«Birkir, wie heisst dieser Vulkan?» – «Eyjafjallajökull»

In der Gruppe F treffen sich die FCB-Spieler Birkir Bjarnason und Marc Janko für einmal als Gegner. Janko ist in Österreich damit konfrontiert, dass die Bevölkerung frank und frei vom Titel spricht, Bjarnason in Island einer der Helden, die sich zum ersten Mal für eine Endrunde qualifiziert haben.

Marc Janko und Birkir Bjarnason, FC Basel, Mai 2016

(Bild: Dirk Wetzel)

In der Gruppe F treffen sich die FCB-Spieler Birkir Bjarnason und Marc Janko für einmal als Gegner. Janko ist in Österreich damit konfrontiert, dass die Bevölkerung frank und frei vom Titel spricht, Bjarnason in Island einer der Helden, die sich zum ersten Mal für eine Endrunde qualifiziert haben.

Sie sind Zimmerkollegen, Golfpartner und haben zusammen einen massgeblichen Anteil an der erfolgreichen Saison des FC Basel. Die Euro 2016 macht aus den Freunden Birkir Bjarnason und Marc Janko Konkurrenten. Im letzten Match der Gruppe F trifft Island am 22. Juni in Paris auf Österreich. Wir haben Bjarnason und Janko im Vorfeld des EM-Turniers zum verbalen Doppelpass gebeten.

In welcher Sprache sollen wir das Gespräch führen? Etwa in Schweizerdeutsch?

Birkir Bjarnason: Bloss nicht, da verstehe ich kein Wort.

Marc Janko: Als Österreicher versteht man die Schweizer schon. Für Birkir ist es schwieriger, aber er hat ja mich als Lehrer. Ich bring ihm sowieso immer wieder einige Wörter Deutsch bei. Das ist der erste Schritt, wenn er das einmal beherrscht, dann kann er sich ja auch ans «Schwyzerdütsch» heranwagen.

Bjarnason: Aber bleiben wir doch vorerst noch bei Englisch.

Isländisch ist auch nicht gerade eine einfache Sprache: Wissen Sie eigentlich noch, wie der berühmte Vulkan heisst, der vor sechs Jahren den Flugverkehr in halb Europa lahmgelegt hat?

Janko: Gute Frage. Ich kann mich daran erinnern, dass auch wir damals nicht fliegen konnten. Es war jedenfalls ein komplizierter Name, so viel weiss ich noch. Birkir?

Bjarnason: Eyjafjallajökull.

Janko: Noch einmal.

Bjarnason: Eyjafjallajökull.

Janko: Natürlich.



Marc Janko und Birkir Bjarnason, FC Basel, Mai 2016

«Ich war schon öfter in Österreich, aber immer nur zum Fussballspielen.» – So richtig gut kennt Birkir Bjarnason das Land seines Gegenspielers nicht. (Bild: Dirk Wetzel)

Was wissen Sie, Marc Janko, sonst noch über Island?

Janko: Ich war noch nie dort, habe aber viele Bilder gesehen. Es muss eine fabelhafte Landschaft sein. Birkir ist eigentlich der erste Isländer, den ich richtig kennengelernt habe. Es wäre sicher interessant, dort einmal Urlaub zu machen. Ich warte auf eine Einladung von Birkir.

Und bei Ihnen, Birkir Bjarnason, wie sieht es mit Ihren Österreich-Kenntnissen aus?

Bjarnason: Ich war schon öfter in Österreich, aber immer nur zum Fussballspielen. Ich kenne eigentlich nur die Fussballplätze, vom Land selbst habe ich weniger gesehen.

Sie beide scheinen sich nach einem Jahr beim FC Basel gut zu verstehen, oder täuscht der Eindruck?

Janko: Nein, das täuscht überhaupt nicht. Wir sind zur gleichen Zeit zum Verein gekommen und haben in den ersten sieben, acht Wochen im selben Hotel gewohnt. Da haben wir zwangsläufig viel Zeit miteinander verbracht. Im Trainingslager waren wir dann sogar Zimmerkollegen. Wir sind draufgekommen, dass wir auch Gemeinsamkeiten haben.

Zum Beispiel?

Bjarnason: Wir spielen beide gerne Golf.

Aha, und wer gewinnt das Duell auf dem Green?

Janko: Was für eine Frage, natürlich schlage ich ihn. Er ist immer am verlieren. (Bjarnason lächelt verschmitzt.)

