Beg Ferati: Ich war fast am Verzweifeln

Letzter in der Bundesliga: Für den SC Freiburg nichts Aussergewöhnliches, für den in Basel erfolgsverwöhnten Beg Ferati schon. Nach seinem Wechsel vom FCB in den Breisgau hat der Innenverteidiger, der in diesem Jahr auch in der Schweizer Nationalmannschaft debütiert hat, schwere Zeiten erlebt. Im Interview mit der Tageswoche zieht er Zwischenbilanz.

Freiburger Tristesse: Beg Ferati (Mitte) nach der 1:4-Heimniederlage am Samstag gegen Dortmund. (Bild: Imago)

Letzter in der Bundesliga: Für den SC Freiburg nichts Aussergewöhnliches, für den in Basel erfolgsverwöhnten Beg Ferati schon. Nach seinem Wechsel vom FCB in den Breisgau hat der Innenverteidiger, der in diesem Jahr auch in der Schweizer Nationalmannschaft debütiert hat, schwer Zeiten erlebt. Im Interview mit der Tageswoche zieht er Zwischenbilanz.

Für den SC Freiburg ist es eine Situation, in der man nicht zum ersten Mal steckt: Als Tabellenletzter überwintern die Breisgauer nach der Hinserie der 1. Bundesliga und einer demoralisierenden 1:4-Niederlage im letzten Heimspiel gegen den Deutschen Meister Borussia Dortmund.

Im Schneeregen zerstob die Hoffnung auf ein Erfolgserlebnis, als die Dortmunder in einer strittigen Situation – der Linienrichter zeigte ein Offside an, der Schiedsrichter liess regelkonform weiterlaufen – kurz vor der Pause zum zweiten Mal in Führung gingen. Das Publikum ertrug die zehnte Niederlage mit Freiburg-typischer Fassung und Fatalismus. Es wehte bereits ein Hauch Zweite Liga durch das mit 24’500 Zuschauern ausverkaufte Badenova-Stadion.

Das Beispiel Freiburg zeigt: Nicht jedem Assistenztrainer, der zum Chefcoach aufsteigt, ist die gleiche Fortune beschieden. Beim Sportclub leidet Marcus Sorg mit einer Mannschaft, die gegen Dortmund bei Ballbesitz und in der Zweikampfstatistik vorne lag – aber in den entscheidenden Szenen das Nachsehen hatte.

Durchhalteparolen vom Präsidenten

Ein paar grundsätzliche Dinge haben sich in den fast 20 Jahren seit dem ersten Aufstieg in die 1. Bundesliga nicht geändert. Zum Beispiel, dass in schwierigen Zeiten nicht über den Trainer diskutiert wird. «Es ist noch nicht aller Tage Abend», sagt Präsident Fritz Keller in bester Durchhaltemanier.

Der renommierte Winzer vom Kaiserstuhl dürfte an seinem 2011er-Jahrgang mehr Freude haben als an seiner aktuellen Fussballmannschaft, spricht ihr immerhin nicht das Potenzial ab und hält sich an einem Strohhalm fest: «Vergangene Saison hatten zwei Vereine zu Weihnachten noch weniger Punkte als wir. Und die spielen immer noch erste Liga.» Das waren vor Jahresfrist Stuttgart (12 Punkte) und Mönchengladbach (10).

Auf 13 Punkte kommen die Freiburger, und mit 39 Gegentoren haben sie die löchrigste Abwehr der Liga. Gegen Dortmund feierte Beg Ferati ein Comeback nach einem nicht sehr schönen Halbjahr für ihn. Seit dem Wechsel vom FC Basel kam der 25-Jährige gegen Dortmund erst zu seinem fünften Einsatz. Im Gespräch mit der TagesWoche zieht er eine ausführliche Zwischenbilanz.

