Abschied eines Torjägers

Ein letztes Mal betritt Alex Frei am Sonntag den Rasen des Joggeli als Profifussballer. Das Spiel des FC Basel gegen den FC Zürich (13.45 Uhr, #rotblaulive) wird zum Abschied von einem herausragenden Torjäger. Der manchmal knorrige Typ Alex Frei aber wird dem Fussball neben dem Rasen erhalten bleiben.

Alexander Frei, Stuermer des FC Basel, spricht ueber seinen Abschied beim FC Basel am Freitag, 12. April 2013, im Mediencenter des St. Jakob Park Station zu den anwesenden Medien. (KEYSTONE/Patrick Straub) (Bild: Keystone/Patrick Straub)

Ein letztes Mal betritt Alex Frei am Sonntag den Rasen des Joggeli als Profifussballer. Das Spiel des FC Basel gegen den FC Zürich (13.45 Uhr, #rotblaulive) wird zum Abschied von einem herausragenden Torjäger. Der manchmal knorrige Typ Alex Frei aber wird dem Fussball neben dem Rasen erhalten bleiben.

Man könnte sich Alex Frei auch gut als Bergbauern vorstellen. Und das liegt nicht an der Ahnung eines Vollbartes, die er zwei Tage vor seinem letzten Auftritt als Stürmer des FC Basel in den Presseraum des St.-Jakob-Parks trägt.

Er wäre einer jener Landwirte, denen es egal ist, wenn der kommunale Skilift eine Kurve machen muss, weil er ihn partout nicht auf seinem Land haben möchte. Und Lausbuben, die ihm Obst klauten, müssten mit heftigen Schimpftiraden rechnen. Alex Frei hat dieses knorrig-störrische Element, das dem klischierten Bergler nachgesagt wird.

Früh Platz nehmen

Der FC Basel bittet jene Zuschauer, die am Sonntag live im Stadion sind, spätestens um 13.30 Uhr auf ihren Plätzen zu sein. Dann beginnt nämlich bereits die Abschieds-Würdigung für Alex Frei.

Als der abtretende Stürmer an diesem Freitag die Pressezone betritt, tut er das in seiner ganzen Alex-Frei-Haftigkeit. Vorne hat eben Cheftrainer Murat Yakin den Halbfinaleinzug in der Europa League zu Ende besprochen, als Frei den Raum betritt. Etwas unwillig wirkt er. So, als möge er den grossen Bahnhof nicht, den er ein zweitletztes Mal als Fussballer erleben wird, bevor am Sonntag im Spiel gegen den FC Zürich als Profi zurücktritt.

Wer den Hof betritt, kann angebellt werden

Frei steht ganz hinten im Raum. Erst allein, dann wird er erspäht, steht schnell im Zentrum und verteilt einleitend ein paar tadelnde Worte für Schlagzeilen, die ihm in letzter Zeit nicht gefallen haben. So ist er – wer sich ihm nähert, sozusagen seinen Hof betritt, der wird gerne erst einmal angebellt.

Aber Frei kann auch ganz anders. Wer das Bellen aushält, ja manchmal gar zurückbellt, kann in seiner Achtung steigen. Blitzschnell wechselt Frei bisweilen vom Angriff zum jovialen Gespräch – und zurück. Er kann einen mit der Frage begrüssen, ob der Zahltag so schlecht sei, dass es nicht mehr für anständige Kleidung reiche – und im nächsten Atemzug Ferienerlebnisse austauschen.

«Kommt jetzt – 16 Jahre – und ihr habt schon keine Fragen mehr?»

Ein deutscher Fussballjournalist hat sein Wesen einmal in die passenden Worte gekleidet: Er macht es einem nicht einfach, ihn zu mögen. Was nicht heisst, dass es nicht möglich ist.

«Auch andere in der Kabine sind nah am Wasser gebaut»

Alex Frei mag an diesem Tag nicht aufs Podium steigen, das für die grossen Pressekonferenzen bestimmt ist. Dort hat er bereits seinen Abgang auf das Saisonende hin angekündigt. «Nein, komm Josef», sagt er zu FCB-Pressesprecher Josef Zindel, «wir machen das unten. Ist doch nicht so wichtig, nach 16 Jahren.» Und grinst. Und fragt später, als es zwischenzeitlich scheint, als ob überraschend früh schon alle Fragen erschöpft seien: «Kommt jetzt – 16 Jahre – und ihr habt schon keine Fragen mehr?»

