Clevere Psychologen und geliebte Feindbilder – die Einzelkritiken aus St. Gallen

Goalie Tomas Vaclik versetzt sich so lange in Gegenspieler Roberto Rodriguez, bis er dessen Elfmeter abwehrt und sich damit die Bestnote abholt. Davide Calla und Marco Streller dagegen wissen, dass die St. Galler für sie in jedem Moment noch einen Pfiff bereit halten.

15.03.2015; Basel; Fussball Super League - FC St.Gallen - FC Basel; Derlis Gonzalez, Davide Calla und Matias Delgado (Basel) jubeln nach dem Tor zum 1:2 (Claudia Minder/freshfocus) (Bild: Claudia Minder/freshfocus)

Goalie Tomas Vaclik versetzt sich so lange in Gegenspieler Roberto Rodriguez, bis er dessen Elfmeter abwehrt und sich damit die Bestnote abholt. Davide Calla und Marco Streller dagegen wissen, dass die St. Galler für sie in jedem Moment noch einen Pfiff bereit halten.

Tomas Vaclik | 6
Bewies bei seinem gehaltenen Penalty, dass er ein cleverer Psychologe ist, der sich gut in einen Gegenspieler hinein versetzen kann. Hatte sich Rodridguez’ letzten Elfmeter auf Video angeschaut und dachte sich, dass der St. Galler die Ecke wohl wechseln würde. Der Rest war ein schneller Taucher nach links und der abgewehrte Schuss. Kratzte vor der Pause noch einen Kopfball Tréands aus nächster Nähe von der Linie und hatte bei den Gegentoren keine Abwehrchance.

Davide Calla | 5
Erhielt als Rechtsverteidiger den Vorzug vor Philipp Degen und trug dazu bei, dass vor allem die erste Halbzeit äusserst unterhaltsame Fussballkost bot. War sehr offensiv unterwegs, bereitete Delgados 1:0 vor und leitete das zweite Basler Tor ein, das er schliesslich selbst per Nachschuss vollendete. Wurde als Kehrseite der Medaille auch immer mal wieder erwischt, wenn er seinen weiten Weg von ganz vorne nach ganz hinten nicht in der selben Geschwindigkeit zurücklegen konnte, in der zugleich der St. Galler Konter rollte – wie beim 2:2. Freute sich über die Pfiffe des St. Galler Publikums, das ihm seinen Abgang zu GC 2008 noch immer nachträgt: «Schön, hat man mich nicht vergessen.»

Taulant Xhaka | 4
Wurde als Basler Multifunktionswerkzeug dieses Mal als klassischer Innenverteidiger eingesetzt, brauchte aber bis weit nach dem 1:1, bei dem er Sikorski nicht an dessen Torerfolg hindern konnte, bis er seine Position einigermassen gefunden hatte. Schien sich danach wohler zu fühlen, je hitziger die Atmosphäre wurde, und trug mit seinem Diskussionsbedarf seinen Teil dazu bei, dass Penalty-Schütze Rodriguez eine halbe Ewigkeit warten musste, bis er endlich anlaufen (und scheitern) durfte.

Marek Suchy | 4,5
Wirkte in einer von Trainer Sousa frisch-fröhlich neu zusammengewürfelten Abwehr nur einmal ohne Orientierung: als ihm Tréand bei dessen Kopfball-Chance (25. Minute) entwischte. Hätte gar vorne für ein Tor sorgen können, stoppte Zuffis Freistoss aber mit einer derart breit durchgedrückter Heldenbrust, dass ihm der Ball versprang.

Adama Traoré | 3
Kennt das hin und her pendelnde Basler Abwehrsystem noch kaum und war deswegen Grund für eine flachere Anordnung der Basler Abwehrreihe. Spielte trotzdem meist so, als sei ihm nicht ganz klar, was er wann, wo und weswegen zu erledigen habe. War so offensiv kaum unterwegs, liess defensiv aber trotzdem Mutschs Flanke zum 1:1 zwischen seinen Beinen hindurchrutschen. Lenkte beim 2:2 Tafers Schuss unglücklich ab, wodurch der Ball schliesslich via Zuffi zu Torschütze Tréand kam – und flog schliesslich derart ungestüm mit offener Fusssohle durch den eigenen Strafraum, dass er sich nicht wundern konnte, als gleich darauf ein Elfmeterpfiff ertönte.

