Buntes Treiben im «Bach»

Schwimmen, Rudern, Wellenreiten: Der Rhein wird immer mehr für sportliche Aktivitäten genutzt. Ein Überblick zum Sommerauftakt.

Wakeboarder Kaspar Leuenberger aus Oberwil beim Training auf dem Rhein. (Bild: Dominik Plüss)

Schwimmen, Rudern, Wellenreiten: Der Rhein wird immer mehr für sportliche Aktivitäten genutzt. Ein Überblick zum Sommerauftakt.

Vor zwanzig Jahren rannten noch nicht einmal die Jogger dem Rhein entlang. Heute vergnügt sich halb Basel im und am «Bach». Jeden Sommer glitzern die bunten Schwimmsäcke mit den leuchtenden Wasserspiegelungen um die Wette. Der kühlende Schwumm nach dem anstrengenden Tag im Büro ist zum Ritual geworden und macht ein grosses Stück der hiesigen Lebens­qualität aus.

Sich treiben lassen im Rhein, gemütlich wieder hochspazieren, die ­heisse Sonne trocknet unterwegs Haut und Haar – es ist eine Völkerbewegung, die verbindet. Sie lässt einen die Stadt anders erleben, viele sagen intensiver. Keine Frage, die Baslerinnen und Basler haben den Rhein entdeckt und erobert. Mittlerweile gehört er fest zur kulturellen Identität der Stadt, ist ihre Lebensader: Wer nicht wenigstens ab und zu im Rhein schwimmt, ist eigentlich kein echter Bebbi.

Traditionell, trendig, verrückt

Und die Begeisterung nimmt weiter zu. Immer mehr Schwimmsäcke werden verkauft, das offizielle Rheinschwimmen erfreut sich ungebremster Beliebtheit, und der Fluss wird für mehr und mehr Sportarten genutzt: von traditionell (Wasserfahren, Rudern) über trendig (Wasserski, Wakeboard) bis zu verrückt (Schwimmen im Winter). Man kann die sportive Nutzung des Rheins als Folge der sich immer weiter ausdifferenzierenden Outdoor-Euphorie verstehen: Freizeit heisst, die Natur am eigenen Körper zu erfahren.

Dabei spricht nicht alles für die zwanglose und massenhafte Vereinnahmung des Rheins. Schwimmen in fliessenden Gewässern birgt immer Gefahren. Letzten Sommer blieb eine ältere Frau mit ihrem Schwimmsack an einer Boje hängen und starb später im Krankenhaus an den dabei zugezogenen Verletzungen.

Oder 2004, als ein Motorboot zwei Rheinschwimmerinnen anfuhr. Damals wurde gar der Ruf nach einem Schwimmverbot laut, mittels einer Petition hatten sich schon über 8000 Personen voreilig gegen allfällige Einschränkungen zur Wehr gesetzt.

 Verbote wurden zwar keine erlassen, seitdem aber grenzen Bojen die Schwimmzonen ab – vor allem auf der Grossbasler Seite ist das Aufhalten im Wasser ab Wettsteinbrücke bis vor der Johanniterbrücke sowie generell in der Flussmitte nicht erlaubt – respektive es wird als «gefährlich» taxiert.

Stabile Wasserqualität

Es ist auch nicht so, dass sich in den letzten zwanzig Jahren die Wasserqualität markant verbessert hätte, wie ­Sylvia Gautsch, Leiterin Mikrobiologie im kantonalen Laboratorium, weiss: «Aus­ser beim Birsköpfli, wo die Qualität wirklich sehr schlecht war und wir diese mit gezielten Massnahmen bei der Kläranlage ARA Birs deutlich verbessert haben, ist sie überall in etwa gleich geblieben.»

Das Wasser sei bei anhaltenden Schönwetterperioden am saubersten, nach heftigen Regenfällen empfehle es sich dagegen nicht, in den Rhein zu steigen. Von vermeintlichen Gefahren oder der Wasserqualität lassen sich an heissen Tagen inzwischen jedoch die wenigsten abhalten – der Rhein lebt wie nie zuvor.

Schnelles Gewässer

Wer sich irgendwo zwischen Schwarzwald- und Dreirosenbrücke ans Rheinufer setzt, dem zeigt sich die bunte Vielfalt des Wassersports. In Boten rudernd und stachelnd, auf Wasserskis und Wakeboards akrobatische Sprünge über die Bugwelle vollführend oder einfach schwimmend zieht man flussab- und aufwärts.

Die Ersten, die sich im Rheinwasser sportlich betätigten, waren die Wasserfahrer, die in ihren Weidlingen heranrudern und dem Ufer entlangstacheln. Die Anfänge des Wasserfahrens gehen auf die Flösserei und den Warentransport zurück. Ab dem 14. Jahrhundert organisierten sich in Basel die Schiffer- und die Fischerleute in Zünften, aus denen rund 400 Jahre später eine Eliteeinheit für die Schweizer Armee rekrutiert wurde. Die ersten Wasserfahrvereine distanzierten sich von militärischen Zwecken und stellten den sportlichen Wettkampf, das gesellige Beisammensein und die «Stärkung der Nerven» in den Vordergrund.

Heute zählt Basel sechs Wasserfahrvereine, drei weitere gibt es in Birsfelden und Muttenz. «Der Rhein ist ein relativ schnelles Gewässer. Das erfordert viel Kraft und Technik. Alles geht rascher – oder eben langsamer», kommentiert Heinz Kaupp, Präsident des Fischer Clubs Basel, die hiesigen Wasserverhältnisse. Getreu ihrem Credo «Den Wellen zum Trutz, dem Nächsten zum Schutz» zählen die Wasserfahrer die Unterstützung von Polizei und Feuerwehr im Katastrophenfall zu ihren wichtigsten Aufgaben.

