Aufwärts in der ­Nahrungskette

Der FC Basel etabliert sich als Drehscheibe für Hochbegabte und stösst mit dem Rekordtransfer von Mohamed Salah zu Chelsea in neue Dimensionen vor. Damit ist das strukturelle Defizit für 2014 schon erledigt, und mit den erneut rekordhohen Zahlen für 2013 mehrt der Club sein Eigenkapital weiter.

Basel's Mohamed Ghaly Salah cheers after scoring during the Super League soccer match between FC Basel 1893 and FC Lausanne-Sport at the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Saturday, August 18, 2012. (KEYSTONE/Georgios Kefalas) (Bild: KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Der FC Basel etabliert sich als Drehscheibe für Hochbegabte und stösst mit dem Rekordtransfer von Mohamed Salah zu Chelsea in neue Dimensionen vor. Damit ist das strukturelle Defizit für 2014 schon erledigt, und mit den erneut rekordhohen Zahlen für 2013 mehrt der Club sein Eigenkapital weiter.

Mohamed Salah ist weg. Aber er wird in Erinnerung bleiben, nicht nur beim FC Basel. Mit seinen spektakulären Antritten. Mit seinen vergebenen Chancen. Mit seinen Toren. Als kleiner Fussball-Pharao und grosser Star in Ägypten mit dem Hang zur Diva. Die Profis der Super League ­haben ihn zu ihrem Besten gewählt, die Schweizer Trainer und Journalisten auch und das Publikum ebenso.

Man muss es sich noch einmal in Erinnerung rufen, woher Salah im Frühling 2012 kam. Aus einem Land, in dem der international wenig beachtete Fussball darniederlag, die Meisterschaft sistiert war nach dem Unglück von Port Said und dem politischen Umbruch. 18 Monate später holt Chelsea den 21-Jährigen. «Es ist ein Fussballmärchen», sagt Georg Heitz.

Und das grandioseste Geschäft in der Schweizer Transfergeschichte.

Präsident würdigt die Arbeit seines Sportdirektors

FCB-Präsident Bernhard Heusler hat nach dem Salah-Transfer seinem Sportdirektor ein Kränzchen geflochten. Man dürfe auch mal sagen, «dass das eine unglaubliche Arbeit von ­Georg Heitz war». Beim FCB, wo sonst eher das «wir» und in Transferangelegenheit die «Technische Kommission» gepflegt wird, ist derlei Würdigung schon nicht selbstverständlich.

Man darf dem seit 2008 für den FCB tätigen Ex-Journalisten Heitz ­attestieren, dass er mit Gespür und Beharrlichkeit auch noch bei ein paar anderen Transfers zur Mehrung beigetragen hat: Samuel Inkoom (Dnipro Dnipropetrowsk) und Aleksandar Dragovic (Dynamo Kiew) wurden für das rund Zehnfache dessen verkauft, was der FCB bei ihrer Verpflichtung eingesetzt hat.

Mohamed Salah aber ist das Prunkstück. Der Spieler, bei dem sich Heitz damals in Kairo beim Feilschen um die Ablösesumme anhören durfte: «Wenn Sie einen Rolls-Royce haben wollen, müssen sie auch einen Rolls-Royce bezahlen.» Gegen drei Millionen Franken musste der FCB für Salah bringen. Den Satz aber hat sich Heitz gemerkt und in den Verhandlungen mit den Engländern en passant fallen lassen.

Wobei: Es war eine Art von Entschlossenheit, mit der die Londoner an den Deal gingen, die beim FCB Eindruck hinterliess. Das Angebot ­natürlich auch. Umgerechnet um die 20 Millionen Franken sind es, die Chelsea die Auslösung Salahs aus ­seinem Vertrag beim FCB wert war.

Der FCB bleibt beim Umsatz in Rekord-Dimensionen

Unter den Menschen, die der Transfer von Mohamed Salah zum Chelsea FC glücklich macht, ist auch Stephan Werthmüller.

Stephan Werthmueller wird als neuer Verwaltungsrat und Finanzchef des FC Basel 1893 vorgestellt an einer Pressekonferenz des FC Basel im Hotel Swissotel Le Plaza in Basel am Montag, 30. April 2012. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Stephan Werthmüller, Finanzchef des FC Basel. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Der Finanzchef des FC Basel wacht jeweils am Neujahrsmorgen mit einem Loch in der Kasse auf. Zehn Millionen Franken fehlen dem Club zu Beginn des Rechnungsjahres in der Kalkulation von Einnahmen und Ausgaben. Das sogenannte strukturelle Defizit, mit dem der Club seit Jahren umzugehen hat, bedeutet: Der Apparat verschlingt mehr, als er einnimmt. Es sei denn, es kommen nennenswerte Sondereffekte wie Europacup- oder Transfereinnahmen hinzu.

