Highbury – das war für viele Fussballfans, gerade auch aus der Schweiz, ein Sehnsuchtsort. Ein Stadion voller Mythen, ein Verein mit praller Geschichte. Nun erwartet Arsenal am Mittwoch den FC Basel in London – im Emirates Stadium, das 2006 eröffnet wurde und nur zwei Torwartabschläge entfernt von der alten Spielstätte liegt.
Nur zwei Torwart-Abschläge voneinander entfernt: Unten das Highbury, das in eine Wohnanlage verwandelt wurde, mit der denkmalgeschützten Fassade des alten Stadions. Oben das 2006 eröffnete Emirates.
(Bild: Stuart MacFarlane/Getty Images)Londoner Nebel: Am Abend des 17. Oktober 1951 entstand diese Aufnahme im Highbury, wo 62'000 Zuschauer ein Freundschaftsspiel zwischen Arsenal und den Glasgow Rangers sahen.
(Bild: Arsenal FC)Clock End: Die berühmte Tribüne des altehrwürdigen Highbury.
(Bild: Getty Images/Popperfoto)Zwischen 1913 und 2006 die Heimspielstätte des Arsenal FC: Highbury Stadium, hier beim Premiership-Spiel Arsenal gegen Middlesbrough im August 1955.
(Bild: Bob Thomas/Getty Images)7. Mai 2006: Die Fans verlassen nach dem letzten Spiel in Highbury – einem 6:3 gegen Wigan – das Stadion, in dem Arsenal 93 Jahre lang spielte. Die denkmalgeschützte Fassade blieb erhalten, dahinter entstand eine Wohnanlage.
(Bild: Daniel Berehulak/Getty Images)Hochmodern, von einer kühlen Architektur bestimmt, die die Belüftung des Rasens fördern soll: Das 2006 eröffnete Emirates, in dem 60'000 Zuschauer Platz haben, ein Drittel mehr als im alten Highbury.
(Bild: David Price/Getty Images)Das Emirates bespielt: Am Samstag vor dem Besuch des FC Basel schlägt Arsenal den Stadtrivalen Chelsea glanzvoll mit 3:0.
(Bild: Reuters/John Sibley)Plätzchen an der Eckfahne gefällig? 500’000 Pfund kostet eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit 54 Quadratmetern im Highbury Stadium Square, der Wohnanlage auf dem Gelände der ehemaligen Arsenal-Spielstätte im Nordosten der Hauptstadt. Die Gunners haben unter anderem mit der Bebauung des alten, zwischen vier viktorianische Häuserzeilen eingepferchten Areals die Errichtung des Emirates Stadium zwei Ecken weiter finanziert.
Vom Mythos Highbury sind heute immerhin noch zwei denkmalgeschützte Tribünen, die Büste von Trainer-Legende Herbert Chapman (Meister 1931 und 1933) sowie die berühmten Marble Halls übrig geblieben – jene marmorne Art-Deco-Eingangshalle, die Arsenal auf der Insel zum Inbegriff der Noblesse, Eleganz und Respektabilität machte.
The past… and the present#WeAreArsenal pic.twitter.com/vTrpcnUNGD
— Arsenal FC (@Arsenal) 24. September 2016
Chapman hatte sehr früh ein Gespür für Marketing und Event-Gastronomie: Der Verein regte die Umbenennung der nahegelegenen U-Bahn-Station in «Arsenal» an, worüber sich gegnerische Fans heute noch aufregen können. Und er stattete das Stadion mit einer Cocktail-Bar aus, in der die damalige Prominenz verkehrte. 1939 diente die Spielstätte als Kulisse des Filmes «The Arsenal Stadium Mystery», ein Schwarz-Weiss-Krimi, der sich um einen Mord auf dem Fussballfeld dreht.
» Wen es interessiert: Hier gibt es den Film in voller Länge
Mysteriöse Episoden aus der Urzeit von Highbury
Ein höchst mysteriöser Fall, das nur nebenbei, war auch der Aufstieg der Kanoniere in die erste englische Liga, die First Division, im Jahre 1919. Arsenal war in der letzten Spielzeit vor Kriegsende (1914/15) auf Platz fünf in der zweiten Liga gelandet, wurde aber an Stelle der besser platzierten Lokalrivalen von Tottenham Hotspur (Platz zwei in der Abschlusstabelle) ins Oberhaus aufgenommen.
Selbst die offizielle Website von Arsenal deutet an, dass Vereinsbesitzer Sir Henry Norris den Ligachef John McKenna wohl mit unlauteren Mitteln überzeugte, Arsenal den Vorzug zu gewähren. Die Spurs, vom Umzug der Gunners vom südlichen Stadtteil Woolwich in den Norden der Stadt im Jahre 1913 bereits arg genervt, wurden in der Folge dieser unverschämten Räuberei zu Todfeinden.
Das Emirates – Fluch und Segen zugleich
Das Emirates, ein gräuliches Raumschiff, das gleich hinter der belebten Holloway Road auf einer früheren Mülldeponie gelandet ist, war für Arsenal in den vergangenen zehn Jahren Fluch und Segen zu gleich. Mehr als 400 Millionen Pfund hat der 2006 fertiggestellte Bau verschlungen, die Zuschauerkapazität wurde gegenüber Highbury um mehr als ein Drittel auf 61’000 erweitert.
» Das Highbury bei Wikipedia
» Das Emirates auf der Webseite von Arsenal
» Noch mehr Bilder des Emirates
Kein Club in Europa verdient mehr an Spieltagen: mit Tausenden von Logen- und Ehrenplätzen sowie Jahreskarten, die im billigsten Fall 1014 Pfund kosten (Rekord in der Premier League; umgerechnet sind das circa 1270 Franken) setzte Arsenal 2014/15 pro Match im Schnitt 3,9 Millionen Pfund um.
Der Reibach geht auf Kosten der Stimmung. Im Vergleich zum mäuschenstillen Emirates, wo gerade an Champions-League-Abenden oft nur die Fans der Auswärtsmannschaft zu hören sind, war das als «library» (Bibliothek) verspottete Highbury der reinste Hexenkessel. Heute schaut man sich vor dem Stadionbesuch ausserdem besser die fünfseitige Hausordnung mit ihren peniblen Vorgaben an.
Noch hat sich das neue Stadion nicht ausgezahlt
Auch rein sportlich hat sich der Umzug noch nicht ausgezahlt. Um die Re-Finanzierung zu gewährleisten, musste sich Wenger nach dem Gewinn der vorerst letzten Meisterschaft 2004 auf dem Transfermarkt einschränken. Da zeitgleich Chelsea und Manchester City als Milliardärsvereine mit quasi grenzenlosen Möglichkeiten emporkamen, fiel der Verein in der Liga zurück.
«Wir mussten viel leiden», hat Wenger zugegeben. Und Mit-Eigentümer Alischer Usmanow glaubt: «Der Umzug hat Arsène zehn Jahre seiner Karriere gekostet.» Genügend Geld ist mittlerweile wieder da, der Elsässer gibt es jedoch nur höchst ungern aus.
Wengers Sturheit, die kalte, ganz auf gute Belüftung für den (mit Kunstfasern verstärkten) Naturrasen ausgerichtete Architektur sowie die relative Erfolglosigkeit sorgen dafür, dass sich die Fans im Emirates weiterhin nicht ganz heimisch fühlen.