Attraktiv als Trainingstrecke

Im gleichen Boot sitzen die Ruderer. Auch für sie bedeutet der Wellengang eine besondere Herausforderung. Die Leichtigkeit ihrer Sportgeräte trägt zusätzlich dazu bei. Doch gerade die ­Strömung hat für die Ruderer auch ­etwas Nützliches: «Die schnelleren Boote fahren in der Mitte, die langsameren in Ufernähe. So sind alle etwa gleich schnell, und wir können in einer Gruppe trainieren», erklärt Matthias Schmitz, Cheftrainer des Ruderclubs Basel, die Vorteile des fliessenden Gewässers.

Welchen Widerstand dieser Fluss aufbringen kann, zeigt ein Blick auf die Stoppuhr. Die übliche Trainings­strecke vom Birsfelder zum Wyhler Wehr ­legen die Ruderer bei ordentlicher Strömung flussabwärts in 20 Minuten zurück. Gegen den Strom kostet es eine Stunde. Beim «Basel Head», der internationalen Achterregatta auf dem Rhein, zieht es die Ruderer dagegen in die Innenstadt: Von der Kaserne aus gehts flussaufwärts bis zum Birs­felder Wehr, wo die Wassersportler eine im Rudersport seltene Wende vollführen, um zurück zur Kaserne zu fahren.

Schwimmen bei Minustemperaturen

Neben den unterschiedlichen Fliessgeschwindigkeiten kennt Schmitz noch einen weiteren Vorzug des Rheins: «Im Gegensatz zu stehenden Gewässern friert er bei Minustemperaturen nicht ein.» Das kommt auch Luana Huber entgegen. Denn was die einen nur im Sommer tun, ist bei der 35-Jährigen auf keine Jahreszeit begrenzt. Ende ­Januar genauso wie Mitte Juli schwimmt die Baslerin im Rhein. Noch vor der Arbeit trifft sie sich mit einer Freundin im Rheinbad Breite, deponiert ihre Sachen und geht flussaufwärts bis zur Schwarzwaldbrücke, von wo sie sich den Rhein hinuntertreiben lässt. Mit der Wassertemperatur nimmt auch die Schwimmdistanz ab: «Unter sechs Grad schwimmen wir nur 200 Meter, dann schmerzt es schon», sagt Huber.

Obwohl die sportliche Nutzung des Rheins immer noch zunimmt – Kolli­sionen sind relativ selten. «Solange sich die Schwimmer an die Regeln halten und innerhalb der blauen Bojen bleiben, gibt es keine Probleme», sagt Hans-Rudolf Roth, Präsident des Wasserski Clubs Basel. Bei den hohen Geschwindigkeiten, die im Wasserski-Sport erreicht würden, erscheine ein Schwimmer oft nur noch als kleiner schwarzer Punkt im Wasser.

Die Entwicklung im Wasserski-Sport ähnelt jener im alpinen Skisport vor einigen Jahren: Je jünger die Klientel, desto eher begnügt sie sich mit nur einem Brett. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern suchen die Wakeboarder immer wieder die Bugwelle, um Salti und stilvolle Sprünge aufs Wasser zu bringen. Komplettiert wird der Sportbetrieb auf dem Rhein von Kanuten, Drachenbootfahrern, Seglern und ab und an von Fischern und Tauchern.

Neuer Trend aus Hawaii

Der neueste Trend ist das Stand-­Up-Paddling (Stehend-Paddeln), das aus Hawaii nach Europa hinübergeschwappt ist. Ursprünglich aus Langeweile der Surfer bei wenig Wind und seichtem Gewässer entstanden, hat die neue Sportart inzwischen einen kleinen Hype entfacht.

Als OK-Mitglied hat Stefan Kausch die sogenannten SUP Days vom übernächsten Wochenende mitorganisiert. Am 9. und 10. Juni kann man sich bei der Johanniterbrücke wettkampfmässig im Stehend-Paddeln messen oder es in aller Gemütlichkeit ausprobieren. «Stand-Up-Paddling ist ein gelenkschonender Sport, der den ganzen Körper beansprucht», schwärmt Kausch. «Und es bricht mit der Hektik, die wir aus dem Alltag kennen.»

Das trifft es wohl ganz gut: Im Wasser vergessen wir den Alltag. Der Körper wird sanft bewegt, schaltet ab und tankt auf. Gerade deshalb ist der Rhein von unschätzbarem Wert: Er aktiviert den im Büro meist sitzenden Körper und reinigt den Geist – ganz unabhängig von der Badewasserqualität.

 

So etwa dürfte es an den 1. SUP Days in Basel zugehen.

HeRheinspaziert!

Wer sich schon immer einmal in einen Grosskanadier setzen oder auf ein Wakeboard stellen wollte, kann das am ­24. Juni tun. An der zweiten Ausgabe von «HeRhein­spaziert» bieten das Sportamt Basel-Stadt und die Basler Wassersportvereine kostenlose Schnupperkurse in den verschiedensten Wassersportarten an. Nachdem die erste Ausgabe auf der Kraftwerkinsel bei Birsfelden durchgeführt wurde, findet der Anlass dieses Jahr rund um die Johanniterbrücke statt. Anreise mit der Bus­linie 30 (Haltestelle Erasmusplatz) oder mit dem 11er-Tram (Haltestelle Johanniterbrücke).

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 01.06.12

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