Früher stellte Ehrenpräsidentin Gigi Oeri Netz und doppelten Boden zur Verfügung. Nun ist es eine Mischung aus umsichtigem Wirtschaften, sportlichem und damit auch finanziellem Erfolg, einer immer professionelleren Organisation, und ein bisschen Glück kommt auch noch dazu.

Oder wie soll man es nennen, wenn der FCB seit November vom Interesse des Liverpool FC weiss, der aber nicht die Offerte für Mohamed Salah macht, die man sich im St.-Jakob-Park aus­gemalt hat. Und dann ist es wie im ­wildesten Traum, setzt sich der Chelsea FC über Nacht auf die Überholspur und macht das Rennen um den flinken Ägypter innert 24 Stunden.

Und schon war Salah weg und bei einer der schillerndsten Adressen im Weltfussball sowie bei einem charismatischen Trainer gelandet. Er wird in London so viel Geld verdienen, dass er sich davon daheim eine Pyramide kaufen kann.

Bernhard Heusler: «Dass du einen Spieler zu Chelsea bringen kannst, das löst weltweit etwas aus.»

Nur 18 Monate spielte Salah in Rotblau, das mag man bedauern, für den FC Basel jedoch bedeutet dieser Transfer eine neue Wegmarke. Er hat im Spielermarkt jenen Aufstieg nachvollzogen, den die Mannschaft sportlich mit den Erfolgen im Europacup geleistet hat. Früher, sagt Bernhard Heusler, sei es so gewesen: «Mittelgrosse europäische Vereine haben Spieler aus der Schweiz verpflichtet. Und die Grossen haben sich dann bei den Mittelgrossen bedient.»

In dieser Nahrungskette hat der FCB eine Stufe nach oben erklommen. Für den Club ist Salahs Wechsel aber nicht nur aus finanziellen Gründen Gold wert. «Dass du einen Spieler zu Chelsea bringen kannst, das löst weltweit etwas aus», ist Heusler überzeugt. «Wenn Spieler sehen, dass der FC Basel das Sprungbrett zu einem der grössten Vereine der Welt sein kann, dann bewegt das einiges.»

Gladbach hat schon beim FCB wegen Sommer vorgesprochen

Hat Salah mit Chelsea Erfolg, verdient der FCB mit

Über die Summe, die der Chelsea FC für Mohamed Salah an den FC Basel überweist, ist Stillschweigen vereinbart worden. Die geschätzten 20 Millionen Franken dürften der richtigen Zahl jedoch nahe kommen.

Die Transfervereinbarung enthält variable Klauseln. Sollte Salah in London sportliche Erfolge feiern, dann wird der FCB mitverdienen. So, wie er es beim Transfer von Xherdan Shaqiri zum FC Bayern München gemacht hat.

Im schlechtesten Fall wird der FCB für Salah rund 18 Millionen Franken erhalten. Schlägt er bei Chelsea voll ein, dann dürften die Basler Einnahmen sogar auf über 23 Millionen Franken steigen. (fra)

Und Stephan Werthmüller ist mit seiner Buchhaltung für 2014 bereits fein raus, bevor der erste Monat zu Ende ist. «Das ist natürlich der Idealfall», sagt der FCB-Kassier. So war es auch Anfang 2012, als der Shaqiri-Wechsel zu den Bayern bereits im ­Januar in trockene Tücher gebracht wurde. Zudem ging im Sommer ein zweites Eigengewächs, Granit Xhaka, zu Borussia Mönchengladbach.

Unter dem Strich resultierte der Rekordumsatz von 80 Millionen Franken, und mit dem Rekordgewinn von 15 Millionen wuchs das Eigenkapital auf 32 Millionen Franken an. Und das in einem Jahr ohne Einnahmen aus der Champions-League-Gruppenphase.

Für 2013 hat Werthmüller das Zahlenwerk bereits wieder zusammen. Die Lizenzierungsabteilung der Liga drängelt. Es ist wieder ein Umsatz in Rekorddimensionen, ähnlich wie 2012, weil Champions-League-Geld in grös­serem Umfang floss und man fast schon vergessen hat, dass im Sommer Aleksandar Dragovic für geschätzte neun Millionen Franken an Dynamo Kiew abgegeben wurde.

Der FC Basel wird wieder Gewinn ausweisen für 2013. Wie viel, will Werthmüller erst seinem Verwaltungsrat darlegen und dann der Öffentlichkeit. Aber selbst wenn es nicht erneut 15 Millionen sein werden, so zeichnet sich ab, dass der FCB seine Eigenkapitaldecke weiter ausbaut.

