Das Beste aus Salzburg seit Mozart

Mit einem langen Anlauf bringt der Red-Bull-Konzern seine Fussballsparte in Schwung. Der aufblühende FC Salzburg ist am Donnerstag im Europacup Gegner des FC Basel.

Image shows Kevin Kampl (RBS), Andre Ramalho (RBS), Alan de Carvalho (RBS), Rodnei (RBS) and Sadio Mane (RBS) during the tipp3 Bundesliga match between FK Austria Wien and FC Red Bull Salzburg in Vienna, Austria on October 6th, 2013 // GEPA pictures/Red B (Bild: Red Bull/Christian Ort)

Mit einem langen Anlauf bringt der Red-Bull-Konzern seine Fussballsparte in Schwung. Der aufblühende FC Salzburg am Donnerstag im Europacup Gegner des FC Basel.

Mit einem Schlag waren im Österreicher-Haus in Sotschi alle völlig aus dem Häuschen. Auf der Bühne stimmte die Band spontan ein Ständchen an, an der rustikalen Holzbar wurde kräftig mit Zillertaler Schnaps angestossen, und selbst Österreicher, denen für gewöhnlich nur die Brettl’n die Welt bedeuten, liessen sich von der allgemeinen Aufregung anstecken und zu einem Applaus hinreissen. Die Kunde vom sensationellen Salzburger 3:0-Sieg im Europa-League-Hinspiel in Amsterdam löste unter den Landsleuten im fernen Russland eine Begeisterung aus, als hätte Ski-Hero Marcel Hirscher gerade für seine Heimat olympisches Gold gewonnen.

Das Hinspiel zwischen dem FC Basel und Salzburg in den Achtelfinals der ­Europa League findet am 13. März statt (19 Uhr, St.-Jakob-Park), das Rückspiel am 20. März.
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Die Wallung am Schwarzen Meer, der kollektive Jubel im Haus Austria-Tirol sagt viel aus über den Stimmungswandel im österreichischen Fussball. Möglicherweise ist die allgemeine Euphorie und Aufbruchstimmung um den FC Red Bull Salzburg ­sogar noch weit mehr wert als der Einzug in den Europa-League-Achtelfinal, wo nun der FC Basel (13. und 20. März) wartet. Weil dieser Retorten-Verein aus Salzburg den österreichischen Fussballfans endlich unter die Haut zu gehen scheint, weil der spektakuläre Spielstil in der Öffentlichkeit einen Kick verursacht, und weil nach fast einem Jahrzehnt des Bestehens im Land so was wie ein Wir-Gefühl im Entstehen ist. Zumindest bei den internationalen Auftritten der Salzburger.

Dabei ist es noch gar nicht einmal so lange her, da war ausserhalb von Salzburg höchstens dann lautstark gejubelt worden, wenn die Konzern-Kicker wieder einmal zu Dosenfutter verarbeitet worden waren. Unter den österreichischen Fussballfans herrschte eine ungewohnte Solidarität, seit Red Bull am Ball ist: «Alle gegen die Millionäre» lautete das Motto, und wo immer die Salzburger in der Fremde auftauchten, ernteten sie von den Tribünen vor allem Hohn, Spott und Schmähgesänge. Zumindest in dieser Hinsicht eiferte Red Bull seinem erklärten Vorbild vom Start weg nach: dem FC Bayern München.

Lange hiess es: Finger weg vom Teamsport

Den Fussball als Spielweise hat Red Bull eher zufällig gefunden. Man erzählt sich, dass der fussballbegeisterte Sohn von Firmenboss Dietrich Mateschitz dafür verantwortlich war, dass Red Bull seit Sommer 2005 auch dem Fussball Flügel verleiht. Bis dahin hatte sich der Energydrink-Hersteller mit Hauptsitz in Fuschl am See in den Nischen des Extremsports breitgemacht und die Philosophie verfolgt: auffallen um jeden Preis und je spektakulärer, desto besser. Basejumper, Motocross-Freestyler, Snowboarder, Air-Race-­Piloten – der Trendsport war es, der es Mateschitz, einem bekennenden Motorsportfreak und Hobbypiloten, angetan hatte, und jahrelang hatte die Firmenstrategie gegolten: Finger weg vom Teamsport.

