Barça und die erfolgreiche Suche nach Plan B

Für einmal sind es simple Mittel und physische Kraft, mit denen sich der FC Barcelona im Clásico mit 2:1 gegen Real Madrid durchsetzt und somit den Vorsprung auf vier Punkte ausbaut. Barça könnte zufrieden sein – wenn da nicht die happigen Strafanträge gegen die Club-Verantwortlichen wären.

Barcelona's Jeremy Mathieu, left, celebrates scoring his side's first goal with Barcelona's Luis Suarez, right, during a Spanish La Liga soccer match between FC Barcelona and Real Madrid at Camp Nou stadium, in Barcelona, Spain, Sunday, March 22, 2015. (AP Photo/Emilio Morenatti) (Bild: Keystone/EMILIO MORENATTI)

Für einmal sind es simple Mittel und physische Kraft, mit denen sich der FC Barcelona im Clásico mit 2:1 gegen Real Madrid durchsetzt und somit den Vorsprung auf vier Punkte ausbaut. Barça könnte zufrieden sein – wenn da nicht die happigen Strafanträge gegen die Club-Verantwortlichen wären.

Toni Kroos schien kaum noch geradeaus gehen zu können, als der Schiedsrichter die furiose Partie beendete. Es gab verhältnismässig wenig Streit diesmal, keine Roten Karten, Revanchetritte oder Fingerbohrer. Aber anstrengend ist es trotzdem immer, wenn der FC Barcelona und Real Madrid aufeinander losgelassen werden. Diese Paarung schafft es wirklich, nie zu enttäuschen.

Auch in der 28. von 38 Runden der Primera Division. Wieder war es rasant, wieder deliziös. Es war aber auch ironisch. Denn Kroos‘ Müdigkeit unterstrich, dass der FC Barcelona auch wegen seiner besseren Physis mit 2:1 (1:1) gewann.

Das Führungstor für den FC Barcelona durch Jeremy Mathieu:

Körper und Kondition gelten traditionell weniger als Schlüsselqualitäten der Katalanen. Besonders während der wüsten Duelle unter den Trainern Pep Guardiola und José Mourinho hatte sich in diesem ewigen Zweikampf eine Rollenverteilung zugespitzt, nach der ein filigranes Barcelona mit seinen Passstafetten und bis zu 75 Prozent Ballbesitz das Spiel dominierte, derweil Madrid voller Ingrimm verteidigte und nur zu blitzartigen Gegenattacken ausschwärmte.

Vor dieser Schablone war Barça diesmal mehr Madrid und Madrid mehr Barça. Die Verlierer zeigten über weite Strecken den besseren Fussball, die Gewinner triumphierten dank ihrer Durchschlagskraft.

Tore wie am Computer animiert

Dass auch die Durchschlagskraft bei solchen Spielern sehr kunstvoll daherkommen kann, versteht sich von selbst. Barças 1:0-Führung durch einen Kopfball von Innenverteidiger Jérémy Mathieu entsprang einer schnöden Freistossflanke – die Lionel Messi allerdings mit der Flugkurve eines computeranimierten Golfschlags in den Strafraum schickte (18.).




Barcelona feiert den Beisser: Luis Suarez, Schütze des Siegtreffers. (Bild: Reuters/PAUL HANNA)

Und das 2:1-Siegtor war ein Konter über exakt zwei Stationen, und wie Luis Suárez einen hohen Pass von Dani Alves in vollem Lauf zwischen zwei Verteidigern auf den rechten Fuss abtropfen liess, wie er den Ball mit einer extremen Fussdrehung gegen seine Laufrichtung ins lange Eck beförderte (55.) – das war «ein Tor, wie es nur einer kleinen Gruppe von Spielern möglich ist», so Trainer Luis Enrique. Ganz ohne Pathos fügte er hinzu: «Deshalb haben wir für ihn gezahlt, was wir gezahlt haben.»

Die halbe Welt hatte Barcelona ja für verrückt erklärt, als es wenige Tage nach der Hysterie um Suárez‘ WM-Biss in den Bad Guy des Weltfussballs beachtliche 80 Millionen Euro investierte. Die andere Hälfte prophezeite Rückfälle, Polemiken und einen ewigen Schatten durch die Affäre. Nichts davon ist eingetreten. Er selbst verhält sich alltäglich, die Gegenspieler auch, ein ganz normaler Spieler. Gut, ein ganz normaler Weltklassespieler – jetzt auch clásico-proofed.

Für Real wird es nun kompliziert

«Das Tor hat eine besondere Bedeutung, schon wegen des Gegners», sagte Suárez. Vier Punkte liegt Barcelona in der Tabelle nun vor Real Madrid. Auch wenn die Katalanen noch auf Atlético Madrid, Valencia und Sevilla treffen, die Nummern drei bis fünf der Liga, womöglich schon eine kleine Vorentscheidung im Titelkampf.

«Das Resultat trifft uns, die Meisterschaft wird jetzt kompliziert», sagte Real-Trainer Carlo Ancelotti. Gerade er durfte sich trotzdem auch ein bisschen als Gewinner fühlen. Wo sich Suárez längst nicht mehr rehabilitieren muss, gelang just dies seiner Elf.

Nach Wochen voller Krisensitzungen und Durchhalteparolen, nach kollektiven Blackouts wie beim 0:4 im letzten Stadtderby gegen Atlético oder dem 3:4 gegen Schalke vor zehn Tagen stand ja schon die Frage im Raum, wo und warum die Rekordelf des Herbstes – 22 Siege in Folge – untergegangen war.

Die Tabelle der Primera Division:

Im Camp Nou tauchte sie wieder auf. Schon ein früher Lattentreffer von Cristiano Ronaldo nach exzellentem Angriff über Marcelo und den hinreissenden Karim Benzema hätte die Führung verdient gehabt. Die Phase zwischen beiden Barça-Toren ging dann komplett an die Madrilenen.

Ronaldos Ausgleichtor nach einem Schnellangriff über Luka Modric und einer Hackenablage von Benzema brachte sogar das Heimpublikum zum Staunen (30.). Erst als Modric, von langer Verletzung zurückgekehrt, das Drehbuch aus der Hand glitt, als Kroos nicht mehr ganz so kompromisslos die Kreise von Messi einengen konnte und unpräziser im Passspiel wurde, trumpfte Barça in der letzten halben Stunde auf.

Luis Enrique scheut die simplen Mittel nicht

So wenig die Gastgeber zuvor das Spiel kontrollierten, so sehr waren sie doch ein Werk ihres Trainers. Luis Enrique scheut die simplen Mittel des Fussballs deutlich weniger als seine Vorgänger. Der Hobbytriathlet hat seine Elf in eine spektakuläre Verfassung getrimmt und rotiert.

Der Siegtreffer für Barcelona durch Luis Suarez:

Das Verhalten bei offensiven wie defensiven Standardsituationen, früher die offenkundigste Schwäche, ist zu einer Stärke geworden. Und erstmals seit Samuel Eto’o gibt es jetzt eben wieder auch eine echte Nummer Neun. Die Integration von Suárez und die entsprechende Systemumstellung samt tieferer Rolle für Messi ist wohl die grösste Leistung des Coaches.

Jahrelang hat Barcelona einen Plan B gesucht. Momentan funktioniert er besser als der Plan A, doch wenn gerade ein Clásico gewonnen wurde, stört so etwas selbst im stilverliebten Katalonien nur die Puristen.

Happige Strafanträge des Staatsanwaltes gegen Barça-Spitze

Die sportliche Krise des Jahreswechsels ist längst beendet, aber ausserhalb des Platzes bleiben die Probleme des FC Barcelona. Wie am Montag Nachmittag bekannt wurde, fordert die Staatsanwaltschaft im Prozess wegen Steuerhinterziehung beim Neymar-Transfer hohe Strafen: Zwei Jahre und drei Monate Haft für Barcelonas Präsident Josep Maria Bartomeu, sieben Jahre und drei Monate für dessen Vorgänger Sandro Rosell sowie 22,2 Millionen Euro Geldstrafe für den Verein.

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