Basels Meister der Scheiben

Martin Jenny wäre der König der Schwimmbadwiese: 140 Meter weit schleudert er die Frisbees. Doch der Basler spielt weder im Freibad noch gewöhnliches Frisbee. Jenny ist Discgolfer, einer der besten der Schweiz. Und wünscht sich einen Parcours für Basel, am liebsten im Wenkenpark.

Wollen dem jungen Sport in Basel auf die Sprünge helfen: Frisbee-Golfer Martin Jenny und Samuel Baumgartner. (Bild: Stefan Bohrer)

Martin Jenny wäre der König der Schwimmbadwiese: 140 Meter weit schleudert er die Frisbees. Doch der Basler spielt weder im Freibad noch gewöhnliches Frisbee. Jenny ist Discgolfer, einer der besten der Schweiz. Und wünscht sich einen Parcours für Basel, am liebsten im Wenkenpark.

Martin Jenny nimmt Anlauf, drei, vier Schritte, dreht den Oberkörper zurück, lässt ihn wieder nach vorne schnellen und schleudert die Frisbee aus der Hand. Die Scheibe steigt langsam an, zieht gemächlich nach rechts, dann kurz nach links und fällt nach 120 Metern auf den Boden, neben das Footballtor auf der Pruntrutermatte im Gundeli. Der grösste Fehler, den die wenigen Jogger nun machen könnten: die Scheibe aufheben oder gar zurückwerfen.

Jenny (41) ist Discgolfer im Basler Verein Merry Chains und einer der besten der Schweiz. Das Spiel, der Name verrät es schon, ist eine Mischung aus Golf und Frisbee. Das Ziel: Vom Abwurfpunkt muss der Spieler die Scheibe mit möglichst wenigen Würfen in einem Korb versenken. Wo die Scheibe auf den Boden fällt, von dort wird weitergespielt. Doch ohne Übung fliegen Frisbees weder gerade noch dahin, wo sie sollen. «Beim Abwurf müssen der Abwurfwinkel, die Geschwindigkeit und die Rotation stimmen», sagt Jenny, Schweizer Vizemeister von 2012 und Präsident und Gründer der Merry Chains. Bei ihm scheint dies meist zu passen. Jenny hat ein Player Rating von 973. Profis haben 1000.

Der Abwurf-Rekord liegt bei 255 Metern – das sind zweieinhalb Fussballfelder

Vereinskollege Samuel Baumgartner (35) schleudert ein paar Scheiben über die Wiese, die von den Stollen der ebenfalls auf der Pruntrutermatte trainierenden Footballspieler zerfurcht ist. «Was mich fasziniert, sind die technischen Aspekte, so dass der Wurf gut gelingt», sagt er. «Und wenn die Scheibe in der Luft ist, sieht es einfach schön aus.» Manchmal bleibt viel Zeit zum Zuschauen, zum Beispiel wenn Jenny die Frisbee bis zu 140 Meter weit wirft. Der Weltrekord liegt bei 255 Metern.

Das sind Längen, wie sie auch beim Golf vorkommen. Sowieso sind die Parallelen zum richtigen Golf offensichtlich, wobei die Discgolfer an dieser Stelle bereits wegen der Bezeichnung widersprechen würden. «Wir sagen Golfen. Normales Golf nennen wir Ballgolf», sagt Baumgartner. Trotzdem: Der Abschlag heisst Drive, die Wurfanzahl, mit der ein Profi eine Bahn abschliesst, wird mit Par angegeben, Ein-Wurf-Treffer heissen Hole-In-One, es gibt Birdies, Bogeys, Drop Zonen – Begriffe aus dem Ballgolf-Fachjargon also. Die Hindernisse sind nicht Bunker oder Wasserläufe. Dafür müssen beispielsweise wenige Quadratmeter breite Schneisen im Wald getroffen werden, damit die Scheibe nicht im Unterholz verschwindet. 

Statt Schläger haben Discgolfer drei verschiedene Scheiben dabei. Eine für den Abwurf, eine für mittlere Distanzen und eine für das Putten, wie alle Würfe unter zehn Meter Entfernung vom Korb genannt werden. Die Scheiben gibt es ab acht Franken pro Stück. Die Rucksäcke von Jenny und Baumgartner sind mit mehr als einem Dutzend der bunten Wurfgeschosse vollgestopft. 