Mohamed Elneny | 5
Startete für seine Verhältnisse fulminant, eroberte den Ball oft tief in der St. Galler Hälfte, lancierte danach gleich seine Mitspieler und leitete das 1:0 mit seiner Seitenverlagerung auf Calla ein. War einer von vier Basler Feldspielern, die nach den 94 Minuten in Porto auch in St. Gallen über die volle Distanz gehen durften oder mussten und schien in der Schlussviertelstunde dem Kräfteverschleiss Tribut zu zollen.

Luca Zuffi | 4
Gab den weitaus weniger auffälligen Sechser neben Elneny und schien sich nach langer Zeit als offensiver Mittelfeldspieler auch erst wieder an die leicht nach hinten verschobene Position gewöhnen zu müssen. Hatte seinen besten Auftritt, als er durch die Abseitsstellung seiner Kollegen praktisch zum Alleingang gezwungen wurde und sich gegen zwei St. Galler durchdribbelte, was zu Embolos Doppelchance nach einer Stunde führte.

Derlis Gonzalez | 4,5
Fühlte sich in der ersten Halbzeit offenbar pudelwohl ob all der vielen schönen Freiheiten, die ihm die Ostschweizer Abwehr gönnte. Hätte mit seinen vielen Abschlussgelegenheiten vom rechten Eck des Fünfmeterraums vielleicht auch ein Tor erzielen können, schoss aber immerhin vor dem 2:2 so hart auf Goalie Lopar, dass der den Ball Calla vor die Füsse prallen liess. Hatte spätestens nach einer Stunde keine Kraft mehr für gefährliche Vorstösse.

Matias Delgado | 4,5
Spielte eine eigentlich ganz famose erste Halbzeit. Gab den Mann zwischen den Linien, den die St. Galler kaum einmal zu fassen bekamen, und hatte so bei praktisch jedem Basler Angriff den Fuss im Spiel. Köpfte das 1:0 nach der schönsten FCB-Ballstafette des Spiels, die er selbst mit initiiert hatte, war mit seinem Ballverlust im Mittelfeld aber auch Ausgangspunkt zum zweiten Gegentreffer. Nach der Pause zu sehr getrieben von der Lust auf das eine, ganz geniale Steilzuspiel und mit zu wenig Geduld für den einfachen Pass, der den Baslern mehr Ballbesitz und damit Ruhe gegeben hätte.

Shkelzen Gashi | 3,5
Hat Chancen wie jene in der 18. Minute auch schon verwertet, als er einen Abpraller erst über Lopar lupfte, um ihn dann mit dem Schienbein zwei Meter neben das leere Tor holpern zu lassen. Wirkte nicht gross anders als in all seinen anderen Spielen für den FCB auf dem linken Flügel. Blieb also im Spielaufbau oft wirkungslos, was aber jeweils erst dann so richtig auffällt, wenn er ausnahmsweise mal kein Tor erzielt.

Breel Embolo | 4
Wartet auch nach dem sechsten Ligaspiel des Jahres auf einen Treffer und hat 2015 erst gegen den Unterklassigen FC Münsingen getroffen. Hatte so einerseits nicht das nötige Selbstvertrauen, um einen Abstauber aus elf Metern im statt neben dem Tor zu versorgen. Und andererseits auch das Pech, dass Goalie Lopar in seiner besten Tat seinen Schuss aus wenigen Metern noch mit den Fingerspitzen an die Latte lenkte. Über den Nachschuss breiten wir den Mantel des Schweigens.

Yoichiro Kakitani | 3,5
Kam in der 74. Minute für Gashi und hätte wohl entweder durch Ballhalten in der Offensive für Entlastung der Basler Verteidigung sorgen sollen. Oder er war für schnelle Gegenstösse vorgesehen. Wusste wohl selbst nicht, für welche Variante er sich entscheiden sollte und tat weder noch. Rannte sich stattdessen zweimal in aussichtsreichen Kontersituationen in der St. Galler Defensive fest. Litt aber auch darunter, dass seine Teamkollegen den Ball bloss noch konzeptlos nach vorne droschen.

Fabian Frei | –
Ersetzte in der 81. Minute Delgado und war zu kurz im Einsatz, um benotet zu werden.

Marco Streller | –
Wurde in der 81. Minute für Embolo eingewechselt und durfte sich der ungebrochenen Abneigung des St. Galler Publikums gegen seine Person versichern. Rangelte einmal mit Besle und sah dafür Gelb. Zu Kurz im Einsatz, um benotet zu werden.

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Notendurchschnitt: 4,3
Ohne Einsatz im Kader: Vailati (ET), Degen, Samuel, Arlind Ajeti

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