Mit dem FC Sion reist ein ganzer Kanton zum Cupfinal ans Rheinknie. Sions Präsident Christian Constantin spricht im Interview über die Bedeutung des Cups, den Verlust von Führungskräften im Fussball und die Unterschiede zwischen den Fangruppen.
Christian Constantin, welche Bedeutung hat die erneute Teilnahme am Cupfinal für Sie?
Der Cup ist viel emotionaler als die Meisterschaft, weil in einem Cupspiel eine Mannschaft weiterkommt und die andere nicht. In der Liga hingegen kann man Niederlagen korrigieren. Dazu kommt, dass Cupspiele ganze Regionen mobilisieren, weil der Wettbewerb stärker in den Herzen der Menschen verankert ist. Und der Moment, in dem der Sieger die Cuptrophäe in die Höhe stemmt, wird von viel mehr Menschen in der Schweiz wahrgenommen als der Moment der Pokalübergabe in der Meisterschaft.
Die Emotionen waren beim 0:0 des FC Basel gegen YB, beim Unentschieden, das die Meisterschaft sicherte, in der Tat nicht überschäumend.
Weil es nur eine Frage des Moments war. Alle wussten, wenn es nicht an diesem Tag passiert, passiert es einfach eine Woche später gegen den FC Aarau. In der Meisterschaft erhält man irgendwann eine Vorstellung davon, wer den Pokal gewinnen wird. Im Cup aber ist das bis zum letzten Spiel unklar. 1997 haben wir am Mittwoch die Meisterschaft gewonnen und am Montag danach den Cup. Und ich kann Ihnen sagen: Der Cupsieg war fast emotionaler als die Meisterschaft.
Das heisst, Sie ziehen den Cup immer der Meisterschaft vor?
Bis wir den 13. Cuptitel gewonnen haben, würde ich sagen: ja. Denn dieser 13. Stern hat im Wallis eine viel höhere Bedeutung als eine dritte Meisterschaft.
Allerdings müssten Sie mit der Mannschaft, die Sie aktuell zur Verfügung haben, irgendwann auch in der Meisterschaft wieder oben mitspielen wollen.
Wir haben in diesem Frühling viele Dinge richtig gemacht, nur im Herbst hatten wir Probleme. Aber es stimmt, die Transfers von Veroljub Salatic, Reto Ziegler und Elsad Zverotic haben die Mannschaft enorm verstärkt. Wir haben also eine komplett neue Situation im Vergleich zum Herbst. Aber es ist klar, im kommenden Jahr müssen wir besser abschneiden als Rang sieben.
«Seit wir 2006 wieder aufgestiegen sind, ging es um 18 Pokale, in der Liga und im Cup. 10 Pokale hat sich Basel geholt, 4 der FC Zürich, 3 wir und 1 Pokal ging an GC. Das zeigt klar und deutlich: Basel liegt vor allen anderen.» (Bild: Keystone/LAURENT GILLIERON)
Bleibt die Mannschaft denn zusammen? Können Sie Ihren besten Torschützen Moussa Konaté halten?
Ja. Der Letzte, mit dem ich die Verhandlungen beenden muss, ist Ziegler. Die anderen bleiben.
Und Konatés Abgang können Sie ausschliessen?
Er wird uns eines Tages verlassen, aber nicht sofort. Ich habe das Team bereits verjüngt. Meine letzte Mannschaft, die Generation um Xavier Margairaz also, hatte ein Durchschnittsalter von circa 28 Jahren. Die jetzige steht bei ungefähr 23 Jahren. Die Mannschaft hat also noch eine Bestandserwartung von rund zwei Jahren.
Solange die Spieler bleiben.
Der Kern bleibt gleich. Ich gehe davon aus, dass es für die anstehende Meisterschaft keine grossen Veränderungen geben wird.
Stimmt es, dass einige Fans mit der Mannschaft an den Cupfinal nach Basel fahren dürfen?
Nein. Die einzige Ausnahme ist ein junger, behinderter Fan, der von klein auf bei allen Cupfinals dabei war. Irgendwie hat das mit dem entsprechenden Ticket im St.-Jakob-Park nicht geklappt. Da schauen wir, dass er vielleicht mit der Mannschaft reisen kann. Allerdings reisen wir rund drei Tage vor dem Final ins Trainingslager in den Aargau.
In den Kanton, in dem kommende Saison kein Super-League-Fussball zu sehen sein wird. Wie schätzen Sie die Meisterschaft in der Schweiz ein?
Es ist ganz einfach: Seit wir 2006 wieder aufgestiegen sind, ging es um 18 Pokale, in der Liga und im Cup. 10 Pokale hat sich Basel geholt, 4 der FC Zürich, 3 wir und 1 Pokal ging an GC. Das zeigt klar und deutlich: Basel liegt vor allen anderen.
Sie rechnen also durchaus damit, dass Ihre Serie der Ungeschlagenheit enden könnte am 7. Juni.
Na hören Sie, Basel ist klarer Favorit!
«Wir steuern auf eine Situation zu mit je acht Mannschaften in der Super League und der Challenge League.» (Bild: Keystone/LAURENT GILLIERON)
Ist die Situation vergleichbar mit dem Cupfinal von 1995, als Sie mit GC ebenfalls einen Gegner hatten, der den Schweizer Clubfussball dominierte?
Ja, das ist durchaus vergleichbar. Aber wir haben früher auch gegen Servette gespielt. Und das Servette von damals war nicht das Servette von heute. Das war auch eine dominante Mannschaft. Als wir 2006 als Challenge-Ligist gegen YB spielten, da waren die Berner ebenfalls unter den besten Mannschaften der Super League. Wir haben also durchaus gegen favorisierte Mannschaften gewonnen. Aber klar, 1995 war das einzige Jahr, wo wir wirklich gegen den Dominator im Schweizer Fussball spielten. GC hat damals stärker dominiert als Basel heute.