Birkir Bjarnason, FC Basel, Mai 2016

«Er ist einfach ein toller Mensch.» – Birkir Bjarnason über seinen Vereinstrainer Urs Fischer. (Bild: Dirk Wetzel)

Welche Bilanz ziehen Sie nach dem ersten Jahr beim FC Basel?

Bjarnason: Es war im Grunde eine hervorragende Saison. Okay, dass wir es nicht in die Champions League geschafft haben, war sehr ärgerlich und enttäuschend. Aber wir haben uns dann auch in der Europa League gut verkauft. Für mich war es wichtig, dass ich hier in Basel ein grosses Vertrauen gespürt habe. Der Club und der Trainer wollten mich unbedingt haben. Heute kann ich für mich sagen, dass der FCB für meine Karriere der richtige Schritt war.

Janko: Ich kann Birkir nur zustimmen. Aus meiner Sicht war es die perfekte Entscheidung. Die Saison ist sensationell gut verlaufen, das freut mich auch für unseren Trainer. Urs Fischer hatte es am Anfang sicher nicht leicht, als Zürcher akzeptiert zu werden. Aber ich denke, dass er inzwischen die Herzen der Basler Fans erobert hat. Am Ende zählt nur der Erfolg. Wenn du erfolgreich bist, dann lieben dich die Fans. Urs Fischer hat einen tollen Job gemacht.

Wie tickt der Trainer?

Bjarnason: Urs Fischer ist ein ruhiger Typ, ein guter Kommunikator, der viel mit den Spielern redet. Kurz: Er ist einfach ein toller Mensch.

Marc Janko und Birkir Bjarnason, FC Basel, Mai 2016

Also gibt es am 22. Juni keinen Favoriten?

Janko: Wir sind sicher nicht so übermütig und grossspurig, dass wir sagen: «Wir schiessen die vom Platz.» Das werden die Isländer aber auch nicht sagen.

Auf welchem Team lastet denn mehr Druck in Frankreich?

Bjarnason: Ganz bestimmt auf den Österreichern. Wir sind mehr der Underdog. Man braucht sich ja nur die Fifa-Rangliste ansehen. Wenn es nach der geht, dann ist Österreich hinter Portugal der Gruppenfavorit.

Was erwarten denn die österreichischen Fans von ihrem Nationalteam?

Janko: Die Erwartungshaltung ist enorm: Viele hoffen und träumen davon, dass wir Europameister werden. Das ist natürlich viel zu hoch gegriffen. Klar wollen wir in die K.o.-Phase kommen, das wäre bereits ein grosser Schritt. Andererseits ist jedem von uns bewusst, dass es schon ein enormer Erfolg war, dass wir uns das erste Mal sportlich für eine EM qualifiziert haben. Wir sind sicher nicht als Touristen in Frankreich, sind uns aber auch bewusst darüber, dass wir starke Gegner haben.



Marc Janko und Birkir Bjarnason, FC Basel, Mai 2016

Haben gemeinsam in ihrer ersten Saison in Basel den Titel gewonnen: Marc Janko (links) und Birkir Bjarnason. (Bild: Dirk Wetzel)

Ist es notwendig, in die nächste Runde zu kommen, um Österreichs legendäre Cordoba-Generation vergessen zu machen?

Bjarnason: Von was redet ihr da?

Janko: Sei froh, dass du davon noch nie gehört hast. Die Cordoba-Nummer wird von den Medien jedes Mal aufs Neue aus der Schublade herausgeholt, wenn wir gegen Deutschland spielen.

Bjarnason: Um was gehts denn da?

Janko: WM 1978 in Argentinien, Österreich hat Deutschland in Cordoba mit 3:2 besiegt. Das Lustige daran ist ja, dass jeder meint, dass in Cordoba ein grosser Erfolg erreicht worden wäre. Tatsache ist, dass Österreich damals bloss Deutschland mit auf die Heimreise genommen hat. Ich war erstaunt, nein, eigentlich war ich sogar enttäuscht, als ich als junger Bub herausgefunden habe, dass Österreich damals in Cordoba auch ausgeschieden ist. Und dann wird eine so grosse Geschichte daraus gemacht. Das Cordoba-Thema ist wirklich nervig, ich glaube sogar für die Spieler, die damals dabei waren.

Dann lassen Sie uns das Thema wechseln: Die EM steht auch im Zeichen der Angst vor dem Terror. Wie gehen Sie beide damit um?

Bjarnason: Ich denke, dass wir uns nicht verrückt machen lassen sollten. Über dieses Thema möchte ich gar nicht viel nachdenken.

