Ackernd, rackernd und schuftend: Roger Federer zeigt seine Malocher-Qualitäten

Roger Federer ist noch immer ein Zauberer, im Viertelfinale der US Open sahen die Fans allerdings eine andere Qualität des ältesten Spitzenspielers: Der 33-Jährige ackerte, rackerte und schuftete.

Roger Federer of Switzerland returns a shot to Gael Monfils of France during their quarter-final men's singles match at the 2014 U.S. Open tennis tournament in New York, September 4, 2014. REUTERS/Adam Hunger (UNITED STATES - Tags: SPORT TENNIS) (Bild: ADAM HUNGER)

Roger Federer ist noch immer ein Zauberer, im Viertelfinale der US Open sahen die Fans allerdings eine andere Qualität des ältesten Spitzenspielers: Der 33-Jährige ackerte, rackerte und schuftete.

Er wird nur zu gern Maestro genannt. Er gilt als Tennis-Künstler, als Ästhet am Ball, als Magier und Zauberer. All dies ist Roger Federer ganz sicher. Doch der älteste Spitzenspieler der Welt ist noch viel mehr: Ein unbeugsamer Fighter, ein extrem harter Arbeiter. Und ein Mann, der als 33-jähriger Familienvater von Zwillingstöchtern und Zwillingssöhnen noch immer hungrig auf Siege ist wie vor zehn, fünfzehn Jahren, als er seine Weltkarriere begann.

Donnerstag, in einer magischen New Yorker Nachtvorstellung, erlebten die elektrisierten Fans genau diesen ackernden, rackernden, schwer schuftenden Federer, einen Malocher, der die Kunst schwerer Arbeit bei einer gefeierten Aufholjagd gegen den französischen Showmann Gael Monfils zelebrierte: Weder ein 0:2-Satzrückstand noch zwei Matchbälle seines Rivalen im vierten Satz konnten den Schweizer letztlich stoppen, der um zwanzig Minuten vor Mitternacht mit einem 4:6, 3:6, 6:4, 7:5, 6:2-Sieg über die Ziellinie und ins US Open-Halbfinale ging.

Die Hände zum Himmel gereckt, brüllte sich Federer nach dem sensationellen Comeback mit einem wilden, markerschütternden «Yeees»-Schrei die Anspannung aus dem Leib. «Zwischendurch dachte ich: Das war’s für mich, gleich ist Feierabend», sagte er später,«doch ich gebe nie, nie, niemals auf.»



Sep 4, 2014; New York, NY, USA; Roger Federer (SUI) celebrates after recording match point against Gael Monfils (FRA) on day eleven of the 2014 U.S. Open tennis tournament at USTA Billie Jean King National Tennis Center. Mandatory Credit: Robert Deutsch-U

Die Befreiung nach einem hart erkämpften Spiel: Roger Federer nach Matchball. (Bild: Robert Deutsch)

Und was einst mit Andy Murrays Verpflichtung des grimmigen Ivan Lendl begonnen hatte, die Beratung der Stars von heute durch namhafte Altmeister, das erlebte bei diesen US Open des Jahres 2014 nun einen denkwürdigen und erfolgreichen Höhepunkt – denn bei allen vier Halbfinalisten des Herrenwettbewerbs wirken prominente Szenefiguren von einst einflussreich im Hintergrund.

Stefan Edberg beim fünfmaligen US Open-Sieger Federer, Boris Becker beim bisher einmal im Big Apple erfolgreichen Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic, Goran Ivanisevic beim kroatischen Ballermann Marin Cilic und schliesslich Michael Chang bei Japans Topstar Kei Nishikori.

Satzrückstand gutes Omen für Federer

Federer kontra Cilic, Djokovic gegen Nishikori – es wird an diesem Samstag auch ein Duell der Trainer-Köpfe, der Strategen, die angestellt wurden, um die letzten paar Extraprozent für die grossen Siege und Trophäen herauszukitzeln. «Mich beruhigt einfach, dass jemand wie Stefan bei mir im Camp sitzt. Es ist eine grossartige Erfahrung, mit ihm zusammenzuarbeiten», sagte Federer, der in der Partie gegen Spektakelmacher Monfils zum neunten Mal in seiner grossartigen Laufbahn einen 0:2-Satzrückstand noch umbog. Als es ihm zum achten Mal gelang, 2012 in Wimbledon gegen den Franzosen Julien Benneteau, gewann er anschliessend die Grand Slam-Feierlichkeiten. Ein gutes Omen?

In jedem Fall bleibt bewundernswert, wie Federer nach anderthalb Jahrzehnten und über 1200 Profispielen noch immer diese Willensakte auf die Centre Courts zaubert – doch 17 Grand Slam-Titel gewinnt nur einer, der auch das aussergewöhnliche Verlangen eines Champions hat. Den Drang, immer weiter und weiter zu siegen. Federers früherer Trainer Tony Roche wurde einmal gefragt, wie sich sein Schützling nach so vielen Grand Slam-Siegen noch motivieren könne. Roche lachte, sagte dann: «Jeder Sieg macht ihn nur noch hungriger. Einer wie er will immer mehr.»

Roger Federer – «The King»



Gael Monfils of France stretches to try and make a return in the fourth set to Roger Federer of Switzerland during their quarter-final men's singles match at the 2014 U.S. Open tennis tournament in New York, September 4, 2014. REUTERS/Adam Hunger (UNITED

Gael Monfils war kein einfacher Gegner für Roger Federer, er dominierte über lange Zeit das Spiel. (Bild: ADAM HUNGER)

Und wie sich diese Mentalität auch bei Federers sage und schreibe 60. Grand Slam-Turnier in Serie konkret offenbart, erlebte am Ende des elften Wettbewerbstages schmerzlichst Monfils, der zirkusreife Gallier. Lange Zeit war er der Chef im Ring, hatte Federer dicht am Grand Slam-Knockout bei den beiden Matchbällen, doch Federer zeigte Nehmerqualitäten, kämpfte sich auf die ganz harte Tour zurück – und wurde schliesslich mit seinem neunten Halbfinal-Vorstoss in New York belohnt.

Als alles vorbei unter den Flutlichtstrahlern des grössten Tennisstadions der Welt, blendete der US-Sender ESPN nüchtern nur zwei Worte zum Bild des erschöpften, glücklichen Siegers Federer ein: «The King». Der König.

So viel Spannung wie lange nicht mehr am «Super Saturday»

Zwei Spieler aus der Elitegruppe der Fabelhaften Vier (Djokovic, Federer), zwei Herausforderer, die spät, aber vielleicht nicht zu spät beginnen, ihre grossen Potenziale auszuspielen (Nishikori, Cilic) – da verspricht der «Super Saturday» so viel Spannung und Nervenkitzel wie lange nicht mehr. Mit dem Zusatzreiz, dass jene, die in den 80er und 90er Jahren noch selbst über die harten Betoncourts wetzten, mittendrin sind im grossen Spiel. Und nicht nur dabei, als TV-Plauderer oder Ehrengast.

«Es wird ein richtiges All Star-Match auf den Tribünen», sagt Federer, der mit Edberg an seiner Seite in Wimbledon «Beckovic» unterlag, dem Duo Becker und Djokovic. Becker würde diesen Erfolg sicher gern in New York wiederholen, zu einem günstigen, leicht sentimentalen Moment. Denn vor 25 Jahren siegte er selbst zum ersten und einzigen Mal bei den US Open – gegen Ivan Lendl.

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