Nach zwölf Jahren im Vorstand des FC Basel trat Gigi Oeri an der ausserordentlichen Generalversammlung zurück. Per Akklamation wurde Bernhard Heusler als neuer Präsident gewählt. Er ist der richtige Mann am richtigen Ort. Das zeigt das Porträt, das anfangs Januar in der Printausgabe der TagesWoche erschienen ist.
Das Mitleiden hat sich verändert. «Früher», hat Bernhard Heusler mal über den FCB-Fan Heusler erzählt, «früher konnte ich bei knappen Spielständen immerhin zuschauen.» Aber je länger der Mann beim FC Basel dabei ist, desto stärker wird gelitten. Vor sechs Jahren, bei der Champions-League-Qualifikation in Bremen, hat er 45 Minuten lang auf seine Füsse gestarrt. Als die Basler in Vaduz knapp an einer Blamage im Uefa-Cup vorbeischrammten, sass einer kreidebleich auf der Tribüne, und das will etwas heissen, wenn man einen Teint hat, der mit ein paar Sonnenstrahlen schon nach Urlaub aussieht. Und im Aarauer Brügglifeld stand Heusler, weil er es schier nicht aushielt, mal eine Halbzeit hinter der Haupttribüne und liess sich von seinem Sohn Tom («Mein allerbester Fussballkumpel») als Boten vom Geschehen berichten.
Am Montag übernächster Woche, dem 16. Januar 2012, wird dieser Bernhard Heusler von einer ausserordentlichen Generalversammlung zum Präsidenten des FC Basel und zum Nachfolger von Gigi Oeri gewählt werden. Daran gibt es schon deshalb keine Zweifel, weil kein Gegenkandidat existiert, und ausserdem kann dem FC Basel gar nichts Besseres passieren. Nach Gigi Oeri, die ihr Engagement selten und dann in quietschenden Outfits als öffentliche Angelegenheit begriff, die sich nach und nach aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hat, wird nun einer Präsident, der dies nur gelegentlich als Last begreift und meistens als Lust. Ein Glücksfall für den FC Basel.
Der 46. Präsident des FC Basel seit 1893
Bernhard Heusler wird der 46. Präsident des FC Basel seit der Gründung 1893 und einem Mann namens Roland Geldner. Heusler wird mit dem Geld der FC Basel Holding AG als Reserve das Amt übernehmen. Gegen sieben Millionen Franken dürften auf der hohen Kante liegen. Ihr ungefähr 90-prozentiges Aktienpaket an der Holding hat Gigi Oeri ihrem Nachfolger überschrieben; zu einem symbolischen Preis, darf man annehmen. Sie hat damit Wort gehalten. Denn sie hat immer betont, kein Geld am FCB verdienen zu wollen.
Der FCB wird jedoch ohne die Lebensversicherung auskommen müssen, die das Vermögen der Familie von Gigi Oeri darstellte. Das Kapital, das Bernhard Heusler einbringt, lässt sich nicht am Kontostand ablesen. Der Vizepräsident verkörpert die Clubführung bereits, seit er im Januar 2009 mit der etwas sperrigen Bezeichnung «Delegierter des Verwaltungsrates für die Führung des technischen und administrativen Bereichs» die operative Leitung übernommen hat. Kompetent und gescheit, redegewandt und besonnen – so hat man Heusler über Basel hinaus kennen und schätzen gelernt. Und der 48-Jährige wird das neue Amt mit einem enormen Rückhalt der Fans und viel Goodwill in der Bevölkerung antreten, jenes Teils zumindest, für den der FCB eine Herzensangelegenheit ist.
Mit den Wirren um Hakan Yakin 2003 fing es an
Das ist es auch für Bernhard Heusler, vor allem aber bedeutet für ihn das Amt Verantwortung. «Ich verstehe mich als Verwalter einer Institution», sagt er, «eine Aufgabe, die ich mit sehr viel Freude übernehme.» Eine Art Regierungserklärung hat er für den 16. Januar nicht vorbereitet, der Abend soll ganz im Zeichen der Verabschiedung Gigi Oeris stehen. Die hat es ihren Mitstreitern beim FC Basel zuweilen nicht einfach gemacht mit ihrer Sprunghaftigkeit. Auch Bernhard Heusler nicht, der von sich sagt: «Ich bin mir gewohnt, sehr rational zu handeln.»
