Abgerechnet wird am Ende

Wie sich der FC Basel Mut macht für das Rückspiel im Europa-League-Halbfinal beim Chelsea FC. Zusammengefasst drückt das FCB-Sportdirektor Georg Heitz so aus: «Die Mannschaft soll ein spannender Aussenseiter sein.»

Adilson Tavares Varela Cabral, left, and Mohamed Salah, right, players of Switzerland's soccer team FC Basel, joke around at the airport Basel-Freiburg-Mulhouse in Basel, Switzerland, on Wednesday, May 1, 2013. Switzerland's FC Basel 1893 is scheduled to (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Wie sich der FC Basel Mut macht für das Rückspiel im Europa-League-Halbfinal beim Chelsea FC. Zusammengefasst drückt das FCB-Sportdirektor Georg Heitz so aus: «Die Mannschaft soll ein spannender Aussenseiter sein.»

Es gibt ihn, den Frühling, angetroffen in London am Mittwoch um die Mittagszeit. Sonnenschein von blauem Himmel, stabile 16, 17 Grad. Ein Gegensatz zu daheim und auch zum jüngsten Trip des FC Basel in die britische Hauptstadt vor gerade einmal vier Wochen, als es am Tag des Spiels gegen Tottenham schneite.

Die äusseren Umstände dürften auch beim FCB nebst Vitamin-D-Schub für frischen Saft in den Tanks sorgen. Am Morgen, vor dem Abflug in Basel-Mulhouse, lief Trainer Murat Yakin einer Handvoll Fans von Fenerbahçe in die Arme. Grosses Hallo, Gruppenfoto, Autogramm mit dem Ex-Spieler von Fener. Mit einem 1:0-Vorsprung reisen die Türken zum Rückspiel bei Benfica Lissabon – und den besten Wünschen von Murat Yakin. Auch für Fenerbahçe wäre es der erste Europacupfinal.

Die Hypothek aus dem Hinspiel

Europa League, Halbfinal
Chelsea FC–FC Basel (Do, 21.05 Uhr)
Stamford Bridge. – Vorverkauf: 40’000 (ausverkauft). – SR Eriksson (Schweden).

Mögliche Aufstellungen
Chelsea: Cech; Azpilicueta, Ivanovic, Terry, Bertrand; Lampard, Mikel; Moses, Hazard, Mata; Torres.
Basel: Sommer, Steinhöfer, Schär, Sauro, Voser; Serey Die, F. Frei, Elneny; Salah, Streller, Stocker.

Bemerkungen: Chelsea ohne Cole (gesperrt), Demba Ba (nicht spielberechtigt); Basel ohne Dragovic (gesperrt), Bobadilla (nicht spielberechtigt). – Bei der nächsten gelben Karte fürs Final gesperrt, Chelsea: Luiz, Ramires, Mikel, Bertrand; Basel: Schär, Serey Die, F. Frei, D. Degen, Streller.

Sehr viel weiter davon entfernt scheint der FC Basel vom 15. Mai und dem Endspiel in Amsterdam zu sein. Schwer wiegt das 1:2 aus dem Hinspiel, das der Schweizer Meister im Gepäck hat. Sportdirektor Georg Heitz schildert, wie er vorige Woche nach dem Abpfiff gegen Chelsea in die Kabine kam und zu Yakin meinte, es sei «ein bisschen naiv» gewesen, wie die Mannschaft nach dem späten Ausgleich noch ins Verderben gerannt sei.

Yakin habe ihm entgegnet, er sehe seine Mannschaft lieber so: mit der Einstellung, ein Spiel gewinnen zu wollen. «Und hinter dieser Mentalität steht der Trainer», sagt Heitz. Also haben sie sich eine Ausgangslage eingebrockt, die umzukehren es einen ganz besonderen Effort an der Stamford Bridge von den Baslern erfordert. Und vom Chelsea FC, dieser abgezockten Millionen-Truppe, mindestens so etwas wie eine Haltung, dass sie sowieso schon mit eineinhalb Beinen im Final stehen.

