Zwangsheiraten sollen neu mit Gefängnis­strafen geahndet werden

Eigentlich gibt es heute schon gesetzliche Vorschriften, die Zwangsheiraten verhindern sollten. Aber offensichtlich sind sie zu wenig wirksam, denn jedes Jahr, besonders in der Sommerferienzeit, werden junge Menschen gegen ihren Willen von ihren Familien verheiratet.

Indien ist eines der Länder, in denen Zwangsheiraten an der Tagesordnung sind. (Bild: Divyakant Solanki )

Eigentlich gibt es heute schon gesetzliche Vorschriften, die Zwangsheiraten verhindern sollten. Aber offensichtlich sind sie zu wenig wirksam, denn jedes Jahr, besonders in der Sommerferienzeit, werden junge Menschen gegen ihren Willen von ihren Familien verheiratet.

Genaue Zahlen gibt es nicht, eine vom Bundesrat zitierte Studie aus dem Jahr 2007 kommt auf 17 000 Zwangsverheiratete in der Schweiz. Eine Zahl, die bei Men­schen­rechts­organisationen jedoch umstritten ist. Zum einen, weil sie auf Hochrechnungen aus Befragungen bei Anlaufstellen in sechs Kantonen basiert, zum anderen, weil Fachleute Zwangsheirat unterschiedlich definieren. Deshalb wünschen sich die Organisationen weitere, repräsentativere Studien statt Befragungen bei Beratungsstellen und sprechen solange lieber von einer Dunkelziffer.

Gemäss neuem Vorschlag des Bundesrates soll nun die Zwangsheirat als Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden, um Zwangsheirat wirksamer bekämpfen zu können. Demzufolge muss künftig mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren rechnen, wer jemanden mit Gewalt und Drohung zwingt, eine Ehe einzugehen. ­Zudem würden Zivilstandsbeamte und Migrationsbehörden bei Verdacht auf eine erzwungene Heirat verpflichtet, Strafanzeige einzureichen. Verschiedene Anpassungen sind auch im Zivil- und Ausländerrecht vorgesehen.

SVP will schärferes Gesetz

Die staatspolitischen Kommissionen beider Räte haben das Massnahmenpaket des Bundesrats gutgeheissen. ­Zu Diskussionen kam es vergangenen Herbst im Nationalrat. Vor allem die Vertreter der SVP bezweifelten die Wirkung der vorgesehenen Verschärfungen und prognostizierten wegen der schwie­rigen Beweisbarkeit eine verteuerte ­Bürokratie. Sie ­bemängelten zudem, dass die sogenannte Stell­vertreterehe weiterhin möglich sei. Als solche gilt, wenn eine in der Schweiz wohnhafte Person schriftlich ­einer Heirat im Ausland zustimmt und sich von einem dort ­lebenden Verwandten vertreten lässt. Die Vorlage wurde mit 128 zu 51 Stimmen angenommen. Während der Sommersession, programmgemäss am 5. Juni, befasst sich nun der Ständerat damit; er dürfte ebenfalls zustimmen.

Noch nicht zufrieden sind Organsationen wie terre des femmes und zwangsheirat.ch. Sie hätten es begrüsst, wenn im Paket auch Massnahmen für Prävention und mehr Opferschutz enthalten wären – etwa das Rückkehrrecht für diejenigen, die bei einem Auf­enthalt in ihrem Ursprungsland zwangsverheiratet ­werden, was häufig während der Sommerferien vorkommt.

Quellen

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 01.06.12

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