Adieu Lässigkeit

Das war ganz anders gedacht: Roger Federer verliert in Hamburg sein Halbfinal gegen einen Qualifikanten. In Gstaad soll nun alles besser werden. Einmal mehr.

Das wars in Hamburg. Roger Federer verliert seinen Halbfinal gegen den Qualifikanten Federico Delboni. (Bild: Keystone)

Das war ganz anders gedacht: Roger Federer verliert in Hamburg sein Halbfinal gegen einen Qualifikanten. In Gstaad soll nun alles besser werden. Einmal mehr.

Eigentlich hatte Federico Delbonis an diesem Wochende ganz andere Pläne. Der 22-jährige Argentinier, der in der Weltrangliste auf Platz 114 geführt wird, sollte am Freitag in der Tennis-Bundesliga als wichtiger Punktelieferant für den Bremerhavener TV gegen den TC Blau-Weiss Halle aufschlagen.

Doch in Bremerhaven kam Delbonis nie an, dafür aber inzwischen anderswo ganz gross raus: Bei einem fast sensationellen Siegeslauf am Hamburger Rothenbaum lässt sich der junge Mann mit dem harten Punch scheinbar von nichts und niemandem stoppen, nicht von spanischen Granden wie Tommy Robredo und Fernando Verdasco in Achtel- und Viertelfinale.

Und, Höhepunkt seiner Erfolgsserie, auch nicht vom grossen Roger Federer in der Vorschlussrunde, im Halbfinal-Krimi vor vollbesetzten Centre Court-Rängen. «Ich weiss gar nicht, was ich dazu sagen soll. Das ist so überwältigend», sagte nach dem 7:6 (9:7), 7:6 (7:4)-Sieg der krasse Aussenseiter, den schon auf dem Spiel-Platz die Tränen der Rührung übermannt hatten, «das ist der bisher grösste Tag meiner Karriere.»

Zwei Partyschrecks

Während ganz Hamburg und viele in der Tenniswelt einem spektakulären Endspiel zwischen den Freunden Federer und Tommy Haas entgegengefiebert hatten, kommt es nun zu einem Titelkampf zwischen zwei Partyschrecks: Zum einen Delbonis, der Gaucho mit den guten Nerven und der Furchtlosigkeit vor grossen Namen. Und zum anderen Fabio Fognini, so etwas wie der «Mann der Stunde» in dieser Tennis-Sommerperiode nach Wimbledon.

Nachdem der Italiener schon vergangenes Wochenende zum grossen Schlag am Weissenhof in Stuttgart ausgeholt hatte und mit Auto- und Geldprämie abgereist war, besitzt er nun als zweiter Finalist in Hamburg die Chance zum Doppelschlag in deutschen Tennis-Sandkästen. Ähnlich selbstbewusst und energiegeladen wie tags zuvor gegen Lokalmatador Haas im Viertelfinale zeigte sich Fognini auch beim 6:4, 7:6 (7:1)-Halbfinalsieg gegen den Spanier Nicolas Almagro.

Federer wurde dominiert

Federer, der am späten Freitagabend noch mit viel Müh und Not den unkonventionellen Deutschen Florian Mayer ausgeschaltet hatte, war gegen Delbonis keineswegs der unglückliche Verlierer – trotz der spannungsgeladenen Entscheidungsfindung in zwei Tiebreaks. Der Argentinier dominierte die Partie über weite Strecken ziemlich offensichtlich, war bei nahezu jedem Aufschlagspiel des Eidgenossen an einem Break dran und und behielt auch in der hitzigen Schlussphase, als viele an einen nervlichen Einbruch glaubten, kühlen Kopf.

«Man muss sagen, dass er das ausgezeichnet zu Ende gespielt hat. Er hat sich im Vergleich zu dem Match gegen Verdascon noch einmal klar gesteigert», sagte Federer.

Er selbst, der gescheiterte Topgesetzte, verliess den Schauplatz Rothenbaum mit gespaltenen Gefühlen: «Insgesamt habe ich nicht so gespielt, wie ich mir das gewünscht hätte. Aber immerhin kamen noch drei Siege raus, die nach dem Ergebnis in Wimbledon nicht unwichtig waren für die Moral», gab Federer in seiner eilig nach der Niederlage abgehaltenen Pressekonferenz zu Protokoll. Nun müsse er klar nach vorne schauen, zum Turnierstart in Gstaad, «und schauen, dass ich dort eine Runde weiterkomme, ins Finale.»

Ein grimmiger Schwerstarbeiter

Auch in diesem Halbfinale hatte Federer so seine Schwierigkeiten mit dem neuen, grösseren, zuweilen noch unberechenbaren Racket die nötige handwerkliche Konstanz zu gewinnen. Nach Leichtigkeit und Lässigkeit sah nichts in seinem Spiel auf, eher wie ein grimmiger Schwerstarbeiter verrichtete Federer seine Aufgabe in der Gluthitze – und im roten Sand, den er als Spielplattform ja eigentlich selbst mit dem Auftritt bei den French Open hinter sich gelassen zu haben glaubte.

Die schnelleren Bedingungen an diesem Halbfinalsamstag konnte Federer nicht für sich nutzen, oft bot sich das paradoxe Bild, dass der jenseits der Top 100 klassierte Argentinier praktisch aus dem Stand mit hohem Druck die Bälle verteilte, während Federer von links nach rechts und wieder zurück ächzte, um Punkte sammeln zu können. «Ich kam einfach oft nicht aus der Defensive heraus, musste oft wieder hinter der Grundlinie stehen», sagte Federer, «seine Topspinbälle waren schon sehr gefährlich.»

Ohne Überzeugung gegen die Nummer 114

Federer konnte auch seine zwischenzeitlich leichten Vorteile in beiden Sätzen nicht verwerten. Im ersten Satz hatte er einen 2:1-Breakvorsprung und führte auch im Tiebreak mit 4:2. Im zweiten Satz lag er permanent in Front, hatte Breakbälle zum 5:3 und konnte trotz zweier Doppelfehler des Argentiniers das Spiel zum 7:5 nicht gewinnen.

Für Federer war am Ende auch ein bisschen der Platz am Rothenbaum schuld: «Ich wollte mir manchmal ein Herz fassen und aggressiv nach vorne gehen, aber dann sind so oft Bälle versprungen, dass ich dann eher reserviert blieb», sagte Federer, «da fehlte mir einfach die letzte Überzeugung.» Das war nicht zu übersehen. Auch nicht gegen die Nummer 114 der Welt.

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