1:1 in Bern – der FC Basel kann von Glück sagen

Nach 424 Minuten ohne Treffer in Super und Champions League trifft der FC Basel wieder ins Tor. Dank Marco Strellers Kopfball nimmt der FCB beim 1:1 (0:0) einen Punkt bei den Young Boys mit, die durch einen Prachtschuss von Gonzalo Zarate in Führung gegangen waren.

Marco Streller weiss, bei wem er sich zu bedanken hat – bei Markus Steinhöfer, dem Flankengeber zum 1:1. (Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)

Nach 424 Minuten ohne Treffer in Super und Champions League trifft der FC Basel wieder ins Tor. Dank Marco Strellers Kopfball nimmt der FCB beim 1:1 (0:0) einen Punkt bei den Young Boys mit, die durch einen Prachtschuss von Gonzalo Zarate in Führung gegangen waren. Sieben Punkte liegen die Basler nach dem ersten Saisonviertel hinter der Spitze zurück, und das Zwischenzeugnis fällt solala aus.

Nach 83, 84 Minuten erlebten die 22’757 Zuschauer im Stade de Suisse noch einmal einen Energieanfall der Young Boys. Eine halbe Stunde lang waren sie nach ihrem Führungstreffer in der 50. Minuten abgetaucht, dann schoss Raphael Nuzzolo zweimal ganz knapp neben das Tor, und schliesslich sorgte Joo Ho Park beziehungsweise Stephan Studer für den grossen Aufreger. Es war ein eindeutiges Foul, das dem Südkoreaner gegen Matias Vitkieviez im Strafraum unterlief, doch die Pfeife des Schiedsrichters blieb stumm.

Es war eine klare Fehlentscheidung der Nummer 1 unter den Schweizer Unparteiischen, die Fans in Gelbschwarz trauten ihren Augen nicht, und FCB-Trainer kleidete seine Sicht der Dinge ungefragt in verklausulierte Sätze: «Ich hätte mich nicht beklagen können, wenn ein YB-Spieler aus aussichtsreicher Position zum Schuss gekommen wäre – aus elf Metern.» Und weil er das auch schon gesagt hat, wenn sich sein eigenes Team benachteiligt gefühlt hatte, wiederholt es Vogel in Bern noch einmal: «Schiedsrichter sind auch nur Menschen – auch wenn man das manchmal nicht wahrhaben will.»

Schiedsrichter Studer tut es leid

Studer sagte nach Konsultation der Fernsehbilder, die seinen Irrtum eindrücklich vor Augen führten, kleinlaut: «Es tut mir leid für die Fans.»

Das ungeahndete Foul war der Schlusspunkt hinter einen durchaus gehaltvollen Super-League-Match, bei dem beide Mannschaften weiss Gott nicht fehlerfrei spielten, aber für einiges an Unterhaltung sorgten. Mit einem klaren Plus an Chancen für YB und auch an Spielanteilen – abgesehen von besagter Phase in der zweiten Halbzeit. Es war ein glücklicher Punktgewinn für den FCB, der selbst einen Handspenalty gesehen hatte, als Alexander Farnerud in der 68. Minute eine Stocker-Flanke an den Arm bekam, und auch David Degen reklamierte einen Elfmeter für sich.

Von Glück sagen konnte der Meister allerdings ebenfalls, als Marcelo Diaz in der 67. Minute für eine rustikale Grätsche in des Gegners Beine nicht ein zweites Mal Gelb sah und vom Platz musste. Studer, der den erneut enttäuschenden Chilenen zuvor wegen Reklamierens verwarnt hatte, liess Gnade vor Recht gehen, was YB-Trainer Martin Rueda genauso aufwühlte wie der nicht gegebene Penalty: «Ich frage mich, ob der Schiedsrichter nicht den Mut hatte zu pfeifen.»

Endstation Yann Sommer

Beide Mannschaften hatten nur drei Tage zuvor intensive Europacup-Spiele absolviert, aber vorderhand die Gastgeber wollten sich das 3:5 gegen Liverpool nicht anmerken lassen. Nuzzolo traf den Pfosten, da waren noch keine fünf Minuten vorüber. Anschliessend durfte sich so gut wie jeder Berner mal versuchen – und scheiterte im Zweifelsfall an Yann Sommer, der letzten Basler Instanz. Die Basler hätten das Gewicht auf dem Spielfeld gerne anders verteilt, «aber da hat uns YB einen Strich durch die Rechnung gemacht», musste Vogel einräumen.

Die Offensivaktionen des FC Basel blieben überschaubar. Vogel hatte sein Team auf lediglich zwei Positionen umgestellt: Valentin Stocker bekam eine Pause wie auch – etwas überraschend – Cabral. Dafür spielte Fabian Frei im Zentrum neben Marcelo Diaz, was eine offensivere Variante darstellt. Und auf dem rechten Flügel begann an alter Wirkungsstätte David Degen. Dafür wechselte Mohamed Salah die Seite.

Alex Frei und die Ladehemmung

Der Ägypter lancierte bereits in der elften Minute den besten Basler Angriff der ersten Halbzeit mit einem Rush, der die rechte Berner Seite aufriss. Von Streller erhielt er den Ball zurück und bediente Alex Frei perfekt. Doch der Top-Torschütze der Super League der letzten zwei Jahre hat das, was man bei einem Stürmer Ladehemmung nennt – und was Frei mit seiner herausragenden Karrierequote kaum kennt.

Ein gewaltiger Freistossschuss von Diaz aus 35 Metern, den Marco Wölfli mit Mühe in Corner abwehrte (17.), und ein Querpass von Fabian Frei durch den Strafraum, den der grösstenteils blasse Streller verpasste – das war es mit vielversprechenden Basler Szenen.