Angefangen hat alles mit einem Anruf von Mathieu Jaus. Der ist seit 1998 Vorstandsmitglied des FC Basel, ein paar Monate länger noch als Werner Schmid und damit Dienstältester im Führungsgremium. Finanzchef Jaus also wandte sich im Sommer 2003 an Heusler mit der Bitte, in den Transferwirren um Hakan Yakin und Paris St. Germain den Club rechtlich zu beraten. Ein Jahr später entschied Gigi Oeri, dass Heusler Vorstandsmitglied werden soll, ohne ihn bis dahin persönlich getroffen zu haben.
Fussball gespielt hat Heusler als Bub beim SC Binningen, sein erstes Tor für die E-Junioren geschossen, «ein Gefühl, so unbeschreiblich schön wie später nie mehr». Seine FCB-Karriere skizziert er selbst als «typisch»: Zuerst stand er mit dem Vater im Joggeli unter dem Totomat, danach in der Muttenzerkurve und schliesslich am Bahndamm – «zwischen Sechzehner und Mittellinie, um die Offside-Pfiffe des Schiedsrichters prüfen und kritisieren zu können». So schön kann es wahrscheinlich nur ein Anwalt umschreiben.
Die Sprache als Waffe und Falle zugleich
Sein erstes Spiel als Bub im St.-Jakob-Stadion war ein «blitzsauberes» zu Null gegen den FC Sion in der Saison 1970/71. Noch präsenter ist ihm ein Jahr später die berühmte Finalissima gegen den FC Zürich in Erinnerung. Das 4:0, mit dem der FCB Meister wurde. Heusler erlebte es als Triumph und Niederlage zugleich. Er durfte nicht mit ins mit 56‘000 Zuschauern randvolle Joggeli. Dafür warf er nach Spielschluss daheim vor Begeisterung das Baumwolltrikot aus dem Fenster.
So viel Ekstase kann er sich heute nicht mehr leisten. Dafür hat ihm der Fussball mit seinen Unwägbarkeiten zu viel Demut gelehrt, dafür ist dieser Sport und das Geschäft, zu dem er geworden ist, zu kurzatmig und schnelllebig. Als Präsident sieht er sich ständig am Gegenrudern – sowohl im Erfolgsfall wie bei Misserfolg. Die Emotionen zu kontrollieren, sagt Heusler, «lässt uns manchmal zwinglianisch erscheinen».
Streng ist Bernhard Heusler auch mit dem, was er sagt. Er nennt das «die Macht über das eigene Wort», denn er weiss, wie Worte interpretiert werden können: «Sprache ist ein wichtiges Instrument, sie ist Waffe und Falle zugleich.» Heusler beherrscht diese Sprache. In seiner Anfangszeit autorisierte er Interviews noch mit Sätzen wie aus dem Strafgesetzbuch, doch in dieser Hinsicht hat er sich geöffnet. Er ist ein brillanter freier Redner, der seine Zuhörer mitnehmen kann. Im persönlichen Gespräch bezieht er klar Stellung, und er verklausuliert dort, wo er es in der Öffentlichkeit für angebracht hält: «Man kann im Fussball nicht alles transparent machen.»
Basler Understatement
Sich selbst zurücknehmen, die eigene Person bloss nicht zu sehr in den Vordergrund rücken, diejenigen nie vergessen, die hinter der Bühne des «grossen Theaters Fussball» (Heusler) arbeiten – das ist Bernhard Heusler. Dazu passt, wie er sein Elternhaus beschreibt: übertriebenes Understatement. Und sehr liberal anderen Meinungen gegenüber. Sein Vater, der im Mai 87 wird, ist ebenfalls Jurist und war Personalchef bei Bell und Geigy. Die Passion für den Fussball hat Bernhard Heusler aber eher väterlicherseits abbekommen. Den Grosseltern sang er, sechsjährig, zur Goldenen Hochzeit «Karli no ne Gool» und die mit FCB-Zeitungsauschnitten prall gefüllten Alben seiner Mutter liegen heute im Museum des Vereins.
Bevor er von einem Zuschauerplatz in den Verein hineingezogen wurde, gab es ganz andere Prioritäten in seinem Leben. Als Jurist machte er eine Bilderbuchlaufbahn: Nach der Matura am Gymnasium Oberwil studiert er in Basel, sein Examen besteht er 1988 mit summa cum laude, danach ist er vier Jahre lang wissenschaftlicher Assistent bei Professor René A. Rhinow an der Universität Basel, und für seine Dissertation («Die Oberaufsicht der Bundesversammlung über den Bundesrat und die Bundesverwaltung») gibt es ebenfalls die höchste Auszeichnung. Frisch verheiratet, geht der Doktor iur. zusammen mit seiner Frau für zwei Jahre in die USA, hängt ein Zusatzstudium an der University of California Davis an und arbeitet für eine Kanzlei in New York.
