Armstrong, der aalglatte Politfuchs

Nur zugeben was längst bewiesen ist, und sich selbst als Opfer des Systems darstellen. So hat Lance Armstrong versucht, sich im durchgestylten Interview in ein besseres Licht zu rücken. Wer darauf hereinfällt, hatte noch nie mit Politikern zu tun.

FILE - In this July 6, 2010, file photo, Lance Armstrong rides in a cloud of dust on a cobblestone section during the third stage of the Tour de France cycling race over 213 kilometers (132.4 miles) with start in Wanze, Belgium, and finish in Arenberg, Fr (Bild: AP Photo/Fred Mons)

Nur zugeben was längst bewiesen ist, und sich selbst als Opfer des Systems darstellen. So hat Lance Armstrong versucht, sich im durchgestylten Interview in ein besseres Licht zu rücken. Wer darauf hereinfällt, hatte noch nie mit Politikern zu tun.

Gedopt? «Yes!» EPO? «Yes!» Eigenblut-Transfusionen? «Yes!» Testosteron? «Yes!» Hätten Sie die Tour de France sieben Mal ohne Doping gewonnen? «No!»

Mit diesen überraschend klar beantworteten Ja-oder-Nein-Fragen startete Oprah Winfrey fulminant in ihr gross angekündigtes Geständnis-Interview mit Rad- und Doping-Profi Lance Armstrong. Dann räumte der US-Amerikaner sogar noch ein, seine beispiellose Karriere sei «eine grosse Lüge» gewesen. «Eine perfekte Geschichte, die nicht wahr war.» Und er klagte: «Für die meisten Leute kommt mein Geständnis wohl zu spät.» Er müsse sich für den Rest seines Lebens entschuldigen.

Da musste ihm doch jeder zustimmen: Recht hat er! Offen ist er! Und doch wurde seine Taktik schnell klar: Er hat die Tour de France, die er sieben Mal mit Lügen, Tricks und Doping gewinnen konnte, total abgeschrieben. Wie auch nicht? Überführt ist er da ohnehin längst, und die sieben Titel ist er definitiv los. Da kann er gratis aus dem Vollen schöpfen, kann in punkto Tour alles zugeben.

Aber nicht, ohne alle anderen, die ebenfalls mitgefahren sind, ebenfalls mit reinzuziehen. Doping sei damals «eine Kultur gewesen» und er «ein Teil davon». Er habe diese Kultur «nicht begonnen», sie aber auch nicht gestoppt.

«Tat es jeder?» fragte Winfrey. Armstrong zunächst: «Ich weiss es nicht.» Dann aber doch wieder: Von den 200 Teilnehmern hätte man wohl «schon etwa fünf finden können, die nicht gedopt haben». Und: Er habe nichts genommen, was andere nicht auch nahmen. Will sagen: Ich habe zwar gedopt, weil es aber alle anderen auch taten, habe ich sie nicht betrogen. Also bin ich doch der Beste. Ausserdem habe er nie Leute in seinem Team zum Doping angehalten. Zumindest dazu gibt es von seinen ehemaligen Teamgefährten dezidiert andere Darstellungen.

Tricks wie Guttenberg oder Hildebrand

Armstrong versuchte, seine Doping-Tätigkeit zeitlich eng einzugrenzen. Nach 2005, als er die Tour zum siebten Mal gedopt gewann, habe er nie mehr unerlaubte Substanzen genommen, behauptete er.

Er versuchte sich damit an einer Verteidigungsstrategie mit drei Säulen:

  • Nur zugeben, was ohnehin schon bekannt und bewiesen ist.
  • Dies nur rund um die Tour de France, bei der er nur einer von Vielen gewesen sei.
  • Seine Doping-Vergehen so weit in der Vergangenheit ansiedeln, wie dies nur möglich ist.

Diese Tricks wenden fast alle ertappten Politiker nach Skandalen immer wieder an: Von US-Präsident Richard Nixon über den gestrauchelten deutschen Verteidigungsminister Theodor von und zu Guttenberg bis zum ehemaligen Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand. Der scheinbar «reine Tisch» mit Gratis-Geständnissen zu längst Bewiesenem ist auch da eine beliebte Masche.

Handzahme Winfrey, geschönte Realität

Darüber hinaus gab es von Armstrong nichts, was nicht längst bekannt wäre: Winfrey liess zwar immer wieder Szenen mit Armstrongs Lügen einspielen. Und doch gab sich die US-Talkshowqueen sehr handzahm. Und je länger das Gespräch dauerte, desto mehr verfestigte sich der Eindruck einer durchgestylten, arrangierten Show. So wurden die Beschimpfungen und Drohungen, mit denen Armstrong Kritiker und Kritikerinnen stets fertig machte, gar nicht zitiert.

Dort, wo es wirklich spannend wurde, wich Armstrong ohnehin oft aus: «Ich will da keine Namen nennen.» Sogar den längst überführten italienischen Doping-Arzt Michele Ferrari («Dottore EPO») versuchte er zu decken: «Ein guter Mann.»

Den Welt-Veloverband UCI habe er mit seinen «Spenden» sicher nicht kaufen wollen: «Die kamen ja zu mir.» Und immer wieder kneifte Armstrong: «Ich rede nicht über andere Leute.» Noch steht der zweite Teil des Geständnisses aus. Die Hoffnung, dass Armstrong dabei wirklich reinen Tisch macht, ist nach Teil eins auf ein Minimum gesunken.

Aufstieg und Fall des Lance Armstrong auf der interaktiven Zeitachse.

Aufstieg und Fall des Lance Armstrong auf der interaktiven Zeitachse.

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