Blatter, das Schmiergeld und die Aufräumarbeit

Nachdem die Akten im Bestechungsfall Fifa/ISL veröffentlicht wurden, steht Fifa-Präsident Joseph Blatter wieder einmal im Gegenwind. Die TagesWoche bietet in einer Presseschau den Überblick über die Entwicklung der letzten Tage.

Kein Ultimatum mehr gegen die Schweiz: Fifa-Präsident Joseph Blatter (rechts) mit Generalsekretär Jérôme Valcke (Mitte) und dem für den Weltfussballverband etwas gewagten Claim der Fifa (links). (Bild: Reuters)

Nachdem die Akten im Bestechungsfall Fifa/ISL veröffentlicht wurden, steht Fifa-Präsident Joseph Blatter wieder einmal im Gegenwind. Die TagesWoche bietet in einer Presseschau den Überblick über die Entwicklung der letzten Tage.

 


Joseph Blatter und der Bestechungsskandal – eine Pressschau

Höchste Vertreter der Fifa waren bestechlich. Soweit die Fakten. Aber wieviel wusste der heutige Fifa-Präsident Joseph Blatter? Seit dem 11. Juli 2012 gehen die Wogen um den Weltfussballverband wieder hoch. Ein Überblick über Angriffe auf Blatter und seine Verteidigungsstrategien.

Storified by Florian Raz · Sun, Jul 15 2012 07:37:00

Zunächst einmal die Fakten: Am 11. Juli 2012 wurden endlich die Akten der Staatsanwaltschaft Zug zum sogenannten «Fall ISL» veröffentlicht. Dazu war ein Entscheid des Bundesgerichts nötig, da mehrere Medien die Herausgabe der Einstellungsverfügung verlangt hatten. Die Staatsanwaltschaft hatte den Fall 2010 abgeschlossen, nachdem die Fifa und bestochene Fifa-Vertreter 5,5 Millionen Franken Genugtuung bezahlten und so den Verschluss der Akten erreichten.
Im Fall geht es um die inzwischen konkursite Sporvermarktungsfirma ISL/ISMM, die sich zwischen 1989 und 2001 für mindestens 142 Millionen Franken Schmiergelder das Wohlwollen von Sportfunktionären, insbesondere der Fifa erkauft hatte. In den Akten der Staatsanwaltschaft wird namentlich der ehemalige Fifa-Präsident Joao Havelange erwähnt, der 1,5 Millionen Franken erhielt. Sein Schwiegersohn Ricardo Teixeira, bis im März 2012 Präsident des brasilianischen Fussballverbandes, liess sich insgesamt 12,7 Millionen überweisen.
Alles nachzulesen in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug.
Einstellungsverfügung.pdf – Google Docsundefined
Einer der ersten, der sich danach meldete, war Joseph Blatter, aktueller Präsident der Fifa. In der fraglichen Zeit war Blatter Generalsekretär der Fifa unter Havelange. Blatter jubiliert:
Pleased by the Swiss Fed. Court decision on ISL. It confirms, as I & the court in Zug said: I was not on the list – http://d3w.io/N2ZjkSJoseph S Blatter
Tatsächlich wird Blatter von der Staatsanwaltschaft nicht namentlich erwähnt. Er wird als P 1 «anonymisiert». Sein Jubel aber ist leicht verfrüht, obwohl ihm selbst keine Bestechlichkeit vorgeworfen wird. Aber dass er von einer Zahlung von einer Million Franken an Havelange wusste, die blöderweise an die Fifa statt auf das Privatkonto des Brasilianers ging, erregt Aufsehen.

In der Folge wird auf Blatter geschossen. Sylvia Schenk, Vorstandsmitglied von Transparency International, sagt dem «Guardian», dass sie Blatter als nicht mehr glaubwürdig empfindet. Im Sommer 2011 hatte sie Reformvorschläge vorgelegt, die von der Fifa hoch gelobt wurden. Damals glaubte Schenk noch an Blatters Reformwillen.

Sepp Blatter faces calls to step down at Fifa over ‚bribery cover-up’Sepp Blatter faces calls for him to step down as president of Fifa following his admission that he knew his predecessor, João Havelange, …
Sichtlich erschrocken über die Reaktionen gibt Blatter am 12. Juli ein Interview. Wenn man fünf Fragen und fünf Antworten mit der eigenen Pressestelle als Interview bezeichnen will. Wobei ihn auch die eigenen Mitarbeiter nicht davon abhalten können, mitten in einen grösseren Fettnapf zu treten. Vor allem eine Aussage zeugt von seiner Sicht der Welt:

«Damals konnte man solche Zahlungen als Geschäftsaufwand sogar von den Steuern abziehen. Heute wäre dies strafbar. Man kann die Vergangenheit nicht mit den Maßstäben von heute messen. Sonst endet man bei der Moraljustiz. Ich kann also nicht von einem Delikt gewusst haben, welches keines war.»

