Chelsea und eine neuerdings herzlich gepflegte Abneigung

Für den Chelsea FC ist es – bevor er am Donnerstag in Basel gastiert – ein normales Auswärtsspiel, in dem es um die Champions League geht. Für seinen Trainer Rafael Benítez aber ist die Partie heute (17.00 Uhr MEZ) in Liverpool eine emotional aufgeladene Rückkehr. Unser London-Korrespondent schildert, warum.

Eine emotionale Rückkehr an alte Wirkunsgsstätte: Chelseas Interimscoach Rafa Benítez muss am Sonntag nach Liverpool. (Bild: Reuters/PHILIP BROWN)

Für den Chelsea FC ist es – bevor er am Donnerstag in Basel gastiert – ein normales Auswärtsspiel, in dem es um die Champions League geht. Für seinen Trainer Rafael Benítez aber ist die Partie heute (17.00 Uhr MEZ) in Liverpool eine emotional aufgeladene Rückkehr. Unser London-Korrespondent schildert, warum.

Die Liverpool-Fans haben den 53-Jährigen Rafael Benítez zuletzt öfters mit Sprechchören gefeiert, das hat dem aktuellen Trainer Brendan Rodgers gar nicht gefallen. Benítez, der am Ende der Saison seinen Posten bei Chelsea wieder räumen muss, hat sich ausserdem in den vergangenen Wochen mehr oder minder geschickt für eine Wiederanstellung an der Mersey beworben.

«Ich werde nach Liverpool zurück kehren», hatte er der spanischen Sportzeitung «Marca» erzählt, damit wollte er jedoch nur die Stadt gemeint haben, nicht den Verein. Seine Familie wohnt noch immer dort.

Unser täglich Chelsea

Eine kleine Serie über den Gegner des FC Basel, wenn der nächste Woche (Donnerstag, 21.05 Uhr, St.-Jakob-Park) das erste Halbfinal seiner Europacup-Geschichte gegen den Chelsea FC spielt.

Folge 1 beschäftigte sich mit dem 3:0 der Blues am Mittwoch im Londoner Derby beim FC Fulham. Im Rennen um einen Champions-League-Platz ist bei Chelsea vom FC Basel noch keine Rede.
In Folge 2 wird Juan Mata vorgestellt, der gerade für die Wahl des Spielers des Jahres in England nominiert wurde: Mit dem Gespür für Ästhetik.
Folge 3 schildert, wie es bei Chelsea zu und her ging, bevor Roman Abramowitsch sich den Club 2003 unter den Nagel riss: Die stilsichere Diva.

Am Montag: Wie es Benítez und Chelsea tatsächlich in Liverpool ergangen ist.

In Branchenkreisen ist es aber ein offenes Geheimnis, dass seine Berater im vergangenen Jahr den Kontakt zu den amerikanischen Eigentümern des FC Liverpool suchten. Vergeblich jedoch. «Jeder Trainer ist anders», kommentierte Rodgers diese Annäherungen, «ich würde nie über einen Posten reden, den ein anderer Trainer innehat.»

Die neue Rivalität

Benítez betonte, sich «professionell» verhalten zu wollen: «Ich muss die Gefühle und Erinnerungen ausblenden, denn ich will mit meiner Mannschaft gewinnen». So einfach wird das für alle Beteiligten jedoch nicht. In den sechs Jahren, die der Spanier den FC Liverpool trainierte, entstand eine immense Rivalität mit dem FC Chelsea, seinem jetzigen Club. Diese Feindschaft erklärt sowohl sein nach wie vor enormes Standing bei den Reds als auch die Abneigung, die ihm nach wie vor in West-London entgegen schlägt.

Zwischen den beiden Clubs hatte nie eine besondere Beziehung geherrscht, beide hatten stets ganz andere Konkurrenten. Doch in seiner ersten Saison in Liverpool 2004/05 änderte sich alles. Benítez traf im Ligapokal-Finale auf einem Mann, der ebenfalls seine erste Spielzeit auf der Insel erlebte: José Mourinho.

Der Portugiese provozierte die Liverpool-Fans nach Chelseas 3:2-Sieg in der Verlängerung mit einer «Seid still»-Geste und legte dazu seinen Arm tröstend um Steven Gerrard. Auch das war ein Affront: Chelsea hatte sich im Sommer zuvor stark um den Transfer des Liverpool-Captains bemüht. Im Nordwesten des Landes wurde gemunkelt, dass Gerrard sich schon für einen Wechsel entschieden hatte, aber nach Drohungen gegen sich und seine Familie einen Rückzieher machte.

Mourinho war damit der Buhmann bei den Reds. Zwei Monate später knallte es das nächste Mal: Liverpool und Chelsea bestritten den Halbfinal der Champions League. Nach dem 0:0 im Hinspiel an der Fulham Road lästerte Benítez, dass die Fans an der Anfield Road im Gegensatz zu denen von Chelsea gewiss keine «Plastikfahnen» brauchen würden, um ihre Mannschaft zu motivieren. Diesen Satz haben ihm die Anhänger der Blues nie verziehen.

Der nächste Eklat – ein Phantomtor

Im Rückspiel siegte Liverpool dank eines äusserst kontroversen Treffers von Luis Garcia – «ein Phantomtor, der Ball war nicht über der Linie», fauchte Mourinho – und zog ins Endspiel von Istanbul ein. Dort gewann Benítez nach 0:3-Rückstand gegen den AC Milan im Elfmeterschiessen Liverpools ersten Europapokal seit 1984.

Es folgte ein Halbfinal im FA-Pokal (2006) und noch ein Champions-League-Halbfinal (2007) – und Mourinho zog in beiden Fällen den Kürzeren. Bis zum Abschied des Portugiesen im September 2007 begegneten sich die Kontrahenten insgesamt 16 Mal. Unabhängig von den Resultaten verspotteten die Liverpooler das durch die Millionen von Roman Abramowitsch zum Spitzenverein aufgepumpte Chelsea dabei jedes Mal als Club «ohne Geschichte».

Benitez, der Verfolgte

Diese Rivalität verfolgt Benítez seit seiner Unterschrift in London im Februar unerbittlich. Ein 15-Jähriger Blogger aus Tschechien stellte einen alten Satz von Benítez ins Netz: «Aus Respekt für Liverpool würde ich nie zu Chelsea gehen». In West-London waren die Fans ausser sich. Später stellte sich heraus, dass der Teenager die Aussage frei erfunden hatte, doch da war Benítez‘ Ruf schon beschädigt.

In den vergangenen Woche haben die Animositäten dank der durchweg guten Ergebnisse ein wenig abgenommen, doch das macht die Rückkehr am Sonntag nicht weniger problematisch. Vielleicht hofft Benítez insgeheim auf ein Unentschieden.

 

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