2:2 bei den Spurs – der Halbfinal ist in Griffweite

Grosses Europacup-Kino an der White Hart Lane: Mit einer fabelhaften Leistung und dem 2:2 gegen Tottenham Hotspur hat der FC Basel eine vielversprechende Ausgangslage für das Viertelfinal-Rückspiel in einer Woche geschaffen. Valentin Stocker und Fabian Frei trafen zum zwischenzeitlichen 0:2.

Basel's Valentin Stocker, center, scores against Tottenham Hotspur during their Europa League quarterfinal first leg soccer match at White Hart Lane, London, Thursday, April 4, 2013. (AP Photo/Matt Dunham) (Bild: AP Photo/Matt Dunham)

Grosses Europacup-Kino an der White Hart Lane: Mit einer fabelhaften Leistung und dem 2:2 gegen Tottenham Hotspur hat der FC Basel eine vielversprechende Ausgangslage für das Viertelfinal-Rückspiel in einer Woche geschaffen. Valentin Stocker und Fabian Frei trafen zum zwischenzeitlichen 0:2.

Ganz zum Schluss nahm Murat Yakin dann noch ein schwärmerisches Wort in den Mund: grossartig. «Es war eine grossartige Leistung», sagte der FCB-Trainer, und dieses Attribut war in keinster Weise übertrieben. Dass eine Schweizer Mannschaft den Dritten der Premier League in dessen eigenen Stadion in die Enge treibt, dass sie ihn am Ende spielerisch kontrolliert und ihm physisch überlegen ist – wann hat es das schon einmal gegeben?

Es war eine der eindrücklichsten Vorstellungen, die dem FCB weit weg vom Rheinknie in einem international Spiel gelungen ist. Und das gegen einen Gegner, der hoch gehandelt wird auf der Insel, bei dem mehr von der Champions-League-Teilnahme nächste Saison die Rede ist als von der Gelegenheit, die sich ihm in der Europa League bietet.

Und das hat der FCB mit einem – einmal mehr auf dieser Europareise – verblüffend entschlossenen, reifen Spiel beantwortet. An dessen Ende der Trainer bedauern durfte, dass es seinem Team nicht zu einem Sieg gereicht hat. Denn der FCB kommt mit einem ausgezeichneten, aber nicht perfekten Ergebnis nach Hause.

Die Signalwirkung für den FC Basel

Es gab zwei Phasen in diesem ersten Viertelfinal, die Signalwirkung hatten für den FC Basel. Es waren noch keine neun Minuten gespielt, beide Mannschaft beschnupperten sich noch gegenseitig, als der Schweizer Meister dem Premier-League-Dritten zum ersten Mal auf den Zahn fühlte. Innerhalb von 60 Sekunden kreierte er drei Chancen, die die Stimmung in der dichten Atmosphäre der White Hart Lane merklich herunterdimmte.

Ein Innenverteidiger, Fabian Schär, hatte aus dem Spiel heraus – was bemerkenswert genug ist – die erste Möglichkeit und scheiterte nach Doppelpass mit Marco Streller an Brad Friedel. Dann lancierte Mohamed Elneny, der anstelle von Cabral begonnen hatte, Streller, der ebenfalls am Torwart-Oldie der Spurs scheiterte. Und Tottenham hatte noch nicht wieder Luft geholt, als der aufgerückte Markus Steinhöfer einen Volley knapp übers Tor schmetterte. Murat Yakins Elf spürte da: Es geht etwas.

FCB demonstriert Qualität eines grossen Teams

Die zweite signifikante Phase war jene nach dem Ausgleich der Nordlondoner. Es war nicht die Mannschaft, die den Vorsprung aus der Hand gegeben hatte, die einknickte. Und es war nicht die Mannschaft, die den Gleichstand erzwungen hatte, der vor eigenem Publikum Flügel wuchsen.

Ganz im Gegenteil: Während der FCB den Ball monopolisierte, sich weitere hochkarätige Chancen herausspielte, von denen Salahs Solo und ein Schuss übers Tor nur zwei Minuten nach dem 2:2 die beste war. Dazu kam ein Freistoss Stockers, der knapp am Pfosten vorbeistrich, und Jacques Zouas missglückter Abschluss in der 77. Minute. Und damit sind längst nicht alle Möglichkeiten aufgezählt.