ISL: Fünf Fragen an FIFA-Präsident Joseph S. BlatterNach Veröffentlichung der ISL-Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Zug kraft des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts bezog…
Es ist diese Aussage, die weltweit für Aufsehen sorgt. Der «Tagesanzeiger» titelt: «Blatter rechtfertigt Bestechungen bei der Fifa».
Blatter rechtfertigt die Bestechungen bei der FifaBlatter rechtfertigt die Bestechungen bei der Fifa Schmiergeldaffäre bei der Fifa: Die Zahlungen seien legal gewesen, sagt Präsident Blat…
Dieser Titel wiederum kommt auf dem Zürcher Sonnenberg, dem Sitz der Fifa, gar nicht gut an. Gerne hätte Fifa-Pressechef Walter de Gregorio im «Tagi» seine Gegensicht der Dinge dargestellt. Aber dort winkt man ab. Also geht de Gregorio zur «Basler Zeitung», die nun also eine Gegendarstellung zu einer Geschichte des «Tagi» veröffentlicht.
Keine Rechtfertigung der BestechungKeine Rechtfertigung der Bestechung Der „Tages Anzeiger“ titelte gestern auf der Front: „Sepp Blatter rechtfertigt Bestechung bei der Fif…
Glaubt man de Gregorio, ist Joseph Blatter also nicht der Mann, der jahrelang gewusst hat, dass sich Fifa-Obere bestechen liessen. Blatter ist der Mann, der jetzt aufräumt. Das allerdings glaubt Reinhard Rauball nicht. Der Präsident des deutschen Ligaverbandes nimmt am Freitag sein Telefon in die Hand, ruft Blatter an – und fordert ihn auf zurückzutreten.
Rauball fordert Fifa-Boss Blatter zum Rücktritt aufDer Präsident des deutschen Ligaverbandes sagt „Welt Online“: Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand solle Fifa-Präsident Sepp Blatter „sei…
Währenddessen blickt die «NZZ» schon einmal voraus. Am 17. Juli nämlich wird das Exekutivkomitee der Fifa über die Reformvorschläge beraten, die der Basler Professor Mark Pieth ausgearbeitet hat.
Steilpass für das Ethik-Reglement – NZZ.ch, 14.07.2012Die Nachrichten waren ernüchternd, ihr Timing perfekt: Seit Mittwoch ist bekannt, dass der Fifa-Ehrenpräsident João Havelange und der ehe…
Wie Pieth seine Zusammenarbeit mit der Fifa sieht – und warum er nicht um seinen Ruf fürchtet, hat er bereits im April der «TagesWoche» erläutert.
„Es herrscht der Stil Oberster Sowjet“20.4.2012, 00:01 Uhr „Es herrscht der Stil Oberster Sowjet“ 20.4.2012, 00:01 Uhr Der Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth über den Selb…
Die Fifa hat währenddessen ihre Beziehungen spielen lassen und im «Sonntagsblick» ein grosses Interview mit Joseph Blatter platziert.
Das offenste Interview, das Sepp Blatter je gab: Ich sollte mit 50 000 Dollar bestochen werden – Fussball – BlickHerr Blatter, wie viel Geld haben Sie im Portemonnaie?Sepp Blatter: Ich habe gar kein Portemonnaie. Als Kind wurde ich im Wallis mal best…
Während Blatter im «Sonntagsblick» seine Sicht der Dinge darlegt und dafür mit der Online-Werbung «Das offenste Interview, das Sepp Blatter je gab» geadelt wird, stellt der «Sonntag» fest, was eigentlich schon lange bekannt ist: Blatter gibt immer nur soviel zu, wie sowieso schon alle wissen.
Der Sonntag – Blatter stand das Wasser bis zum HalsFifa-Präsident Sepp Blatter hat nicht die ganze Wahrheit zu den Schmiergeldzahlungen gesagt. Und die Staatsanwaltschaft setzte ihm das Me…
In Deutschland löst währenddessen vor allem eine Aussage Blatters aus dem «Sonntagsblick» grosses Echo aus:

«Gekaufte WM … Da erinnere ich mich an die WM-Vergabe für 2006, wo im letzten Moment jemand den Raum verliess. Und man so statt 10 zu 10 bei der Abstimmung ein 10 zu 9 für Deutschland hatte. Ich bin froh, musste ich keinen Stichentscheid fällen. Aber, na ja, es steht plötzlich einer auf und geht. Vielleicht war ich da auch zu gutmütig und zu naiv.»

War die WM 2006 also gekauft? Das ist die Frage, die am 15. Juli alle deutschen Onlinemedien umtreibt. Stellvertretend die «Sueddeutsche»:

Fußball – FIFA: Blatter holt zum Gegenschlag aus – DFB geht auf DistanzFrankfurt/Main (dpa) – Der schwer unter Druck geratene Joseph Blatter hat zur verbalen Gegenattacke ausgeholt und den auf Distanz gegangenen
Dabei ist die Frage, wer die Weltmeisterschaft nach Deutschland geholt hat, eigentlich seit Jahren geklärt: Es war das Satiremagazin «Titanic» per Bestechungsfax an die Stimmberechtigten.
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Die Aussicht auf einen Spezialitätenkorb aus dem Schwarzwald samt Kuckucks-Uhr war für Charles Dempsey zuviel. Der Vertreter Ozeaniens gab später an, er habe sich deswegen der Stimme enthalten.
TITANIC History Folge 6: TITANIC holt die WM nach Deutschlandtitanicredaktion

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