Brasilien leidet mit Neymar und macht sich Mut für den Halbfinal

Vor dem ersten Halbfinal dieser WM gegen Deutschland (Dienstag, 22 Uhr) findet Altmeister Ronaldo: «Wir Brasilianer geben nicht auf, nur weil ein Spieler ausfällt. Nicht mal, wenn er Neymar heisst.» Der gebrochene Lendenwirbel des Superstars hat den Brasilianern aber auch ein bisschen das Herz gebrochen.

Die Verletzung und der Ausfall von Neymar – hier bei seiner Videobotschaft an die Fussball-Nartion – bricht den Brasilianern das Herz.

Vor dem ersten Halbfinal dieser WM gegen Deutschland (Dienstag, 22 Uhr) findet Altmeister Ronaldo: «Wir Brasilianer geben nicht auf, nur weil ein Spieler ausfällt. Nicht mal, wenn er Neymar heisst.» Der gebrochene Lendenwirbel des Superstars hat den Brasilianern aber auch ein bisschen das Herz gebrochen.

Plan A hiess Neymar, Plan B und C auch. Plan D gibt es nicht. Den am Freitag nach einem Kniestoss ins Kreuz malträtierten brasilianischen Fussballwunderknaben kann niemand in der Seleção ersetzen. Und doch wird die Nationalmannschaft am Dienstag in Belo Horizonte mit elf Spielern gegen Deutschland auflaufen, um den Halbfinal zu gewinnen und damit das Endspiel der Weltmeisterschaft am 13. Juli in Rio de Janeiro zu erreichen.

Doch wie wird Trainer Luiz Felipe Scolari den Ausfall des an einem Bruch des dritten Lendenwirbels leidenden Superstars kompensieren können gegen eine deutsche Elf, die unversehens in die Favoritenrolle gedrängt worden ist und damit auch erst einmal klarkommen muss?

«Man hat mir den Traum genommen, einen WM-Final zu spielen, aber der Traum, Weltmeister zu werden, ist noch nicht zu Ende.»

Das fiese Foul des Kolumbianers Juan Zuniga kurz vor Ende des von Brasilien 2:1 gewonnenen Viertelfinalduells von Fortaleza hat vielen Brasilianern und natürlich auch Neymar und seinen Kollegen in der Seleção die Tränen in die Augen getrieben (Zuniga wird nachträglich nicht gesperrt). Wie er auf einer Trage in einen Helikopter gehievt wurde, noch einmal allen, die mit ihm leiden, zuwinkte und vom brasilianischen Trainingscamp Teresopolis in seinen Heimatort Guarúja im Bundesstaat Sao Paulo gebracht wurde, ging den Menschen zu Herzen.

So wie Neymars wenig später im Fernsehen ausgestrahlte Videobotschaft, in der der Stürmer, der bisher nicht nur wegen seiner vier Turniertreffer ganz allein für das mit Brasiliens Fussballglanz assoziierte jogo bonito stand, mit verheulten Augen sagte: «Man hat mir den Traum genommen, einen WM-Final zu spielen, aber der Traum, Weltmeister zu werden, ist noch nicht zu Ende.»

Kann sein, dass das Idol mit seiner zum Markenzeichen gewordenen schief sitzenden Baseballkappe im Halbfinal sogar dabei ist – als Tribünengast im Estadio Mineirao. Den Fussballkünstler, dessen Rücken derzeit ein Korsett stützt, werden die Fans erst wieder in einigen Wochen im Trikot seines Vereins FC Barcelona sehen.

Sollte Neymar sich das Spiel gegen Deutschland mit ärztlicher Erlaubnis anschauen dürfen, wäre das ein weiterer emotionaler Schub für die Brasilianer, die in Belo Horizonte wie schon beim Achtelfinal-Zittersieg per Elfmeterschiessen über Chile eine bebende gelbe Wand wie sonst nirgendwo in Brasilien hinter sich haben. Belo Horizonte ist eine Hochburg der Fussballleidenschaft wie in Deutschland die Dortmunder Arena.

Aufmunterung durch Pelé

In der Stunde der nationalen Fussballnot hat sich sogleich auch der Fussballkönig des Landes, Pelé, gemeldet, der daran erinnerte, dass auch er 1962 bei der WM in Chile früh wegen einer Verletzung passen musste und sein Platzhalter Amarildo die wichtigsten Tore zum späteren Titelgewinns schoss. «Danach», hob der bisher beste Kicker, den die Welt je sah, hervor, «hat Gott Brasilien geholfen, das Turnier zu gewinnen».

An ein glückliches Ende der brasilianischen Mission «Hexacampeao», also WM-Titelgewinn Nummer sechs, glaubt auch Ronaldo, der wuchtigste und unwiderstehlichste Angreifer, den das Land je hervorbrachte. Ronaldo hat die Deutschen schon einmal prophylaktisch gewarnt: «Wenn sie glauben sollten, sie träfen auf ein schwaches, demoralisiertes Team, begingen sie einen Riesenfehler. Brasilien war immer mehr als nur ein Spieler.»

Erster Ersatzkandidat: Willian vom Chelsea FC

Das aber war der Mannschaft von heute bislang nur in der ersten Hälfte des Spiels gegen Kolumbien anzusehen, in der Brasilien kollektive Stärke zeigte und Neymar nicht wie sonst glänzte. Scolari muss nun entweder das 4-2-3-1-System zu einem 4-3-3 oder 4-4-2 umbauen oder auf ein Hoch seiner bisher eher im Dauertief verharrenden kreativen Spieler wie Oscar hoffen.

«Wir Brasilianer geben nicht auf, nur weil ein Spieler ausfällt. Nicht mal, wenn er Neymar heisst. Unser Team wird umso motivierter sein.»

Erster Kandidat, in die Selecao auf Neymars Stammplatz zu rücken, ist Willian, der Flügelstürmer des FC Chelsea, der bisher bei drei Kurzeinsätzen ebensowenig auffiel wie der zweite Neymar-Ersatz Bernard, ein 1,66 Meter grosser Dribbler, der bei Schachtjor Donezk seine erste Saison in Europa hinter sich hat.

Möglich erscheint aber auch, dass Scolari seine Defensivformation im Mittelfeld um einen Mann verstärkt, so dass der von einer Gelbsperre zurückkehrende Wolfsburger Luiz Gustavo im Verbund mit Paulinho und Fernandinho den drei Angreifern Hulk, dessen Formanstieg sich abzeichnet, Fred, bisher ein Komplettausfall, und Oscar den Rücken freihalten könnte.

«Wir Brasilianer geben nicht auf»

Den nach zwei Gelben Karten gesperrten Abwehrchef Thiago Silva dürfte gerade gegen die Deutschen Dante, bei Bayern München eine Stammkraft, ersetzen. Ein Tausch ohne grosses Risiko für Scolari. Dante offenbarte nach dem Neymar-Schock als erster Vorfreude auf die Duelle mit lauter alten Bekannten. «Ich freue mich und bin schon ein bisschen heiss», sagte er am Wochenende.

Eine Betriebstemperatur, die bis Dienstag nicht abkühlen wird, zumal Altmeister Ronaldo vorhersagte: «Wir Brasilianer geben nicht auf, nur weil ein Spieler ausfällt. Nicht mal, wenn er Neymar heisst. Unser Team wird umso motivierter sein.»

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