Die TagesWoche hat über 240’000 Sportler-Geburtsdaten analysiert. Die Statistiken zeigen eindeutig: Wer später im Jahr geboren wird, hat weniger Chancen darauf, im Sport gefördert zu werden.
Wer am Ende des Jahres Geburtstag hat, hat weniger Chancen darauf, im Sport gefördert zu werden. Der Name des Phänomens: Relative Age Effect (RAE). Der Grund: Kinder, die spät im Jahr Geburtstag haben, sind ihren um einige Monate älteren Jahrgangskollegen körperlich unterlegen und werden so weniger gefördert als die vermeintlich «talentierteren» Frühgeborenen.
Obwohl der RAE der Sportwissenschaft seit längerer Zeit bekannt ist und einige Theorien Abhilfe versprechen, scheint sich nichts daran zu ändern. Das zeigt die Untersuchung der TagesWoche von 240’000 Sportler-Geburtsdaten. Die Abweichung zur Verteilung in der Durchschnittsbevölkerung ist mit Konfidenzlevel 99 Prozent statistisch signifikant.
Besonders stark sichtbar ist der Effekt bei den Elite-Nachwuchskadern im Schweizer Sport. Das ist wenig überraschend, denn je früher vermeintlich talentierten Kinder von den scheinbar weniger talentierten getrennt werden, um so stärker ist der RAE. Zu oft lassen sich Trainer von der körperlichen Überlegenheit der Frühgeborenen zu einer Selektion verleiten:
Die Daten der Nachwuchskader stammen von den Websiten des jeweiligen Verbandes, beziehungsweise von der Website des FC Basel – Stand Mitte März 2014. Die Daten der Schweizer Fussballer stammen von der Website «transfermarkt.de», Stand 20. Februar 2014.
Doch auch im Erwachsenensport lässt sich der REA nachweisen. Und das sogar weltweit, wie die Analyse von 243’000 Fussballer-Geburtsdaten beweist, die auf «transfermarkt.de» aufgelistet sind:
Der Datensatz umfasst sämtliche Fussballspieler, die am 20. Februar 2014 bei «transfermarkt.de» erfasst waren. Total sind dies 271’963 Fussballspieler. Bei 243’112 konnte das Geburtsdatum korrekt ausgelesen werden.
Auffällig bei dieser Statistik ist, dass auch die Monate August und September stark vertreten sind. Das ist dadurch zu erklären, dass in verschiedenen Ländern wie Deutschland und der Schweiz bis 1997 nicht der 1. Januar das Stichdatum für den Jahrgangswechsel war – sondern der 1. August.
So profitierten damals die August- und Septemberkinder vom Relativen Alterseffekt. Was gut zu sehen ist, wenn die Statistik nach Geburtsjahren aufgeschlüsselt wird:
Das wiederum beweist, dass der Relative Age Effect nichts damit zu tun hat, dass die im letzten Quartal des Jahres Geborenen weniger talentiert wären als jene mit einem frühen Geburtsdatum. «Wenn man den Stichtag einmal verändert, dann verschiebt sich bloss der Effekt», sagt Michael Romann, der den RAE für die Eidgenössische Sporthochschule Magglingen wissenschaftlich untersucht.
Dass der Effekt bei den Fussballern im Nachwuchsalter (Jahrgang 1993 und jünger) stärker sichtbar ist als bei jenen mit Geburtsdatum zwischen 1980 und 1992, kann verschiedene Gründe haben.
Einerseits lassen die Daten den Schluss zu, dass in den Nachwuchsakademien die körperliche Entwicklung eines Juniors einen sehr starken Einfluss auf die Selektion hat. Andererseits wird der Schritt vom Nachwuchs zu den Profis meist nach Ende der Pubertät vollzogen.
Die Spätgeborenen, die sich bis dahin durchgebissen haben, haben nun keinen körperlichen Nachteil mehr. Ja, sie könnten sogar den Vorteil haben, dass sie als Jugendliche ihre körperlichen Nachteile mit Technik und Taktik wett gemacht haben, dass sie also als Erwachsene die besseren Fussballer sind.
Werden nur absolute Spitzenathleten betrachtet, dann schwächt sich der RAE ab. Das zeigt der Vergleich der Geburtsmonate aufgeschlüsselt nach Marktwert. Dieser stammt jeweils «transfermarkt.de», ist also eine mehr oder weniger präzise Schätzung von Laien.
Zwar sind auch bei Spielern mit einem geschätzten Marktwert von über 5 Millionen Euro die frühen Geburtsmonate übervertreten, allerdings weniger stark als dies bei der Grundgesamtheit aller Fussballer der Fall ist.
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