Das junge Ehepaar entschied sich damals, dass Basel der bessere Ort sei, um eine Familie zu gründen, als die Vereinigten Staaten. Eine Tochter und einen Sohn haben die Heuslers, und seit 1995 arbeitet der Vater für die renommierte Kanzlei Wenger Plattner; er spezialisierte sich auf Fusionen und Übernahmen, auf Informatik- und Sportrecht und wurde im Jahr 2000 zum Partner in der Kanzlei.
Ein Jahr ist Heusler im Vorstand, als er auf einen Schlag ins Scheinwerferlicht gerückt wird. In der Nacht des 13. Mai 2006, als Fans des FCB nach der Finalissima gegen den FCZ und dem im letzten Augenblick verlorenen Meistertitel den Rasen des St.-Jakob-Parks stürmen, schickt die Clubführung Bernhard Heusler vor. Es ist eine ungeheure Lawine, die auf den FC Basel niedergeht. Der Verein, seine Fans, der gesamte Fussball bekommt die geballte Empörung und Anfeindung heftig zu spüren. Im Auge dieses Sturms vertritt Bernhard Heusler überlegt den Club.
Heusler meint es ernst mit den Fans und nimmt sie ernst
Die Liga büsst den FCB drakonisch, doch im Hintergrund läuft der viel bedeutsamere Teil der Aufarbeitung. Der Verein erklärt die Fanproblematik zur Chefsache, was bedeutete: Heusler nimmt sich der Thematik an. Die Intensität der Ausschreitungen schlug Heusler aufs Gemüt, die Auseinandersetzung damit, den «Lernprozess», wie er es nennt, ist jedoch so differenziert, dass nicht nur die Muttenzerkurve erkennt: Bernhard Heusler meint es ernst und er nimmt sie ernst. Er besitzt «Credibility» bei den Fans, er weiss aber auch, dass er in einer seit Jahren aufgeheizten Sicherheitsdebatte eine Gratwanderung begeht, und sagt: «Ich bin nicht der Anwalt der Fans.» Als Gigi Oeri 2006 zur Präsidentin gewählt wird, steigt Heusler zum Vizepräsidenten auf.
Heute ist es so, dass Bernhard Heusler nicht nur in Basel gefragt ist. Er ist in relativ überschaubarer Zeit und ohne den Stallgeruch eines auf den Treppenstufen der Fussball-Institutionen Emporgekletterten zu einem Fachmann geworden. Er hat massgeblich Anteil daran, wie der FCB heute aufgestellt ist: als modern geführter Verein, ein KMU mit schweizweiter Ausstrahlung und dabei immer noch ein soziokulturelles Biotop mit tiefer Verwurzelung in der Region.
Darüber hinaus hat es Heusler im Gegensatz zu der in dieser Beziehung nicht ambitionierten Gigi Oeri verstanden, den FC Basel besser in der Liga zu verankern. Die Nummer 1 des Schweizer Fussballs hat wieder Gewicht in den Entscheidungsgremien, in denen er viele Jahre gar nicht mehr und zuletzt durch Werner Edelmann vertreten war. In der europäischen Clubvereinigung ECA ist Heusler inzwischen vernetzt, er reist etwa in Sicherheitsfragen über den Kontinent und hat sich mit seinem Know-how ein Standing erworben. «Er ist ein kluger Mann», sagt Karl-Heinz Rummenigge, Präsident der ECA und Vorstandvorsitzender des FC Bayern München, der die Meinung des Kollegen aus der Schweiz zu schätzen weiss.
«Leuchtfigur unter den Schweizer Clubpräsidenten»
Beat Jans hat Heusler unlängst im Lokalfernsehen als «Leuchtfigur unter den Schweizer Clubpräsidenten», bezeichnet. Und der SP-Nationalrat aus Basel erläutert das so: «Es gibt da einige schräge Vögel, und da stellt Bernhard Heusler mit seiner besonnenen, eloquenten Art eine besondere Klasse dar.» Was dem Politiker gefällt: Heuslers integrierende Persönlichkeit, dessen Mitgefühl mit Verlierern. Und er vermittle, dass es ihm nicht um sich selbst geht. Deshalb glaubt Jans, dass die Fans und die Basler Bevölkerung diese Stabübergabe mit einem guten Gefühl begleiten.
