Guillaume Hoarau ist der Mann der Stunde in der Super League: Wieder trifft der Goalgetter zweifach für die Young Boys und leitet damit die erste Saisonniederlage des FC Basel ein. Der Meister trifft nach einem Platzverweis für Nuhu in Überzahl nur per Handspenalty von Matias Delgado. Unter dem Strich ist es ein verdienter Erfolg für YB, das damit den Rückstand auf den FCB auf zwölf Punkte verkürzt.
Den kleinen Moment, einen schönen Erfolg auszukosten, wollte Taulant Xhaka seinem Widersacher partout nicht gönnen. Erst fummelte er an Guillaume Hoarau herum, dann brüllte Xhaka mit anschwellenden Halsadern in Richtung Schiedsrichter, weil er es nicht ertragen konnte, wie aufreizend langsam Hoarau das Spielfeld verliess.
Dabei liefen bereits die zwei Minuten Nachspielzeit herunter, war die Partie beim Stand von 3:1 entschieden und Xhaka und der Meister aus Basel erstmals in dieser Saison bezwungen. Von beseelten Young Boys, die eine Halbzeit lang in Unterzahl spielen mussten, und geschlagen von Guillaume Hoarau, dem zweifachen Torschützen und spiritus rector der Berner.
Mit Nachdruck hatte YB-Trainer Adi Hütter erst noch am Vortag des Spitzenkampfes die Rolle Hoaraus für YB beschrieben. Als «Goldstück» bezeichnete er den Franzosen und stellte die These auf, dass ohne die Verletzung seines Goalgetters der Rückstand auf den FCB sieben, acht Punkte weniger betragen könnte.
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Überfallartige Young Boys
Aber das Spitzenspiel, das aufgrund des riesigen Abstands von Erstem zu Zweitem in der Super-League-Tabelle dieses Etikett nur noch eingeschränkt verdient, wollte Hütter unbedingt gewinnen. Die Young Boys wollten die ersten sein, die den Meister in die Knie zwingen – und sie haben es getan.
Mit Hoarau als Speerspitze ihres Spiels. Fast überfallartig kamen die Berner bei Temperaturen am Gefrierpunkt auf ihrem Plastikrasen über die Basler. Ein wunderbares, tiefes Direktspiel von Kasim Nuhu in den Lauf von Linksverteidiger Jan Lecjaks riss die rechte Basler Abwehrseite auf, Michael Lang konnte nicht folgen, und Tomas Vaclik lenkte Lecjaks scharfe Hereingabe mit den Fingerspitzen zwar noch ab – allerdings zur idealen Vorlage für Hoarau.
Der liess sich nicht zweimal bitten – so ein Ball ist ein Gabelfrühstück für den Strafraumroutinier. Da waren noch keine sechs Minuten gespielt und der Meister im Hintertreffen.
Platzverweis spielt YB, nicht dem FCB in die Karten
Eine vernünftige Reaktion darauf fand Basel, in einem 4-1-4-1 mit dem etwas offensiveren Zuffi formiert, nicht. Zumindest nicht auf den letzten 30 Metern, wo vieles ungenau und ohne Nachdruck blieb. Die Berner dagegen konterten schnörkellos und nach Herzenslust. Allein Thorsten Schick hätte das Resultat höher schrauben können, und dann mussten die Gastgeber einen selbstverschuldeten Nackenschlag wegstecken.
Kasim Adams Nuhu sah mit dem Pausenpfiff die rote Karte – notabene die einzige Karte, die der gute österreichische Schiedsrichter in dieser Partie für nötig empfand. Nach einem Foul von Renato Steffen versuchte sich Nuhu im Kung-Fu-Stil zu revanchieren. Er traf den Ex-Berner zwar nicht, aber die Absicht reichte für den Platzverweis.
Dilettantischer zweiter Gegentreffer
Was nicht selten zu beobachten ist: Die Überzahl spielte nicht den Baslern, sondern YB in die Karten. Zwar kam Urs Fischers Mannschaft zielstrebiger aus der Kabine, aber Birkir Bjarnason vergab in der 50. Minute den Ausgleich, als er freistehend aus zehn Metern Steve von Bergen anschoss. Und im Gegenzug kassierten die Basler auf einen langen Ball von Bergen das 0:2.
Dilettantisch wirkt dieses Gegentor in der Endausfertigung, denn Vaclik und Marek Suchy schienen beide den Ball eigentlich schon verteidigt zu haben, ehe er doch noch Hoarau vor die Füsse fiel und der zu seinem zwölften Saisontor einnetzte.
