Das Ende eines Turniers, in dem Wawrinka stets mit sich haderte

Stanislas Wawrinka scheitert am US Open im Viertelfinal auch an Gegner Kei Nishikori. Vor allem aber steht er sich selbst im Weg.

Stan Wawrinka, of Switzerland, reacts after a shot against Kei Nishikori, of Japan, during the quarterfinals of the 2014 U.S. Open tennis tournament, Wednesday, Sept. 3, 2014, in New York. (AP Photo/Mike Groll) (Bild: AP Photo/Mike Groll)

Stanislas Wawrinka scheitert am US Open im Viertelfinal auch an Gegner Kei Nishikori. Vor allem aber steht er sich selbst im Weg.

Man hätte wahrscheinlich einen Roman schreiben können aus den Selbstgesprächen, die Stanislas Wawrinka in den vier Stunden und 15 Minuten seines letzten US-Open-Auftritts am Mittwochabend führte.

Nein, der Mann, der da in der mächtigsten Tennisarena der Welt umherwanderte und in einen permanenten Dialog mit sich verwickelt war, das war nicht der kraftvolle, souveräne Spieler mit dem aggressiv wirkenden Spitznamen «Stanimal». Und auch nicht der unerschrockene, mutige und couragierte Fighter, der im Januar sensationell das Australian Open gewonnen hatte.

Wen wunderte es am Ende dieses turbulenten Arbeitstages, dass die 6:3, 5:7, 6:7, 7:6, 4:6-Niederlage des Schweizers gegen Japans flinken Flitzer Kei Nishikori im Viertelfinal auch und vor allem ein Abbild dieser inneren Zerrissenheit des Verlierers war. «Ich war oft zu zögerlich, zu unentschlossen», sagte Wawrinka später, als er im Hauptinterviewraum des Billie Jean King National Tennis Center auftauchte, «das war wirklich kein grosses Match von mir.»

Eine verpasste Chance

Es war nicht nur kein grosses Match, es war vor allem eine auf deprimierende Art verpasste Chance. Und ein Rückschlag für den ambitionierten, anspruchsvollen und höchst ehrgeizigen Romand, der gegen einen Rivalen verlor, der in der Nacht zum Mittwoch bis um 2.26 Uhr in der Früh gegen den Kanadier Milos Raonic um seine Viertelfinal-Teilnahme gekämpft hatte (Spieldauer: 4:19 Stunden). Trotzdem wirkte Nishikori während noch einmal 255 Einsatzminuten agiler und lebendiger als Wawrinka.

Nur im ersten Satz strahlte Wawrinka jene Autorität und jenes Machtbewusstsein aus, das zur Unterdrückung des Widerstands von Nishikori nötig war. Aber schon bald war er viel zu sehr mit sich selbst und allen möglichen und unmöglichen Kleinigkeiten beschäftigt. «Glücklich war ich nicht mit mir und diesem Spiel», befand der Ausgeschiedene anschliessend, «all diese Aufs und Abs.»

Nishikori wie in Trance

Jedenfalls eröffnete der 29-jährige dem Japaner generös ein Rendezvous mit der Geschichte – denn als erster Spieler aus Japan seit 1918 ist Nishikori nun in einen Grand Slam-Halbfinal eingezogen. «Wie ich das geschafft habe, weiss ich auch nicht mehr. Am Ende spielte ich wie in Trance», sagte Nishikori.

Im vierten Satz hatte sich der Ausdauerkünstler schon einmal seinen rechten, von Blasen übersäten Fuss neu verbinden lassen müssen, danach spielte er nicht mehr mit der gewohnten Dynamik bei jedem einzelnen Punkt, sondern mit einem Maximum an Effektivität. Ganz Tennis-Ökonom und Denker, der genau weiss, was er tun muss, um das Ziel zu erreichen.

Es wirkte auch wie ein Exempel für die Fortschritte, die Nishikori an der Seite des Trainer-Strategen Michael Chang gemacht hatte. Mit dem Amerikaner taiwanesischer Abstammung arbeitet Nishikori seit Saisonbeginn zusammen, zunehmend erfolgreicher, zunehmend mit einer Tendenz, die in Richtung absolute Weltspitze weist.

Wawrinka wirkte immer unzufrieden

Wawrinka konnte die Gunst der Stunde vielleicht auch nicht nutzen, weil er im gesamten Turnierverlauf keinen zufriedenen, gar harmonischen Eindruck nach aussen offenbarte. Schon in vorherigen Spielen war er permanent unzufrieden, nörgelte trotz Siegen, legte sich auch nur allzu gern mit den Schiedsrichtern an.

Zu viel verlange er von sich selbst, diagnostizierte Wawrinka zwar durchaus richtig schon früh bei diesen Offenen Amerikanischen Meisterschaften des Jahres 2014, aber abstellen konnte er seinen übersteigerten Perfektionimus nie wirklich.

Die letztlich auch siegnotwendige Gelassenheit im Umgang mit Fehlern fand er nicht, und so war es auch stets ein schmaler Grat, auf dem er sich hier in New York bewegte. Ein Missgeschick hier und da, und schon war Wawrinka immer wieder in Gefahr, seine Linie zu verlieren. «Es stimmt schon: Ich habe meine Balance nicht gefunden», sagte Wawrinka später, gemünzt auf den schlechten Mix aus Kontrolle und Aggressivität. Der Satz galt für sein ganzes Grand Slam-Gastspiel.

Später fragte man Wawrinka im Frage-und-Antwort-Spiel noch, was er nun vor habe in den nächsten Tagen. Da war der Romand ratlos: «Mal sehen, ich habe keine Ahnung. Im Moment bin ich nur müde.»

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Apropos Selbstgespräche, eine Leseempfehlung: «Andy, don’t miss that ball!» – die Selbstgespräche eines Tennisprofis

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