«Mit Hurrafussball geht es nicht»

Beg Ferati, wir dachten, das trifft sich gut: Die TagesWoche verirrt sich nach Freiburg im Breisgau und prompt spielen sie von Beginn an. Nach diesem Ergebnis werden Sie sich nur sehr bedingt darüber freuen können.
Wir haben es gar nicht so schlecht gespielt in der ersten Halbzeit, und wenn Anton Putsila seine Riesenchance zu Beginn reinmacht, dann sieht es ganz anders aus. Und dann bekommen wir ein merkwürdiges Tor zum 1:2. Der Linienrichter hebt die Fahne, die Mannschaft bleibt stehen, das ist, glaube ich, normal, aber der Schiedsrichter lässt weiterlaufen. Das ist dumm, so wie in den letzten Spielen schon, als wir dumme Gegentore bekommen haben.

Hat das der Mannschaft einen mentalen Knacks verpasst?
Das war schon bitter. Aber obwohl Dortmund eine Topmannschaft ist, gegen die man immer wachsam sein muss, so hatten wir das Spiel ganz gut im Griff. Das Tor war unglücklich, aber wir haben uns in der Halbzeitpause vorgenommen, noch mal Gas zu geben. Wir haben den Ball dann auch gut laufen lassen, aber vorne sind einfach zu wenig Chancen herausgekommen.

Für Sie war es erst der fünfte Einsatz, wenig für die Hoffnungen, mit denen Sie in die Bundesliga gewechselt sind.
Es war positiv, dass ich wieder mal spielen durfte. Ich habe wirklich sehr lange gewartet, und aus meiner Sicht habe ich eine ganz ordentliche Leistung gezeigt, obwohl wir vier Gegentore bekommen haben. Und ich hoffe, dass ich jetzt das Vertrauen des Trainers bekomme, dass ich endlich spielen kann. Ich habe wirklich lange Geduld gehabt, ich war zwar zwischendurch verletzt, bin aber schon wieder längere Zeit fit, und ich muss einfach spielen. Schliesslich will ich weiterkommen. Ich habe da andere Vorstellungen von mir.

39 Gegentore hat der Sportclub kassiert. Was ist denn das Problem?
Wir sind sehr offen gestanden, alle sind nach vorne gelaufen und nach hinten gab es wenig Absicherung. Da sind wir immer in Unterzahl gewesen.

Das war naiv. Deshalb haben Sie ein paar Mal die Händen verworfen?
Nein, aber wenn die Mittelfeldspieler des Gegners sich immer unbedrängt drehen und den Ball in den Rücken der Abwehr spielen können, dann hat jede Mannschaft Probleme. Ein paar Sachen müssen wir versuchen abzustellen…

…was nicht einfach werden dürfte. Mit 13 Punkten nach der ersten Saisonhälfte haben nicht viele Mannschaften den Klassenerhalt noch geschafft.
Als Letzter sieht es im Moment natürlich nicht gut aus. Gut spielen reicht heutzutage nicht. Wir bekommen einfach zu viele Tore. Wir müssten versuchen, viel länger das zu Null zu halten. Ein Tor kannst du immer machen, durch eine Standardsituation oder mit ein bisschen Glück. Aber stehen einfach viel zu offen.

Klingt so, als ob an der grundsätzlichen Systematik dieses Freiburger Mannschaft etwas geändert werden müsste.
Nein, das heisst einfach, dass man die Räume besser schliessen muss, defensiv besser stehen muss, egal gegen wen. Also das ist meine Meinung. Wir versuchen zwar Fussball zu spielen, das ist ja eigentlich gut, aber wir sind dabei zu offen. Und so reicht es nicht.

Der SC Freiburg rennt also ins Verderben…
…was man gegen Dortmund wieder gesehen hat: wie wir in die Konter gelaufen sind. Das machen die Dortmunder mit ihren technisch guten, schnellen Spielern natürlich überragend. Das war sehr bitter für uns.

