Deshalb wünschte man sich ein letztes grosses Ausrufezeichen unter den Palmen von Key Biscayne. Am besten Serena Williams und Roger Federer als Sieger. Aber was dann passierte, das passte irgendwie eher zum schleichenden Ansehensverlust im Wanderzirkus. Serena Williams verlor – wenig verwunderlich nach ihrer Babypause – gleich zum Auftakt gegen die junge, stürmische Aufsteigerin Naomi Osaka aus Japan.
Auf diesen Schockmoment folgte der Auftritt von Roger Federer, dem Held der ganzen Tenniswelt. Doch er kam, sah – und ging wieder. Er verlor – einerseits nicht restlos überraschend nach dem strapaziösen Saisonauftakt – mit 6:3, 3:6 und 6:7 (4:7) gegen den Australier Thanasi Kokkinakis. Und doch war es verblüffend, weil er diese Niederlage gegen einen 21-jährigen Youngster erlitt, der sich bei einem zähen Comeback nach ewigen Verletzungsproblemen immer noch schwertut. In Miami hatte sich Kokkinakis, die Nummer 175 der Weltrangliste, durch die Qualifikation ins Hauptfeld durchschlagen müssen.
Die Nummer 1 ist futsch
Dass er nach der Startpleite nun seine Nummer-1-Platzierung in den Charts wieder an den verletzt abwesenden Rafael Nadal verliert, quittierte Federer in glasklarer Kürze hinterher so: «Nach diesem Match verdiene ich das auch.»
Genauso konsequent war auch Federers Verdikt, jetzt erst einmal einen Schlusstrich unter seine Dienstreisen und Turniergastspiele zu setzen. Wie im vergangenen Jahr wird sich der 36-jährige Veteran nicht an den ermüdenden Rutschübungen im roten Sand beteiligen. Schon vor der Niederlage in Miami habe er nach «sehr kurzer Aussprache mit dem Trainerteam» die Entscheidung gefällt, die komplette Ascheplatzserie auszulassen, einschliesslich der French Open in Paris.
Nach jetzigem Stand der Dinge, der offiziellen Vertragssituation, würde Federer erst wieder am 18. Juni zum Turnier in Halle zurückkehren. Dort kann er zum ersten Mal einen Titel zum zehnten Mal gewinnen. Bisher gibt es noch keine Abmachung mit dem vorher stattfindenden Stuttgarter ATP-Turnier (ab 11. Juni), es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass der vierfache Familienvater auch dort aufschlagen wird.
Zur Schonung gibt es keine Alternative
Federers Entscheidung gilt manchen in der Szene als Wagnis, als Risiko. Der Schweizer setze zu sehr alles auf die Karte einer wieder erfolgreichen Rückkehr auf Rasen. Dabei ist diese Entscheidung in Wahrheit vor allem eins: alternativlos. Denn Federer muss seine inzwischen begrenzten Ressourcen gut einteilen, schon in Indian Wells spürte er zuletzt die Folgen seines neuerlichen Husarenritts zum Saisonstart. In Miami fehlte ihm nun der letzte Biss, die letzte Konsequenz im Spiel. Er kam, wie er selbst sagte, «nie richtig auf Touren».
Jetzt gehe es darum, so Federer, «sich zu erholen, den Körper zu schonen und dann einen grossen Trainingsblock einzulegen, um für den Rest der Saison gerüstet zu sein». Also vor allem für die Rasensaison mit Wimbledon und dann noch einmal für die Hartplatzserie mit den US Open. Die Weniger-ist-mehr-Strategie folgt auch einem übergeordneten Ziel des Maestro, das er so formulierte: «Ich will so lange wie möglich weitermachen mit dem Tennis. Deshalb muss man das alles sehr überlegt planen.»
Tribut an die Tretmühle der Tour
Federer hätte auch auf die eigentlich prekäre Lage in der Weltspitze verweisen können, auf die Verletzungsmisere, die andere Topcracks plagt und plagt. Rafael Nadal, Andy Murray und Stan Wawrinka zollen den Anstrengungen in der Tretmühle der Tour gerade wieder bitteren Tribut. Wann und für wie lange sie zurückkehren können, ist ungewiss. Hinzu kommen die Rätsel um Comebacker Novak Djokovic, der in Key Biscayne bei seinem ersten Match scheiterte wie zuvor auch schon in Indian Wells.
So wird sich das Turnier von Miami nun von seinem alten Schauplatz mit einem bemerkenswerten Eintrag verabschieden müssen – mit der Tatsache, dass erstmals seit knapp zwölf Jahren (Hamburg 2006) keiner der Big Four (Federer, Nadal, Murray, Djokovic) auch nur die dritte Masters-Runde erreichte.