«Wunder gibt es immer wieder»

Da muss einiges zusammen kommen, um noch ein weiteres, nicht für möglich gehaltenes Kapitel zu schreiben. Weil vieles gegen den FC Basel spricht, muss die berühmte Fussball-Metapher vom «Wunder» bemüht werden. «Es braucht ein Wunder», sagt also Marco Streller, und weil der Captain weiss, wie schwer es wird, dieses zu vollbringen, fügt er an: «Wahrscheinlich eines der grössten Wunder in der Geschichte des Schweizer Fussballs.»

Gegen einen Gegner vom Format Chelseas, «eine der besten Mannschaften der Welt», findet Yann Sommer, «ist ein Weiterkommen immer ein Wunder.» Und auch Murat Yakin muss die Frage nach dem höheren Ereignis beantworten. «Wunder», sagt der Trainer, «gibt es immer wieder. Ob wir eines schaffen, hängt von unserer Qualität ab.»

Die Müdigkeit, die im Kopf stattfindet

Neben allen Aufstellungsfragen beim FCB – klar ist, dass Gaston Sauro den gesperrten Aleksandar Dragovic im Abwehrzentrum ersetzt, und möglich erscheint, dass wie schon gegen Tottenham Markus Steinhöfer und Kay Voser Aussenverteidiger spielen – sind die Kraftreserven und die Müdigkeit ein viel diskutiertes Thema. In seinem epischen Lauf durch diesen Frühling und dem Tanz auf drei Hochzeiten hat der FCB zuletzt dreimal hintereinander nicht gewonnen.

Beim FCB leiten sie daraus eher eine mentale denn eine körperliche Erschöpfung ab. «Das findet alles hier oben statt», sagt Marco Walker und tippt sich mit dem Zeigefinger an den Kopf. Der Assistenztrainer ist massgeblich für die Dosierung des Trainings verantwortlich und kann im Langzeit-Rückblick getrost behaupten: «Das haben wir bislang ganz gut hinbekommen.»

Ein bisschen fordernder klingt da schon Sportdirektor Heitz: «Wir haben ambitionierte Spieler, die irgendwann bei einem grösseren Club spielen wollen.» Also findet er, sei diese Phase eine Chance zu beweisen, dass man eine hohe Kadenz verträgt.

Chelsea hat weit mehr Spiele als der FCB

Zum Vergleich: Der FCB spielt am Donnerstag seine 54. Wettbewerbspartie in dieser Saison; international ist er sogar Europameister mit 20 Spielen in Champions-League-Qualifikation und Europa League. Keine Mannschaft hat bis in die Halbfinals einen weiteren Weg zurückgelegt. Chelsea aber ist unter den acht in den beiden Wettbewerben verbliebenen Teams jenes mit den mit Abstand meisten Pflichtspielen: Die Partie gegen Basel ist der 67. Einsatz für die Engländer.

In der Premier League hat Chelsea 35 von insgesamt 38 Runden gespielt, dazu sechs Gruppenspiele in der Königsklasse, acht in der Europa League, einen europäischen Super Cup (1:4 gegen Atletico Madrid), zwei Club-WM-Spiele (0:1 im Final gegen Corinthians Sao Paulo), zwölf Begegnungen in den beiden nationalen Cupwettbewerben, und der Community Shield zur Saisoneröffnung (2:3 gegen Manchester United) kommt auch noch dazu.