Ein Satz von Ihnen hat Folgen gehabt: «Ich bin nicht nach Freiburg gekommen, um auf der Bank zu sitzen», sagten Sie vor dem ersten Spiel – und der Trainer hat Ihnen daraufhin einen Platz auf der Tribüne zugewiesen. Ist diese Angelegenheit mit dem Trainer denn geklärt?
Ich weiss es nicht. Ich finde, das war harmlos, was ich gesagt habe. Dass man wegen so etwas auf die Tribüne muss, habe ich jedenfalls noch nicht erlebt. Für mich zeigt es eher Persönlichkeit, wenn ein Spieler klar macht, dass er weiterkommen und spielen will. Aber es ist negativ aufgenommen worden, und das habe ich ehrlich gesagt nicht ganz geschnallt.

Der Effekt war aber, dass Sie zunächst mal ausser Rang und Traktanden gefallen sind.
Ich habe das wie eine Bestrafung empfunden.

Der Trainer liess erst mal schmoren, dann spielten Sie – und verletzten sich prompt schwer. Die Kniescheibe sprang ihnen heraus…
…Verletzungen gehören zum Fussball, das war einfach Pech. Aber das kehrt auch wieder. Die Einsätze gegen Hannover und Nürnberg waren, fand ich, sehr gut.

Haben Sie sich in diesen Spielen in der Rolle des Rechtsverteidiger tatsächlich wohlgefühlt?
Da gab es nicht gross etwas zu überlegen. Ich wollte spielen. Aber ich sehe meine Position schon ganz klar in der Innenverteidigung.

Sie mussten sehr lange auf eine neue Chance warten, obwohl es Ihrer Mannschaft nicht gut läuft, obwohl sie viele Gegentore kassiert.
Zeitweise war ich fast am Verzweifeln, ganz ehrlich. Und trotzdem bin ich geduldig geblieben.

Haben Sie schon mal überlegt, ob es die richtige Entscheidung war, vor einem Jahr dem SC Freiburg zuzusagen?
Damals hiess es in Freiburg, dass man auf mich setzt, dass man jemanden in der Innenverteidigung braucht. Zwischendurch habe ich dann das Gefühl gehabt, dass es eher ein Missverständnis war…

…es war ja auch noch ein anderer Trainer, Robin Dutt, der Ihnen das gesagt hat.
Genau. Das war vielleicht das Problem. In meiner Karriere war es bisher immer ein bisschen unglücklich mit den Trainer.

Weil sie sowohl unter Christian Gross als auch bei Thorsten Fink hinten anstehen mussten…
…aber ich habe mich schlussendlich immer durchgesetzt.

Sie haben ja noch zweieinhalb Jahre Vertrag.
Wir werden sehen.

Gibt es eine Ausstiegsklausel?
Nein, der gilt auch für die 2. Bundesliga.

Was muss denn passieren, dass der SC Freiburg sich noch aus dieser Situation befreit? Ein Wunder?
Im Moment sieht es nicht gut aus. Wir sind Letzter. Wir müssen ein paar Sachen ändern, wir müssen kompakter stehen, versuchen defensiver zu spielen. Mit Hurrafussball geht es nicht.

Sie pendeln täglich von Kaiseraugust in den Breisgau. Wie haben Sie denn den Fortgang beim FC Basel mitverfolgt?
Der hatte anfangs ja auch ein wenig Mühe. Aber unter dem neuen Trainer scheinen sie noch stabiler geworden zu sein, auch defensiv. Und mit dieser jungen Mannschaft in der Champions League weiterzukommen ist fantastisch. Das hat mich schon beeindruckt.

Eine Mannschaft, in der Sie Innenverteidiger spielen könnten…
Könnte ich, ja. Ich schaue immer gerne zurück, es war eine schöne Zeit beim FC Basel, und wir haben viel erreicht.

Sie bedauern es also nicht, den Schritt nach Freiburg gemacht zu haben?
Nein, man muss auch mal etwas Neues probieren und seinen Weg gehen, auch wenn der mal etwas steiniger ist. Das macht mich nur noch stärker.

Was ist das Wichtigste, was Sie in einem halben Jahr Bundesliga gelernt haben?
Geduldig sein – auch wenn es manchmal nicht einfach ist.

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