Zuvor hat sein Trainer Murat Yakin gesagt, er habe schon bemerkt, dass sich Frei «viele Gedanken gemacht hat in den letzten Wochen. Es ist nicht einfach, wenn man bemerkt, dass der Zeitschalter gekippt ist». Frei selbst meint zu seinem letzten Spiel gegen den FC Zürich: «Die Wehmut wird erst in der 80. Minute kommen. Ich bin nah am Wasser gebaut. Aber da bin ich nicht der einzige in der Kabine.»

Der 33-Jährige weiss, dass er seine Karriere nicht einmaligem Talent verdankt, sondern einem überdurchschnittlichen Arbeitsethos. Im Schweisse seines Angesichts hat er seinem kargen und steilen Land viel mehr abgerungen als viele der fauleren Bauern im Talgrund, die mit eigentlich viel fruchtbarerem Boden gesegnet gewesen wären.

Etwas für den Seelenfrieden

Dafür wird Frei geachtet. Aber nicht überall geliebt. Und ein klein wenig scheint er noch immer die Angst zu haben, dass seine Leistungen nicht genügend zu Kenntnis genommen würden. «Versteht mich nicht falsch», sagt er, «ich will jetzt nicht überheblich klingen. Aber ich war in neun Jahren fünfmal unter den besten zwei Torschützen des Jahres – und das in drei verschiedenen Ligen. Da denke ich, das ist doch gar nicht so schlecht.»

Nein, ist es nicht. Es ist überragend. Und weil er ab 2009 seine Tore für den FC Basel geschossen hat, hat er etwas für seinen Seelenfrieden getan. Etwas vom Wichtigsten sei ihm gewesen, einmal «richtig für diesen Club zu spielen. Nicht so, wie 1997 bis 1998», als er kaum zum Einsatz kam, «sondern so wie von 2009 bis 2013».

Als prägende Figur also. Das ist Frei ebenfalls wichtig: Dass er in fast allen Mannschaften, in denen er gespielt hat, ein Leader war. Und keiner, der nur auf sich geschaut hat.

Mit ihm hat der FCB eine weitere Stufe erklommen

Den Halbfinal in der Europa League, den hätte er zwar schon gerne miterlebt: «Aber verdient haben sich diesen Auftritt jene Spieler, die diese Saison geprägt haben. Ich war da nur ein kleines Puzzlestück.»

Möglich. Aber in den Jahren zuvor hat der FCB zusammen mit ihm eine weitere Stufe erklommen. Darauf ist Frei durchaus stolz: «Auf einen Verein, der noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht hat.» Und vor allem auf seine Erziehungsarbeit in der Kabine: «Es ist schön zu sehen, dass jene, die vor vier Jahren junge Talente waren, heute gestandene Profis sind.»

Jetzt zieht es ihn weiter, weg von Basel – Zeit für eine Pause hat er keine. Dazu ist er zu sehr getrieben von… Ja wovon eigentlich? Wahrscheinlich nur von etwas: sich selbst. Lockerer ist er zwar geworden in seinen letzten Jahren als Fussballprofi. Aber den Ehrgeiz, den wird er in diesem Leben wohl nicht mehr los.

Zum FC Luzern, wo er ab Montag Sportchef ist, nimmt er Papiere mit, Notizen, die er sich in seiner Zeit bei Borussia Dortmund und Rennes gemacht hat. Aber auch einen mit Erfahrung gut gefüllten Rucksack, weil er immer ein scharfer Beobachter war. Es hat den Spieler Frei stets interessiert, wie seine Trainer, Sportchefs und Club-Präsidenten in der Öffentlichkeit aufgetreten sind.

Frei hat beim FCB noch seine Saat ausgebracht

Und als den Rotblauen von einer Sekunde auf die andere Meistertrainer Thorsten Fink vom Hof zog, um in Hamburg sein Glück zu suchen, da hatte Frei alle Sensoren offen. Da versuchte er, die Mechanismen zu verstehen, nach denen ein Club wie der FCB agiert. Fast ein wenig wie im Reagenzglas: «Da habe ich gerne zugeschaut, wie der Verein funktioniert.»

Alex Frei wird den FCB verlassen. Aber der Club dürfte trotzdem noch etwas von ihm profitieren. Es war kein Zufall, dass Mohamed Salah nach seinem Tor zum 1:1 gegen Tottenham sofort zu Frei sprintete. Der grosse alternde Torjäger hatte in der Woche nach dem Hinspiel in London etwas Nachhilfeunterricht gegeben.

«Es gibt gewisse Dinge – wenn du die im Strafraum tust, dann hast du eine 95-prozentige Chance, dass der Ball rein geht», erklärt Frei. Und die hat er Salah ins Stammbuch geschrieben. Bergbauer Frei hat seine Saat beim FC Basel ausgebracht. Ernten werden andere. Er zieht auf einen anderen Hof, dessen Äcker derzeit besonders steinig aussehen.

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