Villas-Boas’ Kompliment

In dieser letzten halben Stunde demonstrierte Basel Qualitäten eines grossen Teams. Eines Teams, das notabene auf drei gesperrte Stammkräfte verzichten musste. Nicht von ungefähr sprach Andre Villas-Boas von «einer der besten Mannschaften, die ich hier an der White Hart Lane habe spielen sehen. Gut organisiert, guten Fussball spielend – ich möchte dem FC Basel mein Kompliment aussprechen. Basel hatte die besseren Momente, Basel hatte die besseren Chancen und war die bessere Mannschaft.»

«Eine der besten Mannschaften, die ich hier an der White Hart Lane habe spielen sehen.»


Andre Villas-Boas, Trainer der Spurs

Zwischen diesen beiden Phasen, die spannend genug waren, lagen vier aufregende Tore. Der FCB machte seine beiden Treffer innert vier Minuten vor der Pause. Die Führung war wie aus dem Bilderbuch herauskombiniert. Salah bediente Streller, der sich mit einer sagenhaften Körpertäuschung um seinen Gegenspieler wand und nur den Pfosten traf. Aber da war Stocker, der Initiant des Angriffs, der den Abpraller erbte.

Das 0:2 entsprang einem ruhenden Ball. Stocker, der beste unter all den sehr guten Baslern, brachte die erste Ecke an den ersten Pfosten, wo Jan Vertonghen bedrängt von Streller den Ball mit dem Schädel ablenkte. Fabian Frei stand goldrichtig und hatte die Ruhe, mit einem  platzierten Kopfball zu vollenden. Die knapp 2000 mitgereisten FCB-Fans waren aus dem Häuschen. 34’000 Spurs-Fans mucksmäuschenstill.

Yakin: «Schade, dass es nicht gereicht hat»

Die Chance, die Stocker in der 37. Minute allein vor Friedel vergab, dieses mögliche 3:0, war die eine Szene, der Murat Yakin nachtrauerte. Genauso wie den Chancen, die sich dem FCB in der letzten halben Stunde boten. «Schade, dass es nicht gereicht hat.» Es wäre der erste Sieg einer Schweizer Mannschaft auf der Insel seit 1981 und dem 3:1 der Grasshoppers bei West Bromwich Albion gewesen. Nahe dran war seither nur noch der FC Basel selbst, als er vor eineinhalb Jahren im Old Trafford von Manchester United das späte 3:3 kassierte.

An der White Hart Lane schaffte Emmanuel Adebayor noch vor dem Seitenwechsel den Anschluss. Ein Tor, das in seiner Entstehung einige Zufälligkeiten beinhaltete, und bei dem man der FCB-Abwehr, Markus Steinhöfer und Aleksandar Dragovic, keinen grossen Vorwurf machen kann. In dieser Phase rollten Angriffe auf das Basler Tor, die aus dem Kraftzentrum der Spurs, dem zentralen Mittelfeld mit den starken Mousa Dembélé und Scott Parker entstanden.

Der Ausgleich schliesslich war ein individuelle Glanztat des früh für den angeschlagenen Aaron Lennon eingewechselten Gylfi Sigurdsson. Der Isländer schüttelte Steinhöfer ab, zog zur Mitte, fand keine Gegenwehr und sein Schuss aus 22 Metern senkte sich – von Schärs Rücken noch abgefälscht – unhaltbar für Yann Sommer ins Netz.

Der fehlende Glaube der Spurs und Bales Verletzung

Doch die Spurs machten erst den Eindruck, als ob sie sich mit dem Ausgleich begnügten, fast so, als ob sie an diesem Abend nicht mehr daran glauben würden, den Gegner niederringen zu können. Vergeblich wartete man auf einen Schlussakkord. Als William Gallas in der 89. Minute angeschlagen vom Feld ging, mussten die Spurs die drei Minuten Nachspielzeit in Unterzahl bestreiten.

