Klarer war die Ausgangslage vor einem Europacup-Spiel des FC Basel selten. Der Abstand zum Gast, Os Belenenses, dem Sechsten Portugals in der Vorsaison, ist auf dem Papier riesig. Geniessen und Erfahrung sammeln heisst deshalb die Losung von Trainer Ricardo Sá Pinto, der seine namhaftesten Routiniers schont.
Es sind die üblichen Floskeln und Höflichkeiten, die am Vorabend eines Europacupspiels verbreitet werden. Tiago Silva etwa, ein Mittelfeldtalent und portugiesischer U21-Nationalspieler, sagt, man werde alles zur Verfügung stehende in die Waagschale werfen, um in Basel ein gutes Spiel zu zeigen. Selbstredend vergisst er nicht herauszuheben, dass es ein starker Gegner sei, den Os Belenenses bei seinem Gastspiel in Basel erwartet.
Pflichtschuldigst hat auch Urs Fischer den Gast aus Portugals Hauptstadt eingeordnet. Nach Videostudium und Rapport des Scouts findet der FCB-Trainer: «Wir erwarten einen Gegner, der es uns sehr schwer machen wird.» Die Fakten in dieser Europa-League-Gruppe-I lauten: Der FC Basel als Dauerteilnehmer in den europäischen Wettbewerben ist Erster nach zwei Siegen und Belenenses Letzter. Ein Tor haben die Portugiesen, die 2007/08 letztmals im Uefa-Cup gespielt haben, noch nicht erzielt, und Fischer will angesichts der Vorzeichen gar nicht drum herum reden: «Ich denke auch, dass wir Favorit sind.»
Die Papierform könnte klarer nicht sein
Man könnte aus Basler Perspektive auch sagen: Dieser Gegner, «die von Belenenses», wie der Vereinsname übersetzt heisst, ist der grösste anzunehmende Aussenseiter. Man muss einiges zurückblättern in den Europacup-Annalen, um ähnlich eindeutige Kräfteverhältnisse rein vor der Papierform her zu finden.
Freuen über einen einen seltenen Europacup-Auftritt heisst die Losung von Ricardo Sá Pinto. Anzusehen war das dem Trainer von Belenenses am Vorabend des Spiels noch nicht. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)
In den Qualifikationen 2012/13 war Flora Tallinn ein klarer Aussenseiter gegen Basel, aber immerhin estnischer Meister. Zwei Jahre zuvor ging es gegen Debrecen und Tiraspol, die auch nationale Titelträger waren. Das einfachste Los war wahrscheinlich der FC Santa Coloma aus Andorra, eine Aufgabe, die der FCB im Sommer 2009 mit seinem neuen Trainer Thorsten Fink und angezogener Handbremse bewältigte.
In der Gruppenphase der Europa League traf der FCB 2012 auf der KRC Genk (zwei Unentschieden) und Videoton aus Ungarn (Sieg und Niederlage), Gegner, die in in ihrer Liga als Tabellenzweiter respektive Fünfter (Genk) den Sprung in den Europacup geschafft hatten. Und nun kommt Belenenses, das auf dem letzten zu vergebenen Ticket der Primeira Liga als Tabellensechster der Vorsaison die Europareise gebucht hat.
«Die Mannschaft soll es geniessen»
Und so wurde Ricardo Sá Pinto am Mittwochabend auch nicht müde, darauf hinzuweisen, welch seltenes Glücksgefühl die Os Belenenses in die Schweiz begleitet: «Die Mannschaft sollte es geniessen, soll Spass haben und Erfahrungen sammeln», sagte der Trainer, der grundsätzlich ernst und fast finster dreinblickt.
Das klingt nicht so, als ob sich Sá Pinto in der Rolle des Fallenstellers für den Schweizer Meister sieht. Für den 43-Jährigen ist der FC Basel nicht nur ein starker, sondern ein «sehr starker Gegner», einer mit «enormen individuellen Qualitäten», ein Gegner «mit ganz anderen Zielen» als seine Mannschaft.