Janko: Das sehe ich auch so, auch wenns nicht leicht fällt. Es ist ja genau das, was die Terroristen erreichen wollen: dass die Menschen Angst haben. Ich vertraue da den Offiziellen in Frankreich und hoffe, dass nichts passiert und dass es die Stimmung nicht beeinflusst.



Marc Janko und Birkir Bjarnason, FC Basel, Mai 2016

Aus Freunden im Verein werden an der Europameisterschaft Gegner im Dress zweier Nationalmannschaften. (Bild: Dirk Wetzel)

Stimmung ist ein gutes Stichwort: Island geriet zuletzt im Zuge der Panama Papers in die Schlagzeilen, der Ministerpräsident trat zurück. In Österreich herrschte Aufregung rund um die Präsidentenwahl. Wie intensiv verfolgen Sie das Geschehen in Ihrer Heimat?

Bjarnason: Ich habe davon gehört, muss aber zugeben, dass ich mich mit diesen Themen nicht so beschäftige. Ich bin mit elf Jahren von Island nach Norwegen umgezogen und lebe schon so lange weg von daheim, dass ich die Sachen nicht sehr eng verfolge.

Janko: So lange ich Fussballprofi bin, möchte und werde ich nicht zu politischen Angelegenheiten Stellung nehmen. Nicht weil es mich nicht interessieren würde, oder ich keine Meinung hätte: Ich möchte einfach mit keiner politischen Partei in Zusammenhang gebracht werden.

Aber Sie haben sich zum Beispiel an einer Aktion beteiligt und mit Flüchtlingen trainiert. Da steckt doch eine politische Haltung dahinter.

Janko: Für mich war das kein politisches Statement, da geht es um eine Grundeinstellung. Ich engagiere mich zum Beispiel auch gegen Atomkraftwerke.

Warum das?

Janko: Als ich von Wien nach Basel geflogen bin, ist mir auf einer Wiese ein riesiger Pfeil aufgefallen, mit der Aufschrift: «Hier gehts zum ältesten Atommeiler der Welt.» (Gemeint ist das AKW Beznau; Anm. d. Red.) Ich habe erst an einen Scherz gedacht, mich dann aber genauer informiert. Dieser Reaktor war abgeschaltet, es gibt aber Pläne, dass man ihn wieder hochfährt, obwohl er veraltet ist und es immer wieder Probleme gab. Ich halte das für gefährlich. Ich habe keine Lust, aus Europa auszuwandern, ich liebe Europa, ich liebe die Schweiz, ich liebe Österreich. Die Menschen sollten vorsichtig und verantwortungsvoll mit der Atomkraft umgehen. Wenn es bedeuten würde, dass man nur noch zwei Stunden am Tag TV schauen könnte, okay. Das müsste man dann akzeptieren, man muss Opfer bringen. Ich habe auf meine Kritik an der Atomkraft viele Reaktionen erhalten. 

Apropos Reaktionen: Sie sind auf Facebook und Twitter sehr aktiv. Ihre Posts auf #rotblaulive werden geschätzt.

Janko: Ist das so? Das freut mich. Ich bin da sicher aktiver als du, Birkir.

Bjarnason: Ich habe bisher nur ein paar wenige Tweets gemacht, ich muss das erst lernen.

Janko: Ich übertreibe es ja auch nicht. Weil ich nicht zu viel von meinem Privatleben preisgeben möchte. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass ich etwas loswerden möchte, dann mache ich das. Alles, was den Fussball betrifft, kommentiere ich sehr gerne.

Marc Janko, 32 Jahre alt, wechselte nach einer Vereinskarriere in Österreich, Holland, Portugal und der Türkei im Sommer 2015 vom australischen Sydney FC zum FC Basel und wurde bester Torschütze der Saison 2015/16. Nach 26 Toren in 54 Länderspielen nimmt Janko in Frankreich zum ersten Mal an einer Endrunde teil.

Birkir Bjarnason gehört mit 28 Jahren zur goldenen Generation der Isländer, die sich erstmals für ein grosses Turnier qualifiziert hat. Eine Premiere in Bjarnasons Karriere ist auch der Meistertitel in der Schweiz. Zum FC Basel kam er im Sommer 2015, nach Stationen in Norwegen, Belgien und Italien.

» Das Doppelgespräch haben die TagesWoche und der «Kurier» aus Österreich gemeinsam geführt.

 

Nächster Artikel