Und dort verletzte sich Gareth Bale, der Superstar der Spurs, der kaum in Erscheinung getreten war gegen den FCB. Der Mann, dessen Marktwert gegen 50 Millionen Euro tendiert und dessen Wechsel zu Real Madrid nur noch eine Frage der Zeit sein soll, knickte im Zweikampf mit David Degen um. Der rechte Knöchel ist stark geschwollen, Basel wird die walisische Rakete nicht zu sehen bekommen, aber Villas-Boas versuchte, die besorgten englischen Medien zu beruhigen: «Es scheint nicht so schlimm, wie es auf den Fernsehbildern aussieht.»

Dieser Mannschaft ist der Halbfinal zuzutrauen

Ähnliche Entwarnung gab Murat Yakin für den ausgewechselten Marco Streller. Ein leicht verhärteter Oberschenkelmuskel bereitete ihm schon vorige Woche Probleme. «Er spürt seinen Körper und ist rechzeitig aus dem Spiel gegangen», sagte Yakin, der davon ausgeht, dass sein bester Torschütze am Sonntag in St. Gallen auflaufen kann.

Und nächsten Donnerstag, beim Rückspiel in Basel, wird der Captain ohnehin dabei sein wollen. Dann, wenn der FC Basel einen Schritt tun kann, der ihm noch nie in einem europäischen Wettbewerb gelungen ist: der Schritt in einen Halbfinal. Er ist dieser Mannschaft zuzutrauen.

Europa League, Viertelfinal, Hinspiel
Tottenham Hotspur–FC Basel 2:2 (1:2)
White Hart Lane. – 32’136 Zuschauer. – SR Mazic (Serbien).

Tore:
30. Stocker 0:1 (verwertet aus sechs Metern einen vom Pfosten zurückprallenden Ball von Streller nach Querpass Salah).
34. Fabian Frei 0:2 (Kopfball freistehend aus sieben Metern nach dem ersten Corner von Stocker, den Vertonghen am ersten Pfosten bedrängt von Streller verlängert).
40. Adebayor 1:2 (mit einem eingesprungenen Volley trifft er auf Vorabriet von Parker aus kurzer Distanz).
58. Sigurdsson 2:2 (schüttelt am linken Flügel Steinhöfer ab, zieht zur Mitte und zieht aus 22 Metern ab – abgefälscht von Schär senkt sich der Ball unter die Querlatte).

Verwarnungen: 29. Gallas (Foul, Streller), 47. F. Frei (Foul), 64. Parker (Foul).

Tottenham (4-2-3-1): Friedel; Naughton, Gallas, Vertonghen, Assou-Ekoto (57. Dawson); Parker, Dembélé; Lennon (24. Sigurdsson), Bale, Holtby (63. Dempsey); Adebayor. – Nicht eingesetzt: Lloris (T), Huddlestone, Livermore, Caulker.
Basel (4-3-3): Sommer; Steinhöfer, Schär, Dragovic, Voser; Serey Die (66. Cabral), F. Frei, Elneny; Salah (84. D. Degen), Streller (71. Zoua), Stocker. – Nicht eingesetzt: Vailati (T), Ajeti, Sauro, A. Frei.

Bemerkungen: Tottenham ohne Walker (gesperrt), Defoe, Sandro, Kaboul, Carroll (verletzt); FCB ohne Diaz, P. Degen, Park (alle gesperrt), Bodadilla (nicht spielberechtigt), Jevtic (Aufbau). – In London nicht im Aufgebot: Salvi (T), Yapi. – Bei Tottenham Vertonghen nach der Einwechslung Dawsons rechter Verteidiger; Dempsey nach seiner Einwechslung im zentralen Mittelfeld. – Tottenham nach dem Ausscheiden von Gallas (89.) und Bale (92.) nur noch mit acht Feldspielern.

 

Auslosung Halbfinals: 12. April in Nyon
Halbfinals: 25. April/2. Mai
Final: 15. Mai in der Amsterdam ArenA
Europa League, Viertelfinals
    4. April 11. April
Tottenham Hotspur FC BASEL 2:2  
Chelsea FC Rubin Kasan 3:1  
Fenerbahçe Istanbul Lazio Rom 2:0  
Benfica Lissabon Newcastle United 3:1  

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