«Bösartig könnte man sagen: Wir haben die Augen verschlossen»

Der Captain der Starwings wurde entlassen, weil er einen Mitspieler verprügelt haben soll. Vereinspräsident Martin Spörri nimmt im Interview Stellung zur schwierigen Situation bei den Basler Basketballern – und versucht, vorauszublicken.

Martin Spörri, Präsident Starwings.

Der Captain der Starwings wurde entlassen, weil er einen Mitspieler verprügelt haben soll. Vereinspräsident Martin Spörri nimmt im Interview Stellung zur schwierigen Situation bei den Basler Basketballern – und versucht, vorauszublicken.

Sportlich stehen die Starwings Basket Regio Basel vor dem Verpassen der Playoffs. Doch darüber spricht beim einzigen Deutschschweizer Basketballverein niemand, denn die Geschehnisse neben dem Feld haben Überhand genommen: Der Captain am Montag entlassen, nachdem er am Freitag während des Spiels auswärts gegen Lugano einen Mitspieler in der Garderobe mutmasslich zusammengeschlagen hatte.

Der Mitspieler wurde suspendiert. Der Verein legt ihm nahe, das Angebot der sofortigen Vertragsauflösung mitsamt einer Abfindung anzunehmen und den Club zu verlassen, obschon ihm gemäss Vereinspräsident Martin Spörri die Rolle des Opfers zukomme.

Zum Einsatz jedenfalls wird der Spieler in Birsfelden nicht mehr kommen, er sei Teil des Konflikts, mit dem sich die Mannschaft ab sofort nicht mehr beschäftigen soll. In Zukunft will der Verein vermeiden, dass zwei Charaktere mit Konfliktpotential gemeinsam bei den Starwings spielen.

Martin Spörri gibt im Interview einen Einblick in den Verein, dessen Mannschaft hochgelobt in die Saison gestartet war, danach die Erwartungen nicht erfüllen konnte und jetzt ungewollte Schlagzeilen macht, an denen sich auch die Sponsoren nicht erfreuen.

Martin Spörri.

Martin Spörri. (Bild: Hans-Jürgen Siegert)

Martin Spörri, können Sie uns sagen, wie es zu dieser Eskalation in der Garderobe kommen konnte?
Wenn ich es wüsste, könnte ich es sagen. Es hat sich eine Dynamik entwickelt, die nicht voraussehbar gewesen war.  Natürlich waren die beiden Spieler in einem Hahnenkampf und haben beide überreagiert. Aber in der Konsequenz, die Tat selbst, das konnte man nicht voraussehen.

Sind allein menschliche Gründe für den Vorfall verantwortlich oder gibt es andere Ursachen?
Es ist eine Grenze überschritten worden, bei der ich mir nicht vorstellen kann, dass dahinter nicht irgendwelche persönlichen Probleme stecken. Ich will keine Diagnose verbreiten, aber das Überschreiten dieser Grenze ist ähnlich wie bei einem Amoklauf, wo man letztendlich auch nicht genau weiss, was der Auslöser war. Zwar gibt es Indizien, dass jemand sehr unzufrieden ist, aber was dazu führt, dass eine Tat begangen wird, das ist schwierig zu wissen. Das hat sicherlich persönliche Gründe, oder eine Drucksituation vielleicht, ich weiss es nicht.

Gibt es Gruppen im Team, die auf der einen oder anderen Seite stehen?
Das ist mir nicht bekannt.

Haben Sie im Verein von den Animositäten zwischen den beiden Spielern gewusst?
Ja, das hat man immer wieder gespürt, das ist klar. Aber das ist im Sport auch normal, wenn ehrgeizige Leute miteinander in einem Team sind. Dass man nicht immer ein Herz und eine Seele ist und eine Konkurrenz herrscht, das ist normal. Das ist beim FC Basel nicht anders.

Dass die Tat vom Captain der Mannschaft ausging, macht die Situation besonders delikat. Haben Sie den Captain falsch gewählt?
Das kann sein. Aber wir haben den Captain bewusst gewählt, weil er mit Haut und Haar, mit jeder Faser für den Basketball lebt. Er war immer 100 Prozent mit seiner Energie beim Sport, manchmal mit mehr. Vielleicht haben wir ihn mit der Rolle des Captains überfordert. Vielleicht war er auch überfordert mit der menschlichen Führungsqualität, die es als Captain auch braucht. Möglicherweise haben wir ihn falsch eingeschätzt. Eigentlich dachten wir, dass er der Aggressivleader ist, wie man so schön sagt, der das Team pushen kann, es nach vorne bringen kann, im positiven Sinne.

Entlassen wurde nur einer der beiden Spieler. Strafrechtlich ist die Schuldfrage allerdings nicht geklärt. Warum wurde also der eine entlassen, der anderen nicht?
Es gibt schwerwiegende Indizien, dass die tätlichen Auseinandersetzungen vom Captain ausgegangen sind. Das sieht man auch an den Verletzungen. Das Vertrauensverhältnis ist derart schwer erschüttert und gestört und aufgrund des Straftatbestandes, bei dem wir davon ausgehen, dass eine schwere Straftat vorliegt, was auch die Polizei so einschätzt, sind genügend Gründe vorhanden, um den Spieler fristlos zu entlassen. Beim zweiten Beteiligten gibt es zu wenige Indizien, die darauf hinweisen, dass es rechtlich haltbar wäre, das Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Und trotzdem streben Sie an, das Arbeitsverhältnis nächste Saison nicht weiterzuführen.
Genau.

