Die Solothurner Triathletin Daniela Ryf (28) hat in dieser Saison alles gewonnen, was es für sie zu gewinnen gab. Mit dem Anlauf auf die «Triple Crown» in Bahrain zeigt sie, dass ihr Hunger noch nicht gestillt ist. Im Interview spricht sie über den Millionen-Jackpot, den sie am Samstag am Persichen Golf gewinnen kann, und ihre Anfänge bei den Wildcats in Basel.
Daniela Ryf, mit dem Ironman Hawaii gewannen Sie Mitte Oktober den bedeutendsten Triathlon der Welt. Wie haben Sie nach diesen strapaziösen 3,9 Kilometern Ozeanschwimmen, den 180 Velokilometern durch die Lavawüste und dem Hitzemarathon den Wettkampfhunger nochmals aufgebaut?
Daniela Ryf: Erfolg motiviert. In dieser Saison ist alles aufgegangen, und Hawaii war quasi das Nonplusultra. Die Idee vom Abschluss mit der Triple Crown hatte aber schon vor dem Ironman Hawaii im Hinterkopf Platz genommen. Nach meinem grössten Karriereerfolg trat diese letzte Herausforderung rasch ins Bewusstsein, und die Hawaii-Müdigkeit war sehr schnell überwunden. Die Freude an der Bewegung, am Training war sofort wieder da. Mit mentaler Frische habe ich diese Empfindungen verbunden. Es ging nun primär darum, die richtigen Akzente zu setzen.
Nämlich?
Mental brauchte es wenig. Die Liebe zur 70,3-Kilometer-Distanz sprach für sich, da fühle ich mich am wohlsten. Auf der halben Ironman-Distanz kann ich spielen, kann pushen, kann meinen Körper vom Start bis ins Ziel am Limit fordern. Da braucht’s kein Dosieren, Taktieren. Das spezifische Training bereitete ebenso Spass: etwas intensiver, fordernder. Seit Hawaii standen einige sehr harte Velo-Einheiten und Läufe auf dem Programm. Und Powerläufe auf dem Laufband wie ich sie besonders mag. Das Gefühl, den Schlüssel für diesen Wechsel zu finden, beflügelt mich. Und es ist mir gelungen, die hervorragende Hawaii-Form mitzunehmen.
» Challenge Bahrain
Über die spezielle Motivation in Bahrain müssen wir ja nicht reden. Es geht für Sie, weil Sie bereits die Rennen in Dubai im März und in Zell am See im September gewonnen haben, um den One-Million-Dollar-Jackpot.
Schon. Diese Millionenjagd ist für mich so etwas wie das Sahnehäubchen. Aber ich will betonen: Geld ist nie der Anreiz für besondere Leistungen gewesen. Aber diese Möglichkeit bietet sich wohl ein einziges Mal im Leben. Das Ganze ist verrückt. Beim Saisonstart hätte ich nie vermutet, dass dieses Triple zum Thema werden könnte. Und obwohl ich in dieser Saison noch ungeschlagen bin, fehlt etwas: das perfekte Rennen. Dieses strebe ich am Samstag an.
Sie waren U23-Weltmeisterin, zweifache Olympia-Teilnehmerin, doch zur Überfliegerin wurden Sie auf der 70.3- sowie der Ironman-Distanz. Wie erklären Sie sich das?
Der Wechsel zu Brett (Brett Sutton, der australische Erfolgscoach/2013) war sicher wegweisend. Brett hat es verstanden, mich zu lesen wie kein Coach zuvor. Er leitet mich, gibt mir die Trainingsinhalte und beobachtet mich. Da läuft vieles über nonverbale Kommunikation. Bei uns funktioniert es ohne viele Worte. Brett habe ich es vor allem zu verdanken, dass ich zu dem geworden bin, was ich nun bin. Mit seinem individuellen Trainingsprogramm, seinen direkten Anpassungen, aber auch der Trainingsgruppe, in der ich mich integriert fühle.
«Brett Sutton versteht es, mich zu lesen wie zuvor kein anderer Trainer.»
Ihre Saison hat über neun Monate gedauert, Ihre Trainings- und Wettkampfdestinationen erstreckten sich rund um den Globus, hat das nicht enorm an der Substanz gezehrt?