Inklusive der Spiele von Mittwoch und Donnerstag.
Bei Chelsea sind die Pflichtspiele um den Community Shield (1), Club-WM (2), Uefa Super Ciup (1), FA Cup (7), League Cup (5) sowie in der Premiere League (35 von 38 Runden) berücksichtigt.
Die Einsätze der Europacup-Halbfinalisten in der laufenden Saison
Club Spiele total Europacup
Chelsea FC 67 14
Fenerbahçe Istanbul 59 18
FC Barcelona 55 12
Real Madrid 55 12
FC Basel 54 20
Benfica Lissabon 51 14
Bayern München 49 12
Borussia Dortmund 49 12

Dementsprechend gross ist das Kader der Londoner, noch breiter und hochqualifizierter besetzt als jenes der Basler. Dass der Schweizer Meister gegen den Champions-League-Sieger des Vorjahres ausscheidet, entspräche einer gewissen Logik; das Aus wäre ein Scheitern auf allerhöchstem Niveau und steht jetzt schon solitär in der Schweizer Europacup-Geschichte, die vor 35 Jahren mit dem Uefa-Cup-Halbfinal der Grasshoppers (gegen Bastia) ihren letzten Eintrag in diesem Stadium der Wettbewerbe vorzuweisen hat.

«Müdigkeit kann man sich auch einreden»

«Wir müssen aufpassen», sagt Georg Heitz, «dass wir uns die Müdigkeit nicht einreden.» Davon, dass Murat Yakin den Donnerstag schon mit Blick aufs Kerngeschäft, also das nächste Meisterschaftsspiel in Sion angeht, will der Sportdirektor nichts wissen: «Dieser Trainer hat einen grossen Ehrgeiz. Er wird so aufstellen, dass ein Coup möglich ist.»

Oft genug, so Heitz, habe Yakin betont, dass ihm 20 Stammspieler zur Verfügung stünden. Darunter, ist anzumerken, allerdings ein paar, die in dem Augenblick, als sie in die Bresche springen sollten, nicht wie gewünscht  funktioniert haben. So wie vergangenen Sonntag beim 0:3 daheim gegen Luzern.

Das Motto: Rausgehen und geniessen

Dass man an der Stamford Bridge unter den gegebenen Umständen auch auf eine Schadenbegrenzung aus sein könnte, hält Heitz für eine «typisch schweizerische» Haltung. Der Sportdirektor stellt sich gegen Chelsea etwas anderes vor: «Die Spieler sollen rausgehen, das Spiel geniessen, das sie sich verdient haben. Sie sollen ein spannender Aussenseiter sein – und am Ende rechnen wir ab.»

Am Mittwochabend, vor dem Abschlusstraining an der Stamford Bridge, gab sich Murat Yakin angriffslustig: «Wir werden mit Kampf, Leidenschaft und Herzblut versuchen, das 1:2 wettzumachen.» Ob Marco Streller, ein wesentlicher Faktor im Pressing des FCB und am Sonntag vermisst in dieser Rolle, beginnen kann, wird sich für Yakin erst am Morgen des Spieltags endgültig erschliessen.

London interessiert sich mehr für Mourinho

Nachdem Yakins Kollege Rafael Benítez alle Fragen zu José Mourinho abgeblockt hatte, der im Sommer an die Stamford Bridge zurückkehren soll, konnte sich der Übergangstrainer des Chelsea FC dem Donnerstag zuwenden. Elementares konnte er, wie zu erwarten war, nicht mehr beisteuern zu diesem Rückspiel, in das seine Mannschaft als haushoher Favorit geht und von der in London ein diskussionsloser Sieg über den Gast aus der Schweiz erwartet wird.

«Basel ist ein starkes Team, das in der Lage ist, auch auswärts Tore zu schiessen», erneuerte Benítez seine Warnung, die er schon Donnerstag vor einer Woche nach dem Last-Minute-Sieg im St.-Jakob-Park geäussert hatte. «Wir sind noch nicht im Endspiel», gemahnt der Spanier, der als einziger Trainer der vier Semifinalisten den Uefa-Cup schon einmal in Händen hielt: 2004 mit dem FC Valencia.

Final: 15. Mai in der Amsterdam ArenA
Europa League, Halbfinals
  Hinspiel Rückspiel
Chelsea FC FC BASEL 2:1 Do, 2.5., 21.05 Uhr MEZ
Benfica Lissabon Fenerbahçe Istanbul 0:1 Do, 2.5., 21.05 Uhr MEZ

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