Das 70-Sekunden-Wunder von Dortmund

Was für ein Spiel: Mit zwei Toren in der Nachspielzeit dreht Borussia Dortmund den Viertelfinal gegen den FC Malaga und steht zum dritten Mal unter den letzten Vier in der Champions League.

Borussia Dortmund's Felipe Santana and team mate Neven Subotic (R) celebrate after scoring a third and winning goal against Malaga during their Champions League quarter-final second leg soccer match, in the western German city of Dortmund April 9, 2013. (Bild: Reuters/INA FASSBENDER)

Was für ein Spiel: Mit zwei Toren in der Nachspielzeit dreht Borussia Dortmund den Viertelfinal gegen den FC Malaga und steht zum dritten Mal unter den letzten Vier in der Champions League.

Bisher haben sie sich in Dortmund ja stets sehr demütig präsentiert, wenn es um die Spiele in der Champions League ging, aber das hat sich mit diesem Viertelfinalrückspiel gegen den FC Malaga geändert. Vor dem am Ende dramatischen 3:2 (1:1) gegen das spanische Überraschungsteam inszenierte die legendäre Südtribüne eine beeindruckende Choreographie, die die Sehnsüchte in Worte fasste. «Auf der Suche nach dem verlorenen Henkelpott», stand auf einem gewaltigen Transparent (siehe Bildstrecke).

Klopp wie er leibt und lebt

Fassungslos waren die Dortmunder Verantwortlichen nach dem Schluss. «Es ist unglaublich: Wir waren ja praktisch tot», meinte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, «ich dachte, ich hätte schon alles im Fussball erlebt, aber das war der emotionalste Moment überhaupt.»

«Ganz grosser Abend, den werd‘ ich nie vergessen», jubilierte sein Trainer Jürgen Klopp, «ich kann das nicht erklären.» Und er räumte ein: «Ich habe meine Mannschaft selten so nervös und uninspiriert gesehen wie heute. Wenn wir ausgeschieden wären, hätten wir uns nicht beschweren können. Aber als wir die Brechstange rausgeholt haben, konnten wir die Partie drehen. Das war so grossartig – die Leute freuen sich ein zweites Loch in den Allerwertesten.»

Sie wollen also den Pokal. Und nach einem extrem aufregenden Spiel, das der BVB mit zwei Toren in der Nachspielzeit gewann, haben sie immer noch die Chance diese kostbare Trophäe nach 1997 zum zweiten Mal ins Revier zu holen. Aber schon diesen Europacupabend werden sie nicht so schnell vergessen in Dortmund.

Aber über weite Strecken war diese Partie keines dieser Zuckerspiele, die die Mannschaft ihren Fans in den in der Gruppenphase und phasenweise auch in Malaga beschert hatte. Schon in der Anfangsphase fehlten dem BVB Präzision und Klarheit in den Angriffsaktionen, am gefährlichsten waren die Dortmunder zu Beginn noch, wenn sie ihr gefürchtetes Gegenpressing aufzogen. Mehr als eine kleine Chance von Robert Lewandowski sprang dabei aber nicht heraus. Nach einem guten Anspiel Mario Götzes versuchte er aus 18 Metern Torhüter Willy mit einem Heber zu überlisten, aber der Ball flog über die Latte.

Die Maschine stotterte

Die BVB-Maschine stotterte, der Druck die gute Ausgangsposition aus dem Hinspiel mit einem Treffer in eine echte Führung zu verwandeln, schien das Team zu lähmen, während der FC Malaga sich sichtlich wohl fühlte in der Position des Aussenseiters. Und deshalb war die Führung der Gäste auch nicht völlig überraschend. Im Anschluss an zwei Luftduelle landete der Ball plötzlich bei Joaquin, der frühere spanische Nationalspieler umdribbelte Marcel Schmelzer und traf aus 17 Metern durch die Beine von Neven Subotic zum 1:0 (25.).

Das war ein Schock. Genau dieses Szenario wollten die Dortmunder unter allen Umständen vermeiden, nun benötigten sie zwei Treffer zum Erreichen des Halbfinales. Aber nach einigen Minuten der Besinnung und der Neusortierung brachten sie dann doch einmal einen Moment zu Stande, in dem die BVB-Offensive ihre überragende Qualität zur Geltung bringen konnte. Nach einem Angriff über die rechte Seite spielte Mario Götze einen Ball auf Marco Reus, der mit einem brillanten Fersenzuspiel Lewandowski in Szene setzte, der Willy umdribbelte und zum Ausgleich traf.

