Katar und die Doppelmoral im Sport: Bundesligisten wie der FC Bayern München oder Schalke 04 haben kein Problem damit, ihr Trainingsquartier in Doha aufzuschlagen. Im Jahr 2015 folgt die Weltmeisterschaft im Handball, 2016 die Radsport-WM, 2019 die der Leichtathleten – und 2022 dann die WM der Fussballer.
Auf den FC Bayern München wartet der pure Luxus. Wenn die Münchner ab Freitag ihr Winter-Vorbereitungsquartier in der «Aspire Sports Academy» in Doha aufschlagen, fehlt es Trainer Pep Guardiola und seinen Stars im 760-Millionen-Euro-Komplex an nichts. Sieben Fussballplätze, diverse Sport- und Fitnesshallen, ein Schwimmzentrum und weitere hochmoderne Einrichtungen auf 290’000 Quadratmetern stehen dem Bundesliga-Spitzenreiter nebst Fünf-Sterne-Hotel zur Verfügung.
Es ist eine Art Traumwelt zwischen all diesen futuristischen Bauwerken im Westen der Hauptstadt. Zum fünften Mal gönnen sich die Bayern im Emirat Katar nun schon den Warm-up für die Rückrunde.
Katars Sportwelt: Die Aspire Academy for Sports Excellence, ein 290’000 Quadratmeter grosser Komplex mit allem, was das Herz begehrt.
Es seien die besten Voraussetzungen, wunderbare Plätze, ein perfektes Klima, schwärmt Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Dass der steinreiche Golfstaat neben den Korruptionsvorwürfen im Zuge der WM-Vergabe seit Monaten auch wegen der menschenunwürdigen Zuständen auf den WM-Baustellen in der Kritik steht, sei nicht Sache des Clubs.
«Bayern München ist nicht verantwortlich für Katar. Natürlich lesen wir auch, dass dort gewisse Dinge passieren, die uns hier in Deutschland allen nicht gefallen. Aber ich glaube, das ist eine Aufgabe der Politik und nicht die des Sports beziehungsweise des Fussballs», sagte Rummenigge jüngst dem ZDF.
Der Aufschrei hat keine Folgen
Es herrscht offensichtlich eine gewisse Doppelmoral im Sport. So gross der Aufschrei nach all den alarmierenden Berichten von Menschenrechts-Organisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International auch ist, ein Ausschlusskriterium für die Verantwortlichen im Sport ist dies keineswegs.
Die Firmen seien für die Arbeiter verantwortlich, nicht die Fifa, sagt etwa Joseph Blatter, der Präsident des umstrittenen Fussball-Weltverbandes. So gab es von Seiten der Fifa auch kein Ultimatum zur Verbesserung der Situation. Eine unabhängige Kommission soll die Zustände kontrollieren, wie auf dem Kongress im Dezember lediglich beschlossen wurde.
Dabei scheinen die Missstände inzwischen klar dokumentiert zu sein. Der Internationale Gewerkschaftsbund rechnet vor, dass bis zum WM-Anpfiff im Jahre 2022 die Anzahl der bis dahin getöteten Arbeiter höher ist als die 736 Fussballer, die bei der WM zum Einsatz kommen werden.
Das zentrale Problem ist das sogenannte Kafala-Systems, wonach ausländische Leiharbeiter ihre Pässe den Arbeitgebern aushändigen müssen und ohne deren Einwilligung das Land nicht mehr verlassen dürfen. Emir Scheich Tamim bin Hamad al-Thani verspricht Besserung, doch ernsthafte Fortschritte wurden von Experten bislang nicht registriert.
Zuschauer werden bezahlt
Der Sport begegnet der Problematik eher halbherzig. Da steht der FC Bayern, die Fifa oder der Fussball insgesamt bei weitem nicht alleine da. Mitte Januar findet erstmals die Handball-WM im milliardenschweren Öl-Emirat statt. Eine stimmungsvolle Veranstaltung wird kaum zu erwarten sein. Handball ist nicht sonderlich populär in Katar.
Aber auch dafür gibt es eine Lösung. Bei den Katar Open im Beachvolleyball wurden kurzerhand Zuschauer eingekauft, damit die Ränge nicht gar so leer sind. Mehrere tausend Fans sollen nun zum wichtigsten Handball-Turnier auf Einladung nach Katar reisen.
So stellt sich Katar gerne dar: glitzernd. Feuerwerk über der Aspire Academy for Sports Excellence.
Mit dem nötigen Kleingeld ist alles möglich – natürlich auch die Austragung der Leichtathletik-WM. So setzte sich das Wüstenland erst kürzlich gegen Barcelona bei der Vergabe der WM 2019 durch. Im Gegensatz zu den Spaniern hatte Katar ein 30 Millionen Euro teures Sponsorenpaket geschnürt und weitere Versprechungen an Leichtathletik-Entwicklungsländer gemacht.
Die Versprechen ziehen
Das reichte, um 15 der 27 Stimmen abzuschöpfen. Dass es zum Zeitpunkt der Wettbewerbe Ende September im Khalifa International Stadium immer noch Temperaturen um die 30 Grad geben wird, ist dann eher das Problem der Athleten. Einen Vorgeschmack erhalten im nächsten Jahr auch die Radsportler, wenn im Oktober die WM in der Wüste von Katar ausgetragen wird.
Und so wird Katar noch für viele Sportveranstaltungen den Zuschlag erhalten, vielleicht auch irgendwann die Olympischen Spiele. Zweimal hatte sich das Land schon vergeblich beworben. Aber auch ohne Olympia wird es aus sportlicher Sicht im nur gut zwei Millionen Einwohner zählenden Land nicht langweilig.
Neben den Bayern gibt sich seit Dienstag auch der FC Schalke in Katar die Ehre. Die Königsblauen sind zum vierten Mal in der Sport-Märchenwelt, die auch mit Hilfe deutscher Experten aufgebaut wurde. Ob die Gelsenkirchener noch einmal wiederkommen, ist unklar. Der Vertrag mit den Veranstaltern läuft aus. Den Gastgebern kann es egal sein, an interessierten Vereinen mangelt es den Katarern sicher nicht.
Wo Bundesligisten und die Super-League-Clubs trainieren | |
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Belek/Türkei | M’gladbach, FC Augsburg, Hannover 96, Paderborn, Hertha Berlin, Werder Bremen FC Zürich, Young Boys, St. Gallen, Aarau |
Side/Türkei | FC Thun, Vaduz |
Marbella/Spanien | Mainz 05 FC Basel, Grasshoppers, Luzern |
San Pedro del Pinatar/Spanien | FC Sion |
La Manga/Spanien | Borussia Dortmund |
Sotogrande/Spanien | SC Freiburg |
Lagos/Portugal | VfB Stuttgart |
Doha/Katar | Bayern München, Schalke 04 |
Abu Dhabi/VAE | Eintracht Frankfurt |
Dubai/VAE | Hamburger SV |
Kapstadt/Südafrika | VfL Wolfsburg |
Johannesburg/Südafrika | 1899 Hoffenheim |
Orlando/Florida | Bayer Leverkusen, 1. FC Köln |