Deshalb entsprach die Berner Führung in der 50. Minute den Kräfteverhältnissen. Park reagierte zu spät, als sein Gegenspieler Zarate zur Mitte zog. Der Argentinier hatte Platz, um Mass zu nehmen – und traf mit seinem prächtigen Schuss in die hohe Torecke.

«Haut mal ’ne Flanke rein»

Merkwürdigerweise zogen sich die Berner danach zurück. Sie zollten offenbar ihrer Gangart physisch Tribut, vielleicht war auch die Reaktion der Basler auf den Rückstand der Grund. Oder beides. Nach einem Eckball köpfelte Gastón Sauro drüber (74.), und mit der zweiten Chance nach dem Seitenwechsel war es bereits um die Berner Führung geschehen.

David Degen, alles andere als überzeugend, lancierte Markus Steinhöfer, dem für einmal eine vernünftige Flanke glückte – passgenau auf den Kopf von Streller, der sein viertes Tor in der Liga markierte. Heiko Vogel hatte, wie er nach der Partie erzählte, seine Mannschaft aufgefordert: «Haut mal ’ne Flanke rein!»

Damit traf der FCB – die Cuppartie in Amriswil ausgeklammert – nach 424 Minuten wieder einmal das Tor. Das reichte, um ein Remis in Bern zu retten, ein Punkt, den Vogel gerne mitnimmt, weil er die Young Boys für eines der stärksten Teams der Liga hält. Die liegen aber noch einen Platz und einen Zähler schlechter als der FCB, der das erste Saisonquartal als Vierter abschliesst, sieben Längen hinter Leader St. Gallen.

«Ich schaue nur auf meine eigene Mannschaft», sagt Vogel und will dem aktuellen Tabellenbild offensichtlich keine allzu grosse Bedeutung beimessen: «Wir müssen Erwartungen erfüllen, die eher gestiegen sind. Ich bewerte das erste Viertel als okay, was nicht heisst, dass ich zufrieden bin.» Der FCB hat zwar nur einmal verloren, aber auch nur dreimal gewonnen und fünfmal unentschieden gespielt.

Das Zwischenzeugnis: solala

Ein solches Zwischenzeugnis kennen die Basler aus den vergangenen Jahren zur Genüge. Der FCB hinterlässt noch einen zwiespältigen Eindruck, einen über 90 Minuten homogenen Auftritt hat er noch nicht geschafft. Aber der Trainer lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Vogel erinnert unermüdlich daran, dass der Umbau der Mannschaft und der Einbau neuer Spieler nicht mit Wundern über Nacht zu vollbringen ist, sondern mit «Arbeit und Akribie», wie er sagt.

Unter den Umständen will er sich Ergebnis und Auftritt seiner Mannschaft – sowohl in Bern wie auch über die ersten neun Spiele in der Liga gesehen – nicht schlecht machen lassen. «Aber ich bin ehrgeizig und kompetent genug, um zu sehen, dass noch Luft nach oben ist.» Das beurteilen seine Spieler durchaus ähnlich – oder noch selbstkritischer.

Die «Details und Nuancen», die es nach Auffassung des Trainers zu verbessern gilt, will er öffentlich nicht thematisieren: «Das sage ich meiner Mannschaft, das gehört zu unserer Intimsphäre.» Das neue Gesicht des FCB, so Vogel, benötige noch ein paar Schönheitsoperationen. Zeit dafür ist wie immer – wenig bis keine. Am Mittwoch geht es schon ins nächste Quartal, daheim gegen den FC Sion (20.30 Uhr, SF2 live). Die Walliser kommen in den St. -Jakob-Park auch nicht mehr als das grosse Wunderteam, als das es zu Beginn der Saison den Anschein gemacht hatte.

Super League, 9. Runde
BSC Young Boys–FC Basel 1:1 (0:0)
Stade de Suisse. – 22‘757 Zuschauer. – SR Studer.

Tore: 50. Zarate 1:0 (Schuss aus 22 Metern in den Torwinkel), 74. Streller 1:1 (Kopfball aus kurzer Entfernung auf Flanke Steinhöfer).
Verwarnungen: 52. Spycher (Foul), 53. F. Frei (Foul), 61. Diaz (Reklamieren), 85. Stocker (Foul), 87. Cabral (Foul).

YB (4-1-4-1): Wölfli; Sutter (72. Zverotic), Nef, Ojala, Raimondi; Spycher; Zarate (81. Vitkieviez), C. Schneuwly, Farnerud, Nuzzolo; Bobadilla (80. Frey). – Benito (Tor), Gonzalez, Veskovac, Martinez.
FCB (4-4-2): Sommer; Steinhöfer, Sauro, Dragovic, Park; D. Degen (84. Zoua), F. Frei, Diaz (69. Cabral), Salah (59. Stocker); A. Frei, Streller. – Reserve: Vailati (Tor), Voser, P. Degen, Schär.

Bemerkungen: YB ohne Simpson, Doubai, Bürki (verletzt), Costanzo, Lecjaks (nicht im Aufgebot), FCB ohne Yapi, Vuleta (verletzt), Kovac (nicht im Aufgebiot). – Im Stade de Suisse hat der FCB zuletzt am 29. November  2009 verloren (0:2) und seither viermal unentschieden gespielt und einmal gewonnen. – Im Vorverkauf sind  20’600 Tickets (davon 13’900 Jahreskarten) in Bern abgesetzt worden. – 5. Pfostenschuss Nuzzolo.

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