Dario Cologna: «Ich habe nie gezweifelt»

Dario Cologna beweist am Schlusswochenende der Tour de Ski eine einzigartige Souveränität und gewinnt zum dritten Mal den Saisonhöhepunkt im Langlauf. Im Interview mit der TagesWoche spricht er über den Genuss der letzten Meter, seinen perfekten Formaufbau und seine Taktik.

Der grosse Dominator: Dario Cologna musste in der Schlussetappe nicht mehr ans Limit gehen. (Bild: Reuters)

Dario Cologna beweist am Schlusswochenende der Tour de Ski eine einzigartige Souveränität und gewinnt zum dritten Mal den Saisonhöhepunkt im Langlauf. Im Interview spricht er über den Genuss der letzten Meter, seinen perfekten Formaufbau und seine Taktik.

Mit einem Vorsprung von 1:22 Minuten auf Petter Northug stieg Dario Cologna in die Schlussetappe auf die Alpe Cermis, die gefürchteten 9 Kilometer mit den 450 Höhenmetern im Val di Fiemme. Und der bald 26-jährige Münstertaler liess nichts mehr anbrennen. Den Schluss des enorm steilen und anforderungsreichen Aufstiegs auf der Skipiste konnte er gar geniessen, ohne ans Limit gehen zu müssen.

Dario Cologna, wie haben Sie diese letzten Meter der diesjährigen Tour de Ski nach insgesamt über vier Rennstunden erlebt?

Das war ein Supergefühl, allein, unbedrängt und des Sieges gewiss dem Ziel entgegengleiten und nicht mehr am Limit laufen zu müssen. Beflügelnd waren die Anfeuerungsrufe, zahlreich die Schweizer Fahnen, bekannt etliche Stimmen. Nirgends ist die Unterstützung grösser als hier, diesem Finale der Tour de Ski. Das hängt auch mit der Nähe zu meiner Heimat, dem Münstertal, zusammen.

Was ging Ihnen da durch den Kopf?

Es ist lustig. Die Strapazen treten sofort in den Hintergrund. Da bestimmen die Glücksgefühle, die Freude. Und irgendwo ist auch die Erleichterung, dass es nun vorüber ist.

Wie siegessicher waren Sie vor dem Schlussrennen?

Ziemlich. Am Vortag hatte ich eine ideale Basis gelegt.

Erklären Sie.

Ich wusste, dass der Samstag vorentscheidend sein wird. Diesen 20 Kilometern mit Massenstart in der klassischen Technik habe ich die richtige Schlüsselrolle beigemessen. Da liessen sich nicht nur viele Bonifikationssekunden gewinnen, sondern es war auch möglich, viel Zeit verlieren. Und ich wusste, dass meine Verfolger angreifen würden, vor allem, dass Petter Northug nochmals alles versuchen wird. Also blies ich zum Gegenangriff, ganz nach dem Motto: Präsenz markieren, damit niemand auf falsche Ideen kommt. Dass also niemand meint, ich sei verletzlich.

Die Rechnung ging auf.

Richtig. Dieses zweitletzte Rennen war hart, aber hübsch. Dank den meisten Bonifikationssekunden konnte ich meinen Vorsprung sogar auf Northug ausbauen. Die 1:22-Minuten, mit denen ich den Schlussaufstieg zur Alpe  Cermis in Angriff nehmen konnte, entsprachen einem schönen Vorsprung, dem grössten, den ich je aufgewiesen habe vor dem Schlussteilstück.

Wie stark waren die Gefühlsschwankungen während der zehn Tage dieser Tour?

Nach und vor vielen Rennen und Tagen fühlte ich mich nicht besonders gut. Als Leader aber, und das war ich seit Mitte Woche, kann man damit besser umgehen. Da fliessen die Endorphine, bist du beflügelt, motiviert bis in die Zehenspitze. Während der Rennen hatte ich nie Probleme. Da fühlte ich mich jeweils hervorragend. Ich besitze offenbar tatsächlich hervorragende Erholungsfähigkeiten. Das war der Grund, warum mir mehrere perfekte Rennen glückten.

Nach 2009 und 2011 haben Sie dieses Mehrtagesspektakel zum dritten Mal gewonnen, was keinem anderen Athleten bis anhin geglückt ist. Ein eindrücklicher Beweis, dass Sie der kompletteste Langläufer der Gegenwart sind.

Ich kann überall um den Sieg mitmischen, was andere auch können. Aber offenbar ist mir auch in diesem Jahr ein besseres Gesamtwerk geglückt. Ich konnte die Balance zwischen Belastung und kurzer Erholungszeit finden.

Die gesamte Weltspitze im Langlauf hat sich in diesem Winter ohne Weltmeisterschaften und Olympische Spiele auf die Tour de Ski konzentriert. Hat dieser Triumph darum für Sie einen besonderen Stellenwert?

Er ist schön, klar, besonders vor diesem Hintergrund. Aber ob es der schönste Sieg ist, frage ich mich selber. Auch der erste war speziell: Er war überraschend, auch für mich. Diesmal war es völlig anders: Diese Serie war das grosse Ziel. Alles ist aufgegangen: perfekte Form, stets schnelle Ski und viel Freude. Da treten die müden Beine in den Hintergrund.

Ihr grosser Widersacher Petter Northug musste sich gar noch auf Rang 3 abdrängen lassen. Wie erlebten Sie das hochgespielte Duell?

Wenn Petter antritt, sucht er den Sieg, das ist klar. Erstmals aber hatte er die Tour öffentlich zu seinem Ziel erklärt. Und er lief Anfang Saison sehr stark. Ich hätte mich in der Defensive fühlen können. Aber ich blieb ruhig und spürte, wie meine Formkurve steigt. Ich fühlte mich stets stark und habe nie gezweifelt. Den entscheidenden Motivationsschub lieferte der Sprintsieg in Rogla. Ab diesem Zeitpunkt war das Selbstvertrauen riesig. Und schliesslich hat die Formsteuerung exakt gepasst. Das ist es, was mich auch ein wenig Stolz macht. Dass es aufging.

Welche Qualitäten sind besonders wichtig, um ein solch anforderungsreiches Mehretappenrennen zu gewinnen?

Meine Vielseitigkeit ist das eine. Ich bringe gute Grundlagen mit, Grundlagen, die ich mir über Jahre angeeignet habe, die ich auf jede Saison hin weiter aufbaue. Und sodann verfüge ich über eine ausgezeichnete Erholungsfähigkeit. Ein Vorteil war, dass ich am Anfang nicht ans Limit gehen musste, dennoch aber vorne mitmischte. Das machte es mental einfacher.

Northug sagt, für ihn habe der Tour-Sieg nun noch höhere Priorität. Wie ist es für Sie nach diesen drei Triumphen?

Bei mir ist’s natürlich etwas anders. Nächstes Jahr finden ebenfalls hier im Val di Fiemme die Weltmeisterschaften statt. Und in meinem Palmares fehlt einzig noch ein Weltmeistertitel. Diesen Titelkämpfen gehört eine Fokussierung. Das heisst aber nicht, die Tour de Ski sei sekundär. Ich habe schon bewiesen, dass zwei Höhepunkte möglich sind.

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