«Ein Mann mehr zu sein bedeutet nicht, dass man besser ist oder es einfacher ist», meinte Urs Fischer, nach dem in der 17. Runde dem FCB der Zahn gezogen war, «und mit Fehlern wie beim 0:2 macht man sich das Leben selbst schwer. Dann muss man nicht wundern, wenn man verliert.»
Hoarau nimmt sich seinen rauschenden Abgang
Dass die Basler noch einmal herankamen, lag zum einen an den Wechseln. Andraz Sporar und Mohamed Elyounoussi (für den erneut ungenügenden Bjarnason) waren belebende Elemente. Und der Norweger provozierte in der 75. Minute einen Handspenalty, verursacht von Scott Sutter, den Matias Delgado sicher verwertete.
Der Tausch von zwei weiteren Spielern in der 77. Minute erwies sich dann als matchentscheidend: Davide Callà auf Basler Seite liess sich vom herausragenden Lecjaks düpieren, und Kevin Mbabu erzielte Sekunden nach seiner Einwechslung mit einem Hechtkopfball das 3:1.
Zum ersten Mal in dieser Saison kassierte der FCB somit drei Gegentore – und darauf fand er keine Antwort mehr. Auch, weil er derzeit keinen Spieler wie Hoarau in seinen Reihen hat. Diesem Hoarau bereitete YB-Trainer Adi Hütter mit der Auswechslung in der Nachspielzeit einen rauschenden Abgang und stehende Ovationen des Berner Publikums im Stade de Suisse. Da konnte sich Xhaka noch so aufregen: dieser Samstag war der Abend der Berner und der Abend des Guillaume Hoarau.
Hütter: «Das Team ist über Grenzen gegangen»
Für die Young Boys ist dieser Sieg eine Genugtuung, eine Bestätigung auf ihrem Weg zum elften Spiel ohne Niederlage. «Die Mannschaft ist in Unterzahl über Grenzen gegangen», lobte Adi Hütter.
Kollege Fischer dagegen machte sich mit «einem komischen, gemischten Gefühl» auf die Heimreise. Einerseits hatte er sein Team mit dem Plus an Ballbesitz «gut im Spiel gesehen», aber auch fehlende Präzision und Konsequenz: «Das war zu wenig, wenn man bei YB gewinnen will», sagte Fischer und räumte den verdienten Erfolg des Gegners unumwunden ein.
Für den FCB geht es am Dienstag gegen Arsenal weiter. Ein Spiel, in dem gegen den Premier-League-Club mindestens ein Punkt benötigt wird, um die vage Hoffnung auf eine Fortsetzung der internationalen Kampagne aufrecht zu erhalten. In unwiderstehlicher Form präsentiert sich das Team zum Ende des ersten Halbjahres nicht, aber durch den Nackenschlag in Bern fürchtet der Trainer keinen negativen Einfluss: «Vielleicht ist es das, was es braucht, um gegen Arsenal eine besondere Leistung abzurufen.»
Vor dem Spiel:
Aussicht auf ein torreiches Spiel: Im Stade de Suisse trifft der FCB heute auf die Young Boys, die seit zehn Partien unbezwungen sind und eine fabelhafte Torquote im eigenen Stadion haben. Das hat auch mit dem Rasen zu tun, was Basels Trainer Urs Fischer nutzt, um etwas klarzustellen. » Die Lage beim Schweizer Meister
Adi Hütter: «Der Abstand zum FCB ist immer noch gross, und das stinkt mir»: Der FC Basel ist gut und hat Klasse – Adi Hütter, der Trainer der Young Boys, geniert sich nicht, das zu sagen. Heute will er mit seiner Mannschaft nichts desto trotz dem Tabellenführer die erste Niederlage beibringen. Im Interview mit der TagesWoche erklärt der 46-jährige Österreicher, warum YB schon wieder so weit hinter Basel liegt und warum Guillaume Hoarau unersetzlich ist. » Interview mit dem Trainer der Young Boys
«Was für eine Geschichte!» – oder eben auch nicht: Seydou Doumbia trifft am Samstag mit dem FC Basel auf die Young Boys, seinen Ex-Verein. Aussergewöhnlich ist das nicht: Die Hälfte des Basler Kaders hat diese Erfahrung schon gemacht. » Die Basler und ihre ehemaligen Arbeitgeber
Hoarau und der FC Basel: «Ich stand einmal auf einer Liste» (Interview in der Berner Zeitung)