Sá Pinto, mit einem ähnlichen Charakterbass ausgestattet wie Paulo Sousa, mit dem er einst in der portugiesischen Nationalmannschaft gespielt hat, ist schon einmal auf den FC Basel getroffen. Das war im September 2012, Sá Pinto hatte bei Sporting gerade seine erste Cheftrainerstelle übernommen, als es in Lissabon ein 0:0 gab, das in den Poesiealben beider Clubs keinerlei Niederschlag fand. Als es im späten November zum Rückspiel kam, einem aus Basler Sicht rauschenden 3:0 und dem ersten Sieg gegen einen Lissaboner Club überhaupt, war Sá Pinto schon wieder in die Wüste geschickt worden.
Der Plan mit jungen Einheimischen
Roter Stern Belgrad, OFI Kreta und Atromitos hiessen seine Stationen nach Sporting; in Athen gab er im Februar dieses Jahres seinen Rücktritt, als die Mannschaft nicht vom absteigenden Ast springen konnte. Nun ist er seit Sommer Trainer bei der dritten Geige in der portugiesischen Kapitale, einem Club, der fast ausschliesslich mit jungen Einheimischen sein Glück sucht.
Das birgt seine Gefahren. Der Saisonstart ist durchwachsen. In der Qualifikation zur Europa League wurden IFK Göteborg (2:1, 0:0) und der SCR Altach aus Österreich (1:0, 0:0) ausgeschaltet, in der Liga gab es aber nur einen Sieg aus sieben Spielen und schon 17 Gegentore, zehn allein gegen Benfica und Porto.
Für Sá Pinto bucht das unter Lehrgeld ab, findet den Saisoneinstieg «ganz ordentlich», sagt aber schon nach 15 Pflichtspielen in vier Wettbewerben seit dem 30. Juli: «Das hat an der Substanz genagt.» Für den Trainer steht die Förderung der Talente im Vordergrund: «Entscheidend ist für mich, den Prozess des Wachsens dieser Mannschaft mitzugehen.»
Hinten dicht und vorne der liebe Gott
Immerhin ist sie auswärts in den drei Europacupspielen ohne Gegentor geblieben, hat aber auch nur eines geschossen. Den sechsten Platz in der Liga hat Belenenses mit zwölf Unentschieden und einem Torverhältnis von 34:35 in 34 Partien erreicht.
Geht doch: Das seltene Lächeln des Trainers Ricardo Sá Pinto, eingefangen am Mittwoch im Joggeli. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)
Ob das Rückschlüsse auf die Strategie gegen den FC Basel erlaubt, dazu wollte der Trainer sich nicht äussern. Er sagte bloss: «Wir werden sehen, was der Gegner zulässt und was wir daraus machen.» Klingt nach: hinten dicht und vorne auf den lieben Gott hoffen.
Favorit? Nichts Neues, sagt Urs Fischer
Gegen Paulo Sousas Fiorentina gab es vor drei Wochen ein desillussionierendes 0:4 vor eigenem Publikum, und wo aktuell wirklich die Prioritäten liegen, liess Sá Pinto am Mittwoch erkennen: Tonel und Carlos Martins, die beiden Routiniers und Ex-Nationalspieler in seinem Team, sind in Lissabon geblieben. Sie seien nicht verletzt, bloss leicht angeschlagen, beschied der Trainer besorgten mitgereisten Journalisten. Reine Vorsichtsmassnahmen.
So trifft im St.-Jakob-Park ein mit vielen Europacupwassern gewaschener FC Basel auf Uefa-Rang 19 auf einen Gegner von Platz 139. «Wir wollen unseren Verein würdevoll vertreten», sagt Sá Pinto. Die Favoritenrolle könnte klarer nicht definiert sein, und Kollege Urs Fischer nimmt das so hin: «Damit kann ich umgehen, das ist schliesslich nichts Neues.»