Der FCB kann Sportgeschichte schreiben

Die jüngsten Vergleichszahlen verdeutlichen, wo der FCB inzwischen in der Nahrungskette steht – einmal abgesehen von den Umsatzriesen wie Real Madrid (2012/13: 636 Millionen Franken) oder Bayern München (528 Millionen). Die 237 Clubs, die diese Saison an den beiden Europacup-Wettbewerben teilnehmen, erwirtschaften nach Angaben der Uefa durchschnittlich einen Umsatz von 42 Millionen Franken.

Wird im Mai auf dem Stadtcasino-Balkon den Fans auch noch zum fünften Mal hintereinander der Meister­kübel präsentiert, dann schreibt der FCB einerseits Schweizer Sportgeschichte. Verbunden ist damit auch die direkte Champions-League-Qualifikation und abzusehen, dass die Sparbüchse für schwierigere Zeiten noch praller gefüllt wird. Das kann kaum ein europäischer Club vorweisen, abgesehen von den Bayern auch die ganz grossen nicht.

50 Millionen und mehr auf der ­hohen Kante können es beim FC Basel werden, und dabei sind noch nicht einmal Transfers der nächsten Kandidaten wie Yann Sommer oder Valentin Stocker hochgerechnet. Am Tag des Salah-Deals wurde Max Eberl an der Sankt-Jakob-Strasse gesehen, und der Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach wird nicht zum Schlussverkauf im Shoppingcenter gewesen sein, sondern beim FCB in der Personalie Sommer vorgefühlt haben.

Suchy – der neue Mann für die Abwehr

Zunächst einmal hat sich der FCB gewappnet für die Fortsetzung von Meisterschaft (am Sonntag in Lausanne) und Europa League (Ende Februar gegen Maccabi Tel Aviv). In Marek Suchy wurde von Spartak Moskau ein Spieler ausgeliehen, um die Personalnot in der Innenverteidigung zu beheben.

Auch das muss man sich vorstellen: Der FCB holt einen Spieler vom russischen Rekordmeister. Einen tschechischen Nationalspieler, der in Moskau aus den Traktanden fiel, weil er sich vergangenen Sommer mit ­einem Clubwechsel verzockte. Der aber als U20-Vizeweltmeister ein gros­ses Versprechen eingelöst hat und der mit seinen knapp 26 Jahren reiche Erfahrung im Rucksack mitbringt.

Der Salah-Effekt: Dem FCB werden High-Potentials angeboten – aber die sind auch teuer.

Von den Salah-Millionen will der FCB weiter reinvestieren, und in der Schweiz steht das Transferfenster noch bis am 15. Februar offen. Übers Knie brechen, das macht Georg Heitz deutlich, will man jedoch nichts. Der Salah-Effekt macht sich schon bemerkbar: Dem FCB werden Spieler anderer Qualität angeboten als früher, High Potentials, wie sie in der Branche inzwischen heissen.

«Das macht es finanziell schwieriger, das Angebot aber breiter», beschreibt Heitz die Situation. Unterdessen sollte die Mannschaft auch ohne das gewisse Extra eines Mohamed Salah offensiv das Zeug besitzen, sich die nationale Konkurrenz in der Liga vom Hals halten zu können.

Bei aller Basler Finanzkraft – in der Liga geht es knapp zu

Eine Konkurrenz, die wirtschaftlich zwar meilenweit vom FC Basel entfernt ist, die den Serienmeister ­allerdings in einer spannenden Kon­stellation herausfordert. Lediglich vier Punkte liegen in der Super League zwischen dem Ersten Basel und dem Fünften St. Gallen, wenn am Samstag die zweite Saisonhälfte eröffnet wird.

So knapp ging es noch nie zu, seit 2003 im Super-League-Format gespielt wird, und im Vergleich dazu verströmen andere, glamourösere Ligen geradezu Langeweile.

In der englischen Premier League liegen Manchester City (1.) und Tottenham (5.) zehn Punkte auseinander, in Frankreich trennen Paris St-Germain und Marseille 16 Punkte, und in Spanien ist Tabellenführer Barcelona vom Fünften Villareal 17 Punkte entfernt. In der Bundesliga sind es schon 19 Punkte Abstand zwischen dem entrückten Spitzen­reiter Bayern und dem Fünften Schalke und in Italien – Stand 30. Januar – sage und schreibe 23 Punkte von Tabellenführer Juventus bis Inter Mailand auf Platz 5.

Da kann man sich aus Schweizer Sicht nicht beklagen. Und aus Basler Perspektive eigentlich nur blamieren, wenn unter den Voraussetzungen der Titel verspielt würde. Mohamed Salah und all die Millionen hin und her.

Was Chelsea-Trainer José Mourinho zum Transfer von Mohamed Salah sagte im Video der Daily Mail:

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 31.01.14

Nächster Artikel