – mit Infrastruktur-Projekten lassen sich keine Wahlen gewinnen.

Erst 1999 fanden die Regierungsräte Erich Straumann (SVP Baselland) und Carlo Conti (CVP Basel-Stadt) einen Kompromiss: Das Kinderspital sollte gemeinsam geführt werden, vorerst an den Standorten Liestal und Basel. Kurz darauf sah man ein, dass die zwei Standorte ineffizient waren – seit 2000 wird das Kinderspital nur noch an einem Standort in Basel weitergeführt.

Unter dem Baselbieter Regierungsrat Peter Zwick (CVP) entwickelte sich die Spitalplanung wieder vermehrt in Richtung Selbstversorgung. 2012 scheiterte das Projekt einer gemeinsamen Geriatrie-Klinik, wofür sich selbst bürgerliche Politiker von FDP bis SVP stark machten. Der Kanton Baselland wollte die hohe Rechnung nicht bezahlen.

Grösste Baustelle der Kantone: Spitalplanung

Die Planung und Koordination von bikantonalen Projekten hängen «immer stark von den zuständigen Regierungsräten ab», sagt Silvia Schenker. Unter dem Baselbieter Straumann lief einiges, Zwick versäumte einige Chance für die Zusammenarbeit.

Aus Regierungskreisen heisst es, die Spitalplanung sei bis zu den Wahlen 2015 auf Eis gelegt – mit Infrastruktur-Projekten lassen sich keine Wahlen gewinnen. Erst danach könnte sich etwas tun.

Die Fusionsinitiative könnte die Debatte grundsätzlich verändern. «Vielleicht würde durch ein Ja zur Prüfung auch ein Anstoss für eine weitergehende Koordination gegeben», denkt David Wüest-Rudin von der Grünliberalen Partei. In seinen Augen könnte es «einen Schritt in Richtung Koordination des Leistungsangebots» bedeuten.

Und der Initiator der Fusionsinitiative, Klaus Kirchmayr (Grüne), sieht in der fehlgeleiteten Spitalplanung eine der grössten Baustellen der bikantonalen Zusammenarbeit. Die Gesundheitskosten seien in der Region Basel viel höher als in anderen Kantonen. Es fände schlichtweg «keine Strukturbereinigung» statt.

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