Es war speziell, aber offenbar hat die Leistung nicht darunter gelitten. Ich versuchte stets Ruhe in den Alltag hineinzubringen, nicht zu viel herumzureisen. So lebte ich während des Sommers in St. Moritz. Zu den Wettkämpfen reiste ich mit dem Auto, was viel einfacher und bequemer ist als mit dem Flugzeug. Auch in die spezifische Hawaii-Vorbereitung in Jeju in Korea, die drei Wochen auf Hawaii und der letzte Trainingsblock erneut in Asien, entwickelte sich an den jeweiligen Orten ein Daheim-sein-Gefühl. Trotzdem will ich betonen: Ich freue mich enorm, wenn’s nach diesem Wochenende wieder einmal nach Hause, zur Familie, zu den Freunden geht. Dann bin ich für einmal nicht die fokussierte Triathletin, nicht die Ironlady Daniela Ryf, sondern einfach Daniela.
Und die Lebensmitteltechnologie-Studentin Daniela Ryf, wie steht es mit dieser?
Während dieser langen Saison konnte ich online einiges erledigen. Doch jetzt, in der Zwischensaison, werde ich vieles aufarbeiten und nachholen müssen. Das Studium hilft mir, den Bezug zum wahren Leben nicht zu verlieren.
Sie sind Mitglied des hochkarätigen Triathlon-Teams Bahrain Endurance 13. Wie kam es zu dieser Wahl und wie identifizieren Sie sich mit den Geldgebern und deren Geschäftspraktiken?
Der Prinz von Bahrain ist ein leidenschaftlicher Triathlet und hatte die Vision den aktiven Lebensstil mit einem Team in seinem Land zu fördern und den Triathlon-Sport auf ein neues Level zu bringen. Ins Team wurden die besten 13 Ironman-Athleten der Welt von ihm gewählt. Durch das Team wird ebenfalls der Nachwuchs Triathlon Club in Bahrain gefördert, welches vielen jungen Athleten die Möglichkeit gibt, mit dem Triathlon-Sport zu beginnen. Für mich war das Team eine interessante Chance und ich bin stolz, neben Jan Frodeno und Sebastian Kienle im momentan stärksten Triathlon-Team der Welt zu sein.
Welches Verhältnis hat die Welttriathletin Daniela Ryf noch zu ihren Wurzeln bei den Wildcats, der Triathlon-Sparte des SV Basel?
Für mich bedeuten die Wildcats der Start meiner Karriere aber vor allem auch meine Jugend. Ab 14 habe ich jedes Wochenende in Basel verbracht. Neben zielstrebigem Training hatte ich eine tolle Zeit, wo ich Freunde fürs Leben gefunden habe.
» Die Wildcats, Triathlon-Sparte des Schwimmvereins beider Basel
Die Triathlon-Karriere von Daniela Ryf (28/Fraubrunnen/Solothurn) muss aufgeteilt werden: in jene über die Olympische Distanz (1,5/40/10 Kilometer) sowie jene über die Langdistanzen 70.3 und Ironman (1,9/90/21,1 respektive 3,8/180/42,2 Kilometer). Im Olympischen Triathlon gewann sie zwei Mal den Junioren-Europameistertitel (2004 und 2005), wurde U23-Weltmeisterin und Olympia-Siebte (2008) und sah sich durch eine Darminfektion von 2010 bis 2012 zurückgebunden.
Der 40. Rang bei Olympia vor drei Jahren in London sorgte für eine Neuorientierung. Ryf hinterfragte ihr Sportlerleben und wandte sich den Langdistanzen zu. Erfolgstrainer Brett Sutton (Australien), der unter anderem auch Olympiasiegerin Nicola Spirig betreut, nimmt sich ihr seit Ende 2013 an. Letztes Jahr dominierte Ryf die halbe Ironman-Distanz 70.3. In Zürich gab sie ihr Ironman-Debüt, nachdem sie am Vortag «5150»-Europameisterin geworden war. Beim Ironman Hawaii 2014 belegte sie Platz 2. In diesem Jahr ist die 28-Jährige bis jetzt ungeschlagen.
» Die Webseite von Daniela Ryf