Wenn man sich vorstellt, wie in Transferperioden bis spät in die Nacht hinein gefeilscht wird, wie Heuslers Wochenenden aussehen, wenn der FCB verliert oder seine Fans auffällig werden. Wenn man eine leise Ahnung davon zu haben glaubt, wie die Ferien gesprengt werden, weil der Trainer auf dem Absprung nach Hamburg ist, fragt man sich: Wie bekommt man das mit Familie und seiner eigentlichen Berufstätigkeit unter einen Hut?
Beklagt hat sich Bernhard Heusler darüber noch nicht. Seine Kinder sind inzwischen in einem Alter, in dem sie ihre eigenen Pfade suchen. Seine Frau Ariane, diplomierte Hotelfachfrau, hat seit einem Jahr praktischerweise einen Job im Fan-Shop-Bereich des FCB. Und mit seinen Partnern in der Kanzlei hat er Vereinbarung getroffen, die er «totale Rückendeckung» nennt. Verwaltungsräte beim FCB bekommen monatlich 4000 Franken und die Auslagen erstattet. Heuslers Arbeit wird mehr kosten und von der Kanzlei mit dem FCB abgerechnet. Damit wird Heusler der erste Präsident des FC Basel sein, der bezahlt wird. «Nicht aber in der Funktion als Präsident», wie Heusler betont, «sondern als operativer Chef.»
Für die Kanzlei nimmt er weiterhin eine ganze Reihe von Verwaltungsratsmandaten wahr. Dazu gehören die Valora (unter anderem k-kiosk), Montana (Sportartikel), Waldmeier (Spiel- und Hobbyartikel) oder die Euxinus AG, eine Beteiligungsgesellschaft in Binningen, die von Walter Schneider gegründet wurde. Der gelernte Metzger und Unternehmer gehört zu den Persönlichkeiten, die Bernhard Heusler als Vorbild bezeichnet, «weil er Menschlichkeit und Geschäftssinn so kunstvoll verbindet».
Der Luxus des Auslebens
Über seine Anwaltstätigkeit hat Bernhard Heusler mal gesagt: «In acht von zehn Fällen ist Prozessieren ökonomischer Blödsinn.» Er selbst bezeichnet sich als alles andere als streitsüchtig, «für jemand anderen streite ich allerdings gerne». Sein Menschenbild wurde auch durch den Grossvater mütterlicherseits geprägt, ein passionierter Bergsteiger, mit dem Heusler im Kindesalter beim Löwendenkmal in Luzern sass und stundenlang Menschen anschauen konnte. Damals, als Bernhard Heusler noch davon träumte, Lokomotivführer zu werden.
Seine Wirkung nach aussen lässt kaum erkennen, dass Bernhard Heusler durchaus nicht als ewig gut gelaunter und gut aussehender Sonnyboy durchs Leben geht. Der Fussball bedeutet ihm sehr viel, und das Fussballgeschäft hat er, seit er unmittelbar damit in Berührung kam, mit all seiner Faszination und den Abgründen kennengelernt.
Wer den künftigen Präsidenten in den letzten Monaten erlebt hat, wer sich vor Augen hält, was im Meisterschaftsendspurt vor einem halben Jahr gegen den FC Luzern auf dem Spiel stand und was jüngst in der Champions League erreicht wurde, der wird die tiefe Zufriedenheit und die Beglückung begreifen, die Bernhard Heusler ausstrahlte, als im Dezember der Manchester-Match abgepfiffen war. Den FCB-Fan ausleben, sagt Heusler, «dieser Luxus geht völlig verloren, wenn man in der Verantwortung steht». Aber die folgende Nacht, die konnte auch Bernhard Heusler ein bisschen geniessen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06/01/12
In der Passage unter dem Zwischentitel «Basler Understatement» ist es zu einer Ungenauigkeit (…mütterlichseits…) gekommen. Hier eine Präzisierung: Die Liebe des Bernhard Heusler zum FC Basel hatte ihren Ursprung in der Mutter seines Vaters. An der goldenen Hochzeit durfte der 6-jährige Knirps einen von der ersten Mannschaft unterschriebenen Ball übergenen und mit seiner Schwester die FCB-Hymnen «Karli no nee Gool» und «hüt z’Nacht isch z’Basel öbbis loos» trällern.