Inzwischen ist der Fussball eines der wichtigsten Steckenpferde des Unternehmens. Red Bull unterhält nicht nur das Haus- und Hofteam aus Salzburg, auch Vereine in New York (zuvor Metro Stars) und in Leipzig gehören mittlerweile zum Bullenstall. Wobei das deutsche Farmteam offiziell als RasenBallsport Leipzig auftreten muss, da der Deutsche Fussball-Bund Werbung im Vereinsnamen untersagt. Nicht zu vergessen: Red Bull unterhält Nachwuchsakademien in Ghana und in Brasilien sowie den österreichischen Zweitligisten Liefering.

Im Gegensatz zur Formel 1 fuhr der Red-Bull-Fussball auf der Pannenspur.

Viel Aufwand für relativ wenig Ertrag – die erste Dekade des sündhaft teuren Fussballprojekts Red Bull wird nicht unbedingt als grosse Erfolgsära in die Sportgeschichte eingehen. Während die Formel-1-Boliden von Red Bull die Überholspur nahmen, waren die Firmenkicker fast ausschliesslich auf dem Pannenstreifen unterwegs. RB Leipzig schaffte zwar mittlerweile immerhin den Aufstieg in die 3. Liga, und Salzburg gewann seit 2005 vier Mal den österreichischen Meistertitel. Vom kühnen Plan jedoch, den euro­päischen Fussball wie die Formel 1 zu erobern, war Red Bull etwa so weit weg wie die Stratosphäre von der Erdoberfläche.

Die Probleme im Fussball waren dabei durchwegs hausgemacht. Denn anders als im Automobilsport, wo das Unternehmen einfach die besten Ingenieure, Mechaniker und dann auch noch den schnellsten Fahrer (Sebastian Vettel) engagierte und sich so den Erfolg einkaufte, fielen die Millionen im Fussball nicht auf fruchtbaren Boden. Zumal der Verein vor allem in der Gründerzeit lieber in klingende Namen investierte als in eine Zukunft mit Perspektiven.

Das Altstar-Konzept

Die Verpflichtungen von Altstars wie Alexander Zickler, Thomas Linke, Vratislav Lokvenc oder Niko Kovac lockten zwar kurzfristig das Publikum ins Stadion und sorgte auch im benachbarten Deutschland für Aufsehen. Auf lange Sicht hin konnte diese Strategie allerdings nicht funktio­nieren – schon gar nicht auf der internationalen Bühne. Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz musste in diesem für ihn neuen Business rasch einmal feststellen: Mit vollen Dosen ist gar nicht einmal so leicht stinken.

Es brauchte mehrere Anläufe, einige namhafte Trainer (Giovanni Trapattoni, Huub Stevens, Co Ad­riaanse), etliche prominente Sportdirektoren (Dietmar Beiersdorfer, Oliver Kreuzer), knapp hundert Transfers (darunter auch der Schweizer Nationalspieler Johan Vonlanthen) und etliche Pleiten und Pannen, bis man im Konzern die richtigen Lehren aus den verschwenderischen Anfangsjahren gezogen hatte. Dass nun ausgerechnet Roger Schmidt, der Mann mit dem Allerweltsnamen und personifizierte Anti-Bulle, mit dem Achtelfinaleinzug in der Europa League den grössten Erfolg der jungen Vereinsgeschichte einfährt, muss für Dietrich Mateschitz nach all den sündhaft teuren und prominenten Verpflichtungen wie Hohn erscheinen.

Das Düdelingen-Desaster

Schmidt ist kein Selbstdarsteller, Sprücheklopfer oder Showmaster wie so viele seiner Vorgänger in der Salzburger Coachingzone. Und vielleicht hat Red Bull nach den Jahren der Promis (Trapattoni), Stars und Sternchen (Lothar Matthäus) genauso einen Fussballlehrer gebraucht, der nicht sich in den Vordergrund rückt, sondern Taten statt Worte sprechen lässt. Eines hat der gelernte Werkzeug­macher aus Deutschland, der erst mit 40 auf dem zweiten Bildungsweg zum Profitrainer wurde (Preussen Münster, Paderborn) jedenfalls bereits erreicht: Roger Schmidt ist der erste Trainer in der Red Bull-Ära, dessen Vertrag vorzeitig bis 2016 verlängert wurde.