Warum nicht?
Er war innerhalb des Teams ein Teil des Konflikts und auch kein Engel. Würde er zurückkommen, müsste sich das Team wieder damit auseinandersetzen. Abgesehen davon, dass er jetzt verletzt ist, wird er in diesem Team nicht mehr spielen können. Da wären wir zu wenig glaubwürdig.

Verstehe ich Sie richtig: Es gibt noch andere Konflikte im Team?
Nein, es gibt keine anderen Konflikte. Es geht nur um den Konflikt zwischen den beiden Beteiligten. Es wäre falsch, wenn wir ihn spielen lassen würden, weil er sicherlich mitverursachend war. Rechtlich müssten wir einen Nachweis erbringen, dass er eine schwerwiegende Verfehlung begangen hat, was wir aber nicht können.

Und beim Captain können Sie das, obschon es noch keinen Gerichtsentscheid gibt?
Ja, es gab eine Personenverletzung, die protokolliert ist. Die Indizien, der ganze Ablauf sprechen dafür, dass nicht unbedingt der andere Spieler der Aggressor war, sondern dass er das Opfer war.

«Für die Sponsoren ist das nicht sonderlich angenehm.»


Was heisst das jetzt für den Verein?
Wir haben versucht, das Krisenmanagement korrekt durchzuziehen, hatten auch mit den Sponsoren Kontakt und haben offen kommuniziert.

Wir haben die Sponsoren reagiert?
Für die Sponsoren ist das nicht sonderlich angenehm, das ist klar.

Ist ein Sponsor ausgestiegen?
Nein, aber das weiss man erst, wenn man in den Verlängerungsverhandlungen steht. Vielleicht hat das dann noch Nachwirkungen, das weiss ich nicht.

«Es ist kein Zufall, dass es zwischen diesen beiden Spielern zur Schlägerei kam.»

Was heisst die Situation für Sie hinsichtlich nächster Saison?
Im Hinblick auf nächste Saison werden wir die Auswahl der Spieler anpassen und vermehrt auf den Charakter schauen. Wir werden uns auch Gedanken darüber machen, ob es in einer Mannschaft mehrere Häuptlinge verträgt.

Ist es nicht etwas unrealistisch, die Charaktereigenschaften von Spielern zu prüfen? Schliesslich kommen ausländische Spieler sehr oft in Basel an, ohne dass Sie sie jemals persönlich getroffen haben, sondern vor allem Statistiken und Youtube-Filme von ihnen kennen?
Wir haben ja auch in der Vergangenheit nicht blauäugig Spieler verpflichtet. Wir holen Erkundigungen ein und haben Kontakte mit den anderen Ligen. Wenn Spieler in Frankreich oder Deutschland aktiv waren, dann wissen wir in etwa, was uns erwartet.

Beim nun entlassenen Spieler hätten Sie es aber auch wissen müssen, er kam ja nicht aus dem Ausland.
Wir kannten ihn – und haben nie mit einem solchen Vorfall gerechnet. Das war vielleicht eine falsche Einschätzung aber dagegen ist man auch in Zukunft nicht gefeit. Bösartig könnte man sagen: Wir haben die Augen verschlossen. Klar ist, dass es kein Zufall ist, dass es gerade in der Konstellation zwischen diesen beiden Spielern zu einer Schlägerei gekommen ist.

Am Montag wurde der einstimmige Entscheid gefällt, dass der Captain entlassen und mit dem anderen Spieler eine Vertragsauflösung angestrebt wird.
Es war die einzig richtige Entscheidung. Wir haben die beiden Spieler angehört, den einen vor Ort, der andere wollte oder konnte nicht kommen. Wir haben ihm aber das Protokoll zugeschickt, worauf keine Stellungnahme kam, er das Dokument also akzeptierte. In der Nacht auf Dienstag hat der Mann die Kündigung erhalten, am Dienstag ist sie eingeschrieben per Post weg. Darauf hat er auch nicht reagiert, wobei er immer noch vor Gericht darauf reagieren kann, das werden wir sehen.

Sind Sie auf der sicheren Seite oder wird arbeitsrechtlich noch etwas auf Sie zukommen?
Nein, ich habe mich relativ stark mit Bundesgerichtsentscheiden auseinandergesetzt. Wir sind mit grosser Wahrscheinlichkeit auf der sicheren Seite.

Soweit wir informiert sind, hat das Opfer die Nase gebrochen, Schäden an den Zähnen, wurde im Mund genäht und hat eine Fussverletzung. Von diesen Verletzungen ist eigentlich nur der Fuss ein Problem im Basketball. Was würde geschehen, wenn er vor dem letzten Saisonspiel noch fit würde?
Wir haben ihm am Montag eröffnet, dass der Vertrag nicht aufgelöst wird, er aber nicht mehr eingesetzt wird.

Sie haben ihn suspendiert.
Genau. Wir haben ihm gesagt, dass er die Starwings sofort verlassen könne und wir ihm eine Abgeltung bezahlen würden. Er wäre gut beraten, das Angebot anzunehmen, dann kann er zurück nach Litauen und hat möglicherweise das Glück, irgendwo die Saison fertig spielen zu können. So, wie letzte Saison Justin Dobbins, der noch in Venezuela untergekommen ist.

Es dürfte für den Spieler schwierig werden, einen neuen Verein zu finden, nachdem er in einen solchen Konflikt verwickelt war.
Das wird in der Tat nicht ganz einfach. Andererseits ist es klar, dass er eher das Opfer ist und nicht der Täter.

Artikelgeschichte

Auf Anfrage von Miroslavs Petkovic, dem prügelnden Captain, wurden die Namen der beiden an der Gewalt Beteiligten anonymisiert. Dies geschieht freiwillig und als Zeichen des guten Willens, was Ash dem Mann im Auftrag von CR CD so mitgeteilt hat.

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