Und wie geht es dem Westschweizer Fussball?
Das Problem ist, dass die Führungskräfte verloren gehen. Die Leute wollen sich nicht mehr um die Vereine kümmern, das ist die eigentliche Katastrophe. Und solange die Liga die Rahmenbedingungen im professionellen Fussball nicht ändert, ist es schwierig. Wir steuern auf eine Situation zu mit je acht Mannschaften in der Super League und der Challenge League. In der Super League brauchen alle Vereine abgesehen von Basel einen Mäzen. Und was die Vereinsspitzen betrifft, gibt es viele Wechsel. Nehmen Sie die Grasshoppers, die haben in drei, vier Jahren vielleicht sechs Präsidenten gehabt, ich habe die Zahl nicht exakt im Kopf. Und da reden wir von den Grasshoppers, einer Institution im Schweizer Clubfussball. Früher hatte man mit GC, dem FCZ und YF Juventus drei Zürcher Mannschaften in der Nationalliga A, heute haben sie Mühe, überhaupt einen einzigen wirtschaftlich gesunden Verein zu führen.
Glauben Sie wirklich, dass es der Qualität der obersten beiden Ligen zuträglich wäre, wenn jeweils nur acht Mannschaften daran teilnehmen würden?
Ich sage nicht, dass die Qualität besser wäre. Wenn man aber professioneller werden will, dann muss man reduzieren. Das Geld wächst einfach nicht auf den Feldern.
Ist eine zusätzliche Schwierigkeit für Sie, dass Sie in der Romandie keinen Konkurrenten und somit keine Derbys haben?
Für uns wäre es besser, Derbys zu haben. Wenn Derbys anstehen, gegen Servette, Lausanne oder Xamax, dann mache ich bessere Geschäfte, als wenn ich gegen Vaduz oder Aarau spiele. Es geht nicht darum, dass die Leute diese Regionen nicht kennen. Es geht darum, dass vor einem Spiel gegen Servette jeden Tag etwas in der Zeitung darüber steht «et c’est comme ça que vous faites monter la mayonnaise». Vor einem Spiel gegen Vaduz gibt es überhaupt keinen medialen Austausch und die Leute sagen sich: «Ach, gehen wir doch lieber Ski fahren als ins Stadion.»
Apropos Mayonnaise und Skifahren: Es gab einen Artikel von «Le Nouvelliste», der Ihren Sponsor «Cohen» kritisch hinterfragt und impliziert, dass es diese Ski-Firma möglicherweise gar nicht gibt.
Diese Frage müssen Sie mit «Le Nouvelliste» oder mit den Direktbeteiligten diskutieren. Ich kann Ihnen nur sagen, dass unser Sponsor in verschiedenen Bereichen aktiv ist, beispielsweise finanziert er ein grosses Projekt in Aminona. Und aus diesen Bereichen hat er die Ski-Marke «Cohen» ausgewählt, um sie auf unseren Trikots ins Blickfeld zu rücken. Es steht mir selbstverständlich nicht zu, mich in diesen ökonomischen Entscheid einzumischen. Zudem beteilige ich mich nicht an den Polemiken zu diesem Thema.
Hinter dem Projekt in Aminona steht eine russische Investorengruppe. Gibt es denn eine Möglichkeit, dass diese Gruppe zukünftig mehr Geld in den FC Sion investiert?
Nein. Sie bringen ein bisschen Sponsorengelder ein, aus Sympathie, weil sie sich in der Region engagieren. Es gibt aber keine Absichten, im Fussball mehr zu machen.
Würden Sie das überhaupt wollen?
Wir suchen natürlich immer Geld. Ich bin aber bereits froh mit dem Betrag, den Cohen einbringt.
Zurück zum Fussball: Im Spiel gegen den FCB gab es Ausschreitungen im Gästesektor des Tourbillon. Der FC Sion sprach von Sachschäden von 10’000 Franken, die Gemeinde Sitten hat als Besitzerin des Stadions Klage gegen Unbekannt eingereicht. Was ist der Stand dieser Geschichte?
Die ist eigentlich abgeschlossen. Es ist eine mühsame Geschichte, das sind einfach Geschehnisse, die in einem Fussballstadion nicht passieren dürften. In diesem Sinne ist die Geschichte um die Beziehung der Clubs zu den Fans natürlich nicht abgeschlossen. Solange wir es nicht schaffen, dieses Fehlverhalten in den Stadien zu unterbinden, werden Fussballspiele auch negativ wahrgenommen werden. Wir haben das Sicherheitsdispositiv und die Kameras vor Ort, aber das Verhalten der Menschen können wir nicht beeinflussen.
Glauben Sie, dass der Cupfinal ein gewisses Risiko birgt in dieser Hinsicht?
Die Walliser Fans bilden kein Risiko. Man hat mehr Probleme mit den Fans von Stadtvereinen als mit Anhängern der ländlicheren Regionen. Als ich beispielsweise letztes Jahr jeweils Raclette offerierte, da waren die Menschen aus St. Gallen, Luzern, Vaduz oder Aarau zufrieden, sie essen gerne ein Raclette. Mache ich es für Berner, Zürcher oder Basler, dann sind die Anhänger nicht zufrieden. Die Menschen aus verschiedenen Regionen der Schweiz unterscheiden sich doch sehr stark.
«Die Menschen aus verschiedenen Regionen der Schweiz sind verschieden», sagt Christian Constantin (rechts, neben FCB-Präsident Bernhard Heusler). (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)