Und dabei ist es keineswegs selbstverständlich, dass der 46-jährige Schmidt heute überhaupt noch in Salzburg auf der Bank sitzen darf. Hätte Red Bull die übliche Hire-and-Fire-Politik der Anfangsjahre fortgesetzt, Schmidt wäre wohl schon nach wenigen Wochen wieder weg gewesen. Das Aus in der Champions-League-Qualifikation gegen Düdelingen im Sommer 2012 war nicht nur die grösste anzunehmende internationale Blamage, sie war zugleich auch eine Zäsur und der Beginn einer neuen Philo­sophie. Nach der Pleite gegen den luxemburgischen Meister durfte Sportchef Ralf Rangnick, der auch für RB Leipzig verantwortlich ist, noch einmal auf grosse Shoppingtour gehen und unterzog zusammen mit Schmidt die Mannschaft einem radikalen Facelifting.

Die Parallele zu Hoffenheim

Rangnick investierte nicht wie all seine Vorgänger in Namen, er investierte in die Zukunft und verpflichtete für umgerechnet rund 20 Millionen Franken junge Spieler, die nur echten Insidern ein Begriff waren.

Seit die Salzburger ihre Mannschaft extrem verjüngt haben, lassen sie die Konkurrenz meist alt aussehen. Und phasenweise erinnert Red Bull mit seinem attraktiven, offensiven Spielsystem frappant an das erste Jahr der TSG Hoffenheim, als Ralf Rangnick mit seiner No-Name-Truppe die Bundesliga aufmischte. Die überfallartigen Angriffe, das extreme und aggressive Pressing, das klare Bekenntnis zur Offensive hat nun auch sein Vertrauensmann Roger Schmidt zum Credo erhoben.

Mit ihrem intensiven und attrak­tiven Hauruck-Fussball haben die Salzburger zuletzt sogar den FC Bayern München in einem Testspiel mit 3:0 düpiert. Nach der gegen Fenerbahçe verpassten Champions-League-Qualifikation (1:1, 1:3) war gegen diese junge, erfolgshungrige Mannschaft in der Europa League kein Kraut mehr gewachsen. Sie gewann das Play-off (gegen Zalgiris/Litauen) und alle sechs Gruppenspiele gegen Elfsborg, Esbjerg und Standard Lüttich mit einem Torverhältnis von 23:3, und der Coup gegen den niederländischen Rekordmeister Ajax endete mit dem Gesamtskore von 6:1 (alle Ergebnisse der Salzburger in der laufenden Saison).

Anders als der FC Basel ist Red Bull nicht auf Transferserlöse angewiesen.

Ganz zu schweigen von der heimischen Punktejagd, in der Red Bull nach 26 Runden bereits 25 Zähler ­voran liegt bei einer Tordifferenz von plus 63. Bereits am Wochenende nach dem Basel-Spiel könnte Salzburg vorzeitig den Titel in der österreichischen Bundesliga feiern.

Nicht von ungefähr werden die Jungstars wie Mané oder Kampl bereits von den internationalen Topvereinen umworben. Allein: Red Bull macht keine Anstalten, die Leistungsträger abzugeben, zumal der Club mit seinen umgerechnet 45 Millionen Franken Gehaltskosten pro Saison im Gegensatz zum FC Basel auch nicht auf Transfererlöse angewiesen ist.

Was aber noch weit mehr zählt als der Rekordvorsprung und die Erfolgsserie von 60 Pflichtspielen, in denen der FC Salzburg – so die offizielle Bezeichnung durch die Uefa – immer ein Tor erzielt hat: Die Anhänger honorieren mittlerweile den Salzburger Spielstil und strömen wieder ins Stadion. In der Zuschauerstatistik sind die Salzburger mit 11’200 im Schnitt hinter Rekordmeister Rapid schon Nummer zwei.

Rückspiel gegen Basel ausverkauft – Marcel Koller: Salzburg ist der Favorit

Drei Mal war die Bullen-Arena (Fassungsvermögen offiziell: 30’188 Sitzplätze) in dieser Saison voll besetzt, und auch das Achtelfinal-Rückspiel gegen den FC Basel am 20. März ist ausverlauft. Die 29’320 zur Verfügung stehenden Tickets waren am Montag, 10. März, binnen viereinhalb Stunden vergriffen.

«Für Basel spricht die internationale Erfahrung», sagt Marcel Koller, der Schweizer auf dem Posten des österreichischen Teamchefs, «aber für Salzburg spricht die aktuelle Hochform. Deshalb sind sie für mich auch der Favorit.»

» Das Salzburger Personalkarussell

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 07.03.14

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