Als alles verloren schien

Mehr Sicherheit gab das dem Spiel der Dortmunder aber nicht, und wenn Joaquin nicht nur gut dribbeln und schiessen könnte, sondern auch noch ein guter Kopfballspieler wäre, dann wäre diese Partie früh entschieden gewesen. Denn kurz vor der Halbzeit und kurz nach der Pause hatte dieser Schrecken der Dortmunder Defensive jeweils nach Freistössen grossartige Gelegenheiten auf das 1:2 (45.) und das 1:3 (47.). Doch Roman Weidenfeller konnte jeweils abwehren.

Es folgten die Minuten, in denen alles verloren schien. Erst erspielten die Dortmunder sich zwei wunderbare Möglichkeiten, doch Reus (76.) und Götze (79.) scheiterten jeweils am Fuss des grossartig haltenden Willy im Tor der Spanier. Dann vollendete Eliseu einen Konter zum 1:2 in der 82. Minute. Und dann kam die Nachspielzeit, in der erst Reus zum 2:2 traf, bevor Felipe Santanta – allerdings aus Abseitsposition – mit seinem 3:2 die Arena in den Zustand der Ekstase versetzte.

Der BVB hat also zum dritten Mal nach 1997 und ’98 die Halbfinals der Königsklasse erreicht und damit weiterhin die Chance, jene kleine Gemeinheit zu realisieren, wovon so viele Dortmunder träumen. Lars Ricken, der Dortmunder Champions-League-Held von 1997, der inzwischen die Jugendabteilung des entthronten Meisters leitet, hat die Vision offen ausgesprochen: «Wir haben die Chance, die Bayern im Halbfinale rauszuschmeissen», sagte der 36-Jährige in einem Radiointerview, «dann könnten die ihre Saison, wie man bei uns so schön sagt, in die Tonne kloppen.»

Champions League, Viertelfinal, Rückspiele

Borussia Dortmund–Malaga 3:2 (1:1)
Signal-Iduna-Park. – 65’829 Zuschauer (ausverkauft). – SR Thomson (Scho).
Tore: 25. Joaquin 0:1. 40. Lewandowski 1:1. 82. Eliseu 1:2. 91. Reus 2:2. 92. Santana 3:2.
Dortmund: Weidenfeller; Piszczek, Subotic, Santana, Schmelzer; Gündogan (86. Hummels), Bender (72. Sahin); Blaszczykowski (72. Schieber), Götze, Reus; Lewandowski.
Malaga: Willy; Gamez, Demichelis, Sanchez, Antunes; Toulalan, Camacho; Joaquin (87. Portillo), Isco, Duda (74. Eliseu); Julio Baptista (83. Santa Cruz).
Bemerkungen: Malaga ohne Weligton und Iturra (beide gesperrt). Verwarnungen: 10. Bender (Foul). 60. Schmelzer (Foul). 62. Gamez (Unsportlichkeit). 88. Toulalan (Foul).

Galatasaray Istanbul–Real Madrid 3:2 (0:1)
Türk Telekom Arena. – 50’000 Zuschauer. – SR Lannoy (Fr).
Tore: 7. Ronaldo 0:1. 57. Eboué 1:1. 71. Sneijder 2:1. 72. Drogba 3:1. 92. Ronaldo 3:2.
Galatasaray: Muslera; Eboué (80. Elmander), Gökhan Zan, Semih Kaya, Riera; Hamit Altintop (46. Amrabat), Felipe Melo, Selçuk Inan; Sneijder; Umut Bulut (63. Sabri Sanoglu), Drogba.
Real Madrid: Diego Lopez; Essien (31. Arbeloa), Pepe, Varane, Coentrao; Khedira, Modric; Di Maria, Özil (81. Albiol), Ronaldo; Higuain (73. Benzema).
Bemerkungen: Galatasaray ohne Burak Yilmaz, Nounkeu (beide gesperrt) und Ujfalusi (verletzt). Real Madrid ohne Xabi Alonso und Sergio Ramos (beide gesperrt). 90. Gelb-rote Karte gegen Arbeloa (Unsportlichkeit). Verwarnungen: 20. Sneijder (Unsportlichkeit). 45. Eboué (Foul). 89. Arebloa (Foul). 94. Amrabat (Foul).

Auslosung Halbfinals: Freitag, 12. März.
Halbfinals: 23./24. April und 30.4./1. Mai
Final: 25. Mai in London, Wembley
Champions League, Viertelfinal
Dienstag, 9. April Rückspiel Hinspiel
Borussia Dortmund Malaga CF 3:2 0:0
Galatasaray Istanbul Real Madrid 3:2 0:3
Mittwoch, 10. April, 20.45 Uhr
FC Barcelona Paris St-Germain RTS deux 2:2
Juventus Turin Bayern München SRF2 | ZDF 0:2

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