Driving Range im Gundeli: Keine optimalen Bedingungen

Auf der Pruntrutermatte stehen am Spielfeldrand einige Discgolf-Körbe. Die Anlage ist das Trainingsgelände der Merry Chains – die Driving Range der Discgolfer. Hier üben sie Abwürfe, Annäherungswürfe und Putts. Doch optimale Trainingsbedingungen sind das nicht. Basel fehlt eine Anlage mit eigens gestalteten Bahnen. «Wir suchen schon seit 15 Jahren nach einem geeigneten Areal», sagt Jenny. 



Ziel ist nicht wie beim «Ballgolf» ein Loch, sondern ein Korb. Trotz aller Unterschiede: Vom Fachjargon her verstehen sich beide Golfsportler-Typen bestens.

(Bild: Stefan Bohrer)

Obwohl es Discgolf in der Schweiz bereits seit Mitte der 1980er-Jahre gibt, konnte sich die Sportart bisher nur langsam entwickeln. Er gibt rund 200 lizenzierte Spieler und noch einmal so viele Hobbyspieler, schätzt Jenny. Laut Schweizer Disc Golf Verband existieren 20 Kurse. Zum Vergleich: In Finnland haben die laut Jenny rund 20’000 Discgolfer die Wahl zwischen 400 Anlagen. Das Scheibenwerfen ist in dem skandinavischen Land beinahe Volkssport. Auch Jenny hat dort bereits an Turnieren gespielt.

Wollen Jenny und Baumgartner einen richtigen Parcours bezwingen, müssen sie auf die wenigen Kurse in der Schweiz ausweichen. Dann geniessen sie auf dem Gurten das spektakuläre Panorama mit Blick auf die Jungfrau, besuchen einen der Plätze im Zürcher Raum oder fahren über die Grenze ins badische Lörrach. Dort, im Landschaftspark Grütt, durfte der Basler Verein einen Kurs entwerfen. 18 Bahnen, jede für sich durchdacht hinsichtlich Länge, Schwierigkeit und Design. 16 Körbe stehen schon, die restlichen beiden werden zeitnah einbetoniert. «Die Stadt Lörrach sagte uns, es wäre schön, wenn dort eine Discgolf-Szene entstünde», sagt Jenny. Der Verein organisierte bereits Veranstaltungen mit Schulen und dem Freibad. 

«Die Entwicklung von Basels Szene ist gehemmt»

So weit ist es auf der Schweizer Seite der Grenze noch nicht. «Die Entwicklung der Szene ist gehemmt, weil Basel keinen Kurs hat», sagt Jenny. Die Merry Chains zählen etwa zehn aktive Spieler, darüber hinaus gibt es in der Stadt etwa nochmals so viele. Neue Leute für den Sport zu begeistern fällt schwer. «Ohne Kurs ist es extrem schwierig», sagt Jenny. «Wir wollen den Sport ja weiterbringen und Nachwuchsarbeit leisten, aber…»

Dabei sei in Basel Potenzial vorhanden, glaubt Jenny. Das beweise auch der einst von Baumgartner und Jenny gegründete Ultimate-Frisbee-Verein Freespeed, der zu den besten Europas gehöre. Ultimate Frisbee ist die Footballversion des Scheibensports. Zwei Mannschaften müssen die Scheibe in der Endzone des Gegners unterbringen.

Bei der Suche nach einem Ort für einen Parcours gehe es nicht nur um genügend Platz, sagt Jenny. «Die wirkliche Herausforderung besteht darin, aus dem verfügbaren Gelände einen schönen und vielseitigen Kurs zu machen.» Ein Ort würde all dies erfüllen: der Riehener Wenkenpark. Dort hat der Verein im vergangenen Jahr die Schweizer Meisterschaften ausgetragen.

«Der Wenkenpark wäre perfekt», sagt Jenny. Gerne würde er dort einen einsteigerfreundlichen Kurs mit neun Bahnen installieren. Sogar einen Sponsor gebe es bereits. Die Gemeinde Riehen habe Interesse bekundet, sagt Jenny, auch mit den anderen zuständigen Institutionen gab es Gespräche. Allerdings auch Bedenken. Nun müssen die Spieler erneut Überzeugungsarbeit leisten. Und weiterhin auf ihrer Driving Range im Gundeli